Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

von Nizza nach Deutschland.
einer Schreibfeder, verloren gienge, so könnten der
strengen Winter ungeachtet noch drey Viertel der Wäl-
der ausgeradet werden, ohne daß man Mangel an
Holz leiden würde.

Es ist freylich wahr, daß die Wälder meisten-
theils etwas weit von den Städten entfernt sind, wo-
durch die Anfuhre des Holzes theuer wird. Aber an
gar viel Orten könnte durch gute Straßen, und beson-
ders durch gegrabene Canäle, dieser Unbequemlichkeit
abgeholfen werden. Jch weiß gar wohl, daß dieses
da, wo das Land unter viel kleine Herren vertheilt ist,
nicht angeht. Entweder sind diese kleinen Landesher-
ren nicht reich genug, beträchtliche Summen auf die
Verbesserung des Landes zu verwenden, oder ihr Ge-
biet erstreckt sich nicht weit genug, um schiffbare Ca-
näle mit Vortheil anzulegen. Dieses ist der Vortheil
großer Staaten, daß auch große Werke zur allgemei-
nen Landesverbesserung darin möglich sind. Wäre
Deutschland unter drey oder vier Souveraine vertheilt,
die so aufmerksam auf innere Landesverbesserungen wä-
ren, als es der König in Preußen ist, so würde es in
kurzem eine ganz andre Gestalt annehmen. Zwar
kann ich diesem Monarchen kein Compliment über die
Verbesserung seiner Landstraßen machen, denn sie sind
durchgehends sehr schlecht. Aber die Canäle in der
Mark Brandenburg sind herrliche Anstalten, da man
vermittelst derselben aus jedem Winkel des Landes
nicht nur in jeden andern, sondern auch in entferntere
Länder und in die Ostsee zu Wasser kommen kann.

Singen liegt neben einem einzeln stehenden ziem-
lich hohen Berge, auf dessen felsiger Spitze die Berg-
vestung Hohentwiel gebaut ist. Sie scheinet aller-

dings

von Nizza nach Deutſchland.
einer Schreibfeder, verloren gienge, ſo koͤnnten der
ſtrengen Winter ungeachtet noch drey Viertel der Waͤl-
der ausgeradet werden, ohne daß man Mangel an
Holz leiden wuͤrde.

Es iſt freylich wahr, daß die Waͤlder meiſten-
theils etwas weit von den Staͤdten entfernt ſind, wo-
durch die Anfuhre des Holzes theuer wird. Aber an
gar viel Orten koͤnnte durch gute Straßen, und beſon-
ders durch gegrabene Canaͤle, dieſer Unbequemlichkeit
abgeholfen werden. Jch weiß gar wohl, daß dieſes
da, wo das Land unter viel kleine Herren vertheilt iſt,
nicht angeht. Entweder ſind dieſe kleinen Landesher-
ren nicht reich genug, betraͤchtliche Summen auf die
Verbeſſerung des Landes zu verwenden, oder ihr Ge-
biet erſtreckt ſich nicht weit genug, um ſchiffbare Ca-
naͤle mit Vortheil anzulegen. Dieſes iſt der Vortheil
großer Staaten, daß auch große Werke zur allgemei-
nen Landesverbeſſerung darin moͤglich ſind. Waͤre
Deutſchland unter drey oder vier Souveraine vertheilt,
die ſo aufmerkſam auf innere Landesverbeſſerungen waͤ-
ren, als es der Koͤnig in Preußen iſt, ſo wuͤrde es in
kurzem eine ganz andre Geſtalt annehmen. Zwar
kann ich dieſem Monarchen kein Compliment uͤber die
Verbeſſerung ſeiner Landſtraßen machen, denn ſie ſind
durchgehends ſehr ſchlecht. Aber die Canaͤle in der
Mark Brandenburg ſind herrliche Anſtalten, da man
vermittelſt derſelben aus jedem Winkel des Landes
nicht nur in jeden andern, ſondern auch in entferntere
Laͤnder und in die Oſtſee zu Waſſer kommen kann.

Singen liegt neben einem einzeln ſtehenden ziem-
lich hohen Berge, auf deſſen felſiger Spitze die Berg-
veſtung Hohentwiel gebaut iſt. Sie ſcheinet aller-

dings
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="diaryEntry" n="2">
          <p><pb facs="#f0417" n="397"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">von Nizza nach Deut&#x017F;chland.</hi></fw><lb/>
einer Schreibfeder, verloren gienge, &#x017F;o ko&#x0364;nnten der<lb/>
&#x017F;trengen Winter ungeachtet noch drey Viertel der Wa&#x0364;l-<lb/>
der ausgeradet werden, ohne daß man Mangel an<lb/>
Holz leiden wu&#x0364;rde.</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t freylich wahr, daß die Wa&#x0364;lder mei&#x017F;ten-<lb/>
theils etwas weit von den Sta&#x0364;dten entfernt &#x017F;ind, wo-<lb/>
durch die Anfuhre des Holzes theuer wird. Aber an<lb/>
gar viel Orten ko&#x0364;nnte durch gute Straßen, und be&#x017F;on-<lb/>
ders durch gegrabene Cana&#x0364;le, die&#x017F;er Unbequemlichkeit<lb/>
abgeholfen werden. Jch weiß gar wohl, daß die&#x017F;es<lb/>
da, wo das Land unter viel kleine Herren vertheilt i&#x017F;t,<lb/>
nicht angeht. Entweder &#x017F;ind die&#x017F;e kleinen Landesher-<lb/>
ren nicht reich genug, betra&#x0364;chtliche Summen auf die<lb/>
Verbe&#x017F;&#x017F;erung des Landes zu verwenden, oder ihr Ge-<lb/>
biet er&#x017F;treckt &#x017F;ich nicht weit genug, um &#x017F;chiffbare Ca-<lb/>
na&#x0364;le mit Vortheil anzulegen. Die&#x017F;es i&#x017F;t der Vortheil<lb/>
großer Staaten, daß auch große Werke zur allgemei-<lb/>
nen Landesverbe&#x017F;&#x017F;erung darin mo&#x0364;glich &#x017F;ind. Wa&#x0364;re<lb/>
Deut&#x017F;chland unter drey oder vier Souveraine vertheilt,<lb/>
die &#x017F;o aufmerk&#x017F;am auf innere Landesverbe&#x017F;&#x017F;erungen wa&#x0364;-<lb/>
ren, als es der Ko&#x0364;nig in Preußen i&#x017F;t, &#x017F;o wu&#x0364;rde es in<lb/>
kurzem eine ganz andre Ge&#x017F;talt annehmen. Zwar<lb/>
kann ich die&#x017F;em Monarchen kein Compliment u&#x0364;ber die<lb/>
Verbe&#x017F;&#x017F;erung &#x017F;einer Land&#x017F;traßen machen, denn &#x017F;ie &#x017F;ind<lb/>
durchgehends &#x017F;ehr &#x017F;chlecht. Aber die Cana&#x0364;le in der<lb/>
Mark Brandenburg &#x017F;ind herrliche An&#x017F;talten, da man<lb/>
vermittel&#x017F;t der&#x017F;elben aus jedem Winkel des Landes<lb/>
nicht nur in jeden andern, &#x017F;ondern auch in entferntere<lb/>
La&#x0364;nder und in die O&#x017F;t&#x017F;ee zu Wa&#x017F;&#x017F;er kommen kann.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Singen</hi> liegt neben einem einzeln &#x017F;tehenden ziem-<lb/>
lich hohen Berge, auf de&#x017F;&#x017F;en fel&#x017F;iger Spitze die Berg-<lb/>
ve&#x017F;tung <hi rendition="#fr">Hohentwiel</hi> gebaut i&#x017F;t. Sie &#x017F;cheinet aller-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">dings</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[397/0417] von Nizza nach Deutſchland. einer Schreibfeder, verloren gienge, ſo koͤnnten der ſtrengen Winter ungeachtet noch drey Viertel der Waͤl- der ausgeradet werden, ohne daß man Mangel an Holz leiden wuͤrde. Es iſt freylich wahr, daß die Waͤlder meiſten- theils etwas weit von den Staͤdten entfernt ſind, wo- durch die Anfuhre des Holzes theuer wird. Aber an gar viel Orten koͤnnte durch gute Straßen, und beſon- ders durch gegrabene Canaͤle, dieſer Unbequemlichkeit abgeholfen werden. Jch weiß gar wohl, daß dieſes da, wo das Land unter viel kleine Herren vertheilt iſt, nicht angeht. Entweder ſind dieſe kleinen Landesher- ren nicht reich genug, betraͤchtliche Summen auf die Verbeſſerung des Landes zu verwenden, oder ihr Ge- biet erſtreckt ſich nicht weit genug, um ſchiffbare Ca- naͤle mit Vortheil anzulegen. Dieſes iſt der Vortheil großer Staaten, daß auch große Werke zur allgemei- nen Landesverbeſſerung darin moͤglich ſind. Waͤre Deutſchland unter drey oder vier Souveraine vertheilt, die ſo aufmerkſam auf innere Landesverbeſſerungen waͤ- ren, als es der Koͤnig in Preußen iſt, ſo wuͤrde es in kurzem eine ganz andre Geſtalt annehmen. Zwar kann ich dieſem Monarchen kein Compliment uͤber die Verbeſſerung ſeiner Landſtraßen machen, denn ſie ſind durchgehends ſehr ſchlecht. Aber die Canaͤle in der Mark Brandenburg ſind herrliche Anſtalten, da man vermittelſt derſelben aus jedem Winkel des Landes nicht nur in jeden andern, ſondern auch in entferntere Laͤnder und in die Oſtſee zu Waſſer kommen kann. Singen liegt neben einem einzeln ſtehenden ziem- lich hohen Berge, auf deſſen felſiger Spitze die Berg- veſtung Hohentwiel gebaut iſt. Sie ſcheinet aller- dings

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/417
Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/417>, abgerufen am 21.11.2024.