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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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von Nizza nach Deutschland.
völlig unverletzlich gemacht haben. Vortheile dieser Art
sind das einzige Gute, das der Aberglaube mit sich bringet.

Eine halbe Stunde hinter Günzberg kommt man
wieder über die Donau; jenseit derselben geht die
Straße durch einen großen niedrig liegenden und da-
her den Ueberschwemmungen der Donau ausgesetzten
Wald. Die Wege durch diesen Wald waren jetzt
erstaunlich schlecht. Der Boden ist durchaus leimig,
und war jetzt tief aufgeweicht, so daß meine Chaise oft
bis an die Achsen einsank. Jch fand jetzt, daß der
Postmeister in Günzberg mich nicht ohne guten
Grund genöthigt hatte, zwey Pferde mehr zu neh-
men, als ich vorher hatte. Ohne dieses wäre ich
unfehlbar in diesem Walde stecken geblieben. Man
beobachtet doch dieses Umstandes halber hier die Bil-
ligkeit, daß man auf der nächsten Post nicht gehalten
wird, mit so viel Pferden wieder weiter zu fahren,
als man bey der Ankunft gehabt hat.

Jn gedachtem Walde sind hier und da große
freye Plätze, die zu fürtrefflichen Wiesen zurecht ge-
macht sind, wo eine erstaunliche Menge Heu gewon-
nen wird. Wenn man aus dem Walde heraus ist,
so befindet man sich auf einer fast unabsehbaren, wie
mit der Wasserwage abgeebneten Fläche, die größten-
theils aus einem unangebauten Anger besteht, weil
sie öftern Ueberschwemmungen der Donau ausgesetzt ist.
Da aber durch einen sehr weiten Strich das Land aus
fettem Leimboden besteht, so könnten durch Dämme
diese Ueberschwemmungen gehindert werden. Als-
denn wäre da ein herrliches Land, das jetzt nur schlecht
genutzt wird, gewonnen, auf dem viele Dörfer könn-
ten angelegt werden. Jch halte es nicht mit den

stren-
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von Nizza nach Deutſchland.
voͤllig unverletzlich gemacht haben. Vortheile dieſer Art
ſind das einzige Gute, das der Aberglaube mit ſich bringet.

Eine halbe Stunde hinter Guͤnzberg kommt man
wieder uͤber die Donau; jenſeit derſelben geht die
Straße durch einen großen niedrig liegenden und da-
her den Ueberſchwemmungen der Donau ausgeſetzten
Wald. Die Wege durch dieſen Wald waren jetzt
erſtaunlich ſchlecht. Der Boden iſt durchaus leimig,
und war jetzt tief aufgeweicht, ſo daß meine Chaiſe oft
bis an die Achſen einſank. Jch fand jetzt, daß der
Poſtmeiſter in Guͤnzberg mich nicht ohne guten
Grund genoͤthigt hatte, zwey Pferde mehr zu neh-
men, als ich vorher hatte. Ohne dieſes waͤre ich
unfehlbar in dieſem Walde ſtecken geblieben. Man
beobachtet doch dieſes Umſtandes halber hier die Bil-
ligkeit, daß man auf der naͤchſten Poſt nicht gehalten
wird, mit ſo viel Pferden wieder weiter zu fahren,
als man bey der Ankunft gehabt hat.

Jn gedachtem Walde ſind hier und da große
freye Plaͤtze, die zu fuͤrtrefflichen Wieſen zurecht ge-
macht ſind, wo eine erſtaunliche Menge Heu gewon-
nen wird. Wenn man aus dem Walde heraus iſt,
ſo befindet man ſich auf einer faſt unabſehbaren, wie
mit der Waſſerwage abgeebneten Flaͤche, die groͤßten-
theils aus einem unangebauten Anger beſteht, weil
ſie oͤftern Ueberſchwemmungen der Donau ausgeſetzt iſt.
Da aber durch einen ſehr weiten Strich das Land aus
fettem Leimboden beſteht, ſo koͤnnten durch Daͤmme
dieſe Ueberſchwemmungen gehindert werden. Als-
denn waͤre da ein herrliches Land, das jetzt nur ſchlecht
genutzt wird, gewonnen, auf dem viele Doͤrfer koͤnn-
ten angelegt werden. Jch halte es nicht mit den

ſtren-
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[401/0421] von Nizza nach Deutſchland. voͤllig unverletzlich gemacht haben. Vortheile dieſer Art ſind das einzige Gute, das der Aberglaube mit ſich bringet. Eine halbe Stunde hinter Guͤnzberg kommt man wieder uͤber die Donau; jenſeit derſelben geht die Straße durch einen großen niedrig liegenden und da- her den Ueberſchwemmungen der Donau ausgeſetzten Wald. Die Wege durch dieſen Wald waren jetzt erſtaunlich ſchlecht. Der Boden iſt durchaus leimig, und war jetzt tief aufgeweicht, ſo daß meine Chaiſe oft bis an die Achſen einſank. Jch fand jetzt, daß der Poſtmeiſter in Guͤnzberg mich nicht ohne guten Grund genoͤthigt hatte, zwey Pferde mehr zu neh- men, als ich vorher hatte. Ohne dieſes waͤre ich unfehlbar in dieſem Walde ſtecken geblieben. Man beobachtet doch dieſes Umſtandes halber hier die Bil- ligkeit, daß man auf der naͤchſten Poſt nicht gehalten wird, mit ſo viel Pferden wieder weiter zu fahren, als man bey der Ankunft gehabt hat. Jn gedachtem Walde ſind hier und da große freye Plaͤtze, die zu fuͤrtrefflichen Wieſen zurecht ge- macht ſind, wo eine erſtaunliche Menge Heu gewon- nen wird. Wenn man aus dem Walde heraus iſt, ſo befindet man ſich auf einer faſt unabſehbaren, wie mit der Waſſerwage abgeebneten Flaͤche, die groͤßten- theils aus einem unangebauten Anger beſteht, weil ſie oͤftern Ueberſchwemmungen der Donau ausgeſetzt iſt. Da aber durch einen ſehr weiten Strich das Land aus fettem Leimboden beſteht, ſo koͤnnten durch Daͤmme dieſe Ueberſchwemmungen gehindert werden. Als- denn waͤre da ein herrliches Land, das jetzt nur ſchlecht genutzt wird, gewonnen, auf dem viele Doͤrfer koͤnn- ten angelegt werden. Jch halte es nicht mit den ſtren- C c

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/421>, abgerufen am 21.11.2024.