alle massiv und nach der besten Art gebaut. Alles die- ses machte einen so angenehmen Eindruck auf mich, daß ich mich den ganzen Weg über bis nach Durlach damit beschäfftigte.
Es macht mich allemal sehr vergnügt, wenn ichVom guten und schlech- ten Ge- schmack in Wohnungen Werke menschlicher Hände sehe, die von guter Ueber- legung, Geschmack und Fleiß zeugen, und wenn es auch nur, wie ich nachher auf dieser Reise erfahren habe, ein besonders wohl gepflügter Acker, oder ein mit Ueberlegung bepflanzter Baumgarten wäre. Hin- gegen macht mich nichts schneller und gewisser traurig, als wenn ich in einen schmuzigen, finstern, übel ge- bauten und schlecht im Bau unterhaltenen Ort kom- me, dergleichen man in dem nördlichen Deutschland, besonders in Westphalen, so viele sieht. Es beun- ruhigt mich sehr, wenn ich mir dabey vorstelle, wie schlecht es in den Köpfen und Herzen der Menschen aussehen müsse, die so elend wohnen, ohne gewahr zu werden, daß ihnen in einem so wesentlichen Bedürf- nisse etwas fehle. Solche Menschen sind nothwendig dumm und unempfindlich, es sey, daß Armuth und Dürftigkeit, oder brutale Tyranney, oder irgend eine andere Pest der Seelen sie dahin gebracht habe.
Nichts ist natürlicher, als daß der etwas ruhige, und dabey denkende und empfindende Mensch etwas zur Verschönerung der Dinge, die ihn täglich umge- ben, unternehme. Selbst wilde Völker lieben den Schmuck an ihrer Kleidung. Die Wohnungen aber sind gewiß ein eben so wichtiger Theil unsrer Bedürf- nisse, als die Kleider. Wer darin Unordnung, Ver- fall und Unreinlichkeit nicht bemerkt, der muß beyna- he eine viehische Seele haben.
We-
B 4
gethanen Reiſe.
alle maſſiv und nach der beſten Art gebaut. Alles die- ſes machte einen ſo angenehmen Eindruck auf mich, daß ich mich den ganzen Weg uͤber bis nach Durlach damit beſchaͤfftigte.
Es macht mich allemal ſehr vergnuͤgt, wenn ichVom guten und ſchlech- ten Ge- ſchmack in Wohnungen Werke menſchlicher Haͤnde ſehe, die von guter Ueber- legung, Geſchmack und Fleiß zeugen, und wenn es auch nur, wie ich nachher auf dieſer Reiſe erfahren habe, ein beſonders wohl gepfluͤgter Acker, oder ein mit Ueberlegung bepflanzter Baumgarten waͤre. Hin- gegen macht mich nichts ſchneller und gewiſſer traurig, als wenn ich in einen ſchmuzigen, finſtern, uͤbel ge- bauten und ſchlecht im Bau unterhaltenen Ort kom- me, dergleichen man in dem noͤrdlichen Deutſchland, beſonders in Weſtphalen, ſo viele ſieht. Es beun- ruhigt mich ſehr, wenn ich mir dabey vorſtelle, wie ſchlecht es in den Koͤpfen und Herzen der Menſchen ausſehen muͤſſe, die ſo elend wohnen, ohne gewahr zu werden, daß ihnen in einem ſo weſentlichen Beduͤrf- niſſe etwas fehle. Solche Menſchen ſind nothwendig dumm und unempfindlich, es ſey, daß Armuth und Duͤrftigkeit, oder brutale Tyranney, oder irgend eine andere Peſt der Seelen ſie dahin gebracht habe.
Nichts iſt natuͤrlicher, als daß der etwas ruhige, und dabey denkende und empfindende Menſch etwas zur Verſchoͤnerung der Dinge, die ihn taͤglich umge- ben, unternehme. Selbſt wilde Voͤlker lieben den Schmuck an ihrer Kleidung. Die Wohnungen aber ſind gewiß ein eben ſo wichtiger Theil unſrer Beduͤrf- niſſe, als die Kleider. Wer darin Unordnung, Ver- fall und Unreinlichkeit nicht bemerkt, der muß beyna- he eine viehiſche Seele haben.
We-
B 4
<TEI><text><body><divn="1"><divtype="diaryEntry"n="2"><p><pbfacs="#f0041"n="23"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">gethanen Reiſe.</hi></fw><lb/>
alle maſſiv und nach der beſten Art gebaut. Alles die-<lb/>ſes machte einen ſo angenehmen Eindruck auf mich,<lb/>
daß ich mich den ganzen Weg uͤber bis nach <hirendition="#fr">Durlach</hi><lb/>
damit beſchaͤfftigte.</p><lb/><p>Es macht mich allemal ſehr vergnuͤgt, wenn ich<noteplace="right">Vom guten<lb/>
und ſchlech-<lb/>
ten Ge-<lb/>ſchmack in<lb/>
Wohnungen</note><lb/>
Werke menſchlicher Haͤnde ſehe, die von guter Ueber-<lb/>
legung, Geſchmack und Fleiß zeugen, und wenn es<lb/>
auch nur, wie ich nachher auf dieſer Reiſe erfahren<lb/>
habe, ein beſonders wohl gepfluͤgter Acker, oder ein<lb/>
mit Ueberlegung bepflanzter Baumgarten waͤre. Hin-<lb/>
gegen macht mich nichts ſchneller und gewiſſer traurig,<lb/>
als wenn ich in einen ſchmuzigen, finſtern, uͤbel ge-<lb/>
bauten und ſchlecht im Bau unterhaltenen Ort kom-<lb/>
me, dergleichen man in dem noͤrdlichen Deutſchland,<lb/>
beſonders in <hirendition="#fr">Weſtphalen,</hi>ſo viele ſieht. Es beun-<lb/>
ruhigt mich ſehr, wenn ich mir dabey vorſtelle, wie<lb/>ſchlecht es in den Koͤpfen und Herzen der Menſchen<lb/>
ausſehen muͤſſe, die ſo elend wohnen, ohne gewahr<lb/>
zu werden, daß ihnen in einem ſo weſentlichen Beduͤrf-<lb/>
niſſe etwas fehle. Solche Menſchen ſind nothwendig<lb/>
dumm und unempfindlich, es ſey, daß Armuth und<lb/>
Duͤrftigkeit, oder brutale Tyranney, oder irgend eine<lb/>
andere Peſt der Seelen ſie dahin gebracht habe.</p><lb/><p>Nichts iſt natuͤrlicher, als daß der etwas ruhige,<lb/>
und dabey denkende und empfindende Menſch etwas<lb/>
zur Verſchoͤnerung der Dinge, die ihn taͤglich umge-<lb/>
ben, unternehme. Selbſt wilde Voͤlker lieben den<lb/>
Schmuck an ihrer Kleidung. Die Wohnungen aber<lb/>ſind gewiß ein eben ſo wichtiger Theil unſrer Beduͤrf-<lb/>
niſſe, als die Kleider. Wer darin Unordnung, Ver-<lb/>
fall und Unreinlichkeit nicht bemerkt, der muß beyna-<lb/>
he eine viehiſche Seele haben.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">B 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">We-</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[23/0041]
gethanen Reiſe.
alle maſſiv und nach der beſten Art gebaut. Alles die-
ſes machte einen ſo angenehmen Eindruck auf mich,
daß ich mich den ganzen Weg uͤber bis nach Durlach
damit beſchaͤfftigte.
Es macht mich allemal ſehr vergnuͤgt, wenn ich
Werke menſchlicher Haͤnde ſehe, die von guter Ueber-
legung, Geſchmack und Fleiß zeugen, und wenn es
auch nur, wie ich nachher auf dieſer Reiſe erfahren
habe, ein beſonders wohl gepfluͤgter Acker, oder ein
mit Ueberlegung bepflanzter Baumgarten waͤre. Hin-
gegen macht mich nichts ſchneller und gewiſſer traurig,
als wenn ich in einen ſchmuzigen, finſtern, uͤbel ge-
bauten und ſchlecht im Bau unterhaltenen Ort kom-
me, dergleichen man in dem noͤrdlichen Deutſchland,
beſonders in Weſtphalen, ſo viele ſieht. Es beun-
ruhigt mich ſehr, wenn ich mir dabey vorſtelle, wie
ſchlecht es in den Koͤpfen und Herzen der Menſchen
ausſehen muͤſſe, die ſo elend wohnen, ohne gewahr
zu werden, daß ihnen in einem ſo weſentlichen Beduͤrf-
niſſe etwas fehle. Solche Menſchen ſind nothwendig
dumm und unempfindlich, es ſey, daß Armuth und
Duͤrftigkeit, oder brutale Tyranney, oder irgend eine
andere Peſt der Seelen ſie dahin gebracht habe.
Vom guten
und ſchlech-
ten Ge-
ſchmack in
Wohnungen
Nichts iſt natuͤrlicher, als daß der etwas ruhige,
und dabey denkende und empfindende Menſch etwas
zur Verſchoͤnerung der Dinge, die ihn taͤglich umge-
ben, unternehme. Selbſt wilde Voͤlker lieben den
Schmuck an ihrer Kleidung. Die Wohnungen aber
ſind gewiß ein eben ſo wichtiger Theil unſrer Beduͤrf-
niſſe, als die Kleider. Wer darin Unordnung, Ver-
fall und Unreinlichkeit nicht bemerkt, der muß beyna-
he eine viehiſche Seele haben.
We-
B 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/41>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.