Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

Tagebuch von der Rückreise
Aecker; mitten durch aber fließt ein seichter Bach.
Ueberall findet man durch das ganze Thal hin eine
Menge Floßholz. Um dieses durch einen so seichten
Bach fortzubringen, sind viele Schleissen angelegt,
vermittelst welcher der Bach aufgehalten wird, daß er
anschwellet. So kann man, so oft man will, zwi-
schen zwey Schleissen Wasser genug bekommen, um
das Holz weiter zu flößen. Diese nützlichen Anstalten
sind sehr wohl ausgedacht, und daher für den Reisen-
den ein angenehmer Gegenstand.

Steinwiesen ist ein großes Dorf mitten in die-
sem Thale, welches hier nicht viel anders, als das
breite und meist seichte Bett des Baches ist. Von
hier aus zieht es sich immer enger noch eine halbe
Stunde weit zwischen die Berge hinein. Und hier
wird der Bach in verschiedene Canäle mit Schleissen
geleitet, an denen viele Schneidemühlen angelegt sind.
Man siehet hier eine erstaunliche Menge Holz und
Bretter liegen, so daß das ganze Thal damit belegt
ist. Alle Einwohner dieser Gegend beschäfftigen sich
fast allein mit diesem lebhaften Holzgewerbe: einige
mit Fällung und Herbeyschaffung in das Thal; andere
mit Spalten und Sägen, und noch andere mit Flös-
sung nach Cronach hin. Dieses giebt einem sonst so
einsamen und wilden, tief in den Bergen liegenden
Thale ein ungemeines Leben. Für den Reisenden ist
es höchst ergötzend, diese schöne Probe des menschli-
chen Fleisses zu sehen, wodurch, vermittelst kluger An-
stalten das wenige hier durchfließende Wasser weislich
zu nutzen, eine sonst verlassene, wilde, nichts als
holztragende Gegend gleichsam zu einem reichen
Marktplatze gemacht worden.

Eine

Tagebuch von der Ruͤckreiſe
Aecker; mitten durch aber fließt ein ſeichter Bach.
Ueberall findet man durch das ganze Thal hin eine
Menge Floßholz. Um dieſes durch einen ſo ſeichten
Bach fortzubringen, ſind viele Schleiſſen angelegt,
vermittelſt welcher der Bach aufgehalten wird, daß er
anſchwellet. So kann man, ſo oft man will, zwi-
ſchen zwey Schleiſſen Waſſer genug bekommen, um
das Holz weiter zu floͤßen. Dieſe nuͤtzlichen Anſtalten
ſind ſehr wohl ausgedacht, und daher fuͤr den Reiſen-
den ein angenehmer Gegenſtand.

Steinwieſen iſt ein großes Dorf mitten in die-
ſem Thale, welches hier nicht viel anders, als das
breite und meiſt ſeichte Bett des Baches iſt. Von
hier aus zieht es ſich immer enger noch eine halbe
Stunde weit zwiſchen die Berge hinein. Und hier
wird der Bach in verſchiedene Canaͤle mit Schleiſſen
geleitet, an denen viele Schneidemuͤhlen angelegt ſind.
Man ſiehet hier eine erſtaunliche Menge Holz und
Bretter liegen, ſo daß das ganze Thal damit belegt
iſt. Alle Einwohner dieſer Gegend beſchaͤfftigen ſich
faſt allein mit dieſem lebhaften Holzgewerbe: einige
mit Faͤllung und Herbeyſchaffung in das Thal; andere
mit Spalten und Saͤgen, und noch andere mit Floͤſ-
ſung nach Cronach hin. Dieſes giebt einem ſonſt ſo
einſamen und wilden, tief in den Bergen liegenden
Thale ein ungemeines Leben. Fuͤr den Reiſenden iſt
es hoͤchſt ergoͤtzend, dieſe ſchoͤne Probe des menſchli-
chen Fleiſſes zu ſehen, wodurch, vermittelſt kluger An-
ſtalten das wenige hier durchfließende Waſſer weislich
zu nutzen, eine ſonſt verlaſſene, wilde, nichts als
holztragende Gegend gleichſam zu einem reichen
Marktplatze gemacht worden.

Eine
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="diaryEntry" n="2">
          <p><pb facs="#f0432" n="412"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Tagebuch von der Ru&#x0364;ckrei&#x017F;e</hi></fw><lb/>
Aecker; mitten durch aber fließt ein &#x017F;eichter Bach.<lb/>
Ueberall findet man durch das ganze Thal hin eine<lb/>
Menge Floßholz. Um die&#x017F;es durch einen &#x017F;o &#x017F;eichten<lb/>
Bach fortzubringen, &#x017F;ind viele Schlei&#x017F;&#x017F;en angelegt,<lb/>
vermittel&#x017F;t welcher der Bach aufgehalten wird, daß er<lb/>
an&#x017F;chwellet. So kann man, &#x017F;o oft man will, zwi-<lb/>
&#x017F;chen zwey Schlei&#x017F;&#x017F;en Wa&#x017F;&#x017F;er genug bekommen, um<lb/>
das Holz weiter zu flo&#x0364;ßen. Die&#x017F;e nu&#x0364;tzlichen An&#x017F;talten<lb/>
&#x017F;ind &#x017F;ehr wohl ausgedacht, und daher fu&#x0364;r den Rei&#x017F;en-<lb/>
den ein angenehmer Gegen&#x017F;tand.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Steinwie&#x017F;en</hi> i&#x017F;t ein großes Dorf mitten in die-<lb/>
&#x017F;em Thale, welches hier nicht viel anders, als das<lb/>
breite und mei&#x017F;t &#x017F;eichte Bett des Baches i&#x017F;t. Von<lb/>
hier aus zieht es &#x017F;ich immer enger noch eine halbe<lb/>
Stunde weit zwi&#x017F;chen die Berge hinein. Und hier<lb/>
wird der Bach in ver&#x017F;chiedene Cana&#x0364;le mit Schlei&#x017F;&#x017F;en<lb/>
geleitet, an denen viele Schneidemu&#x0364;hlen angelegt &#x017F;ind.<lb/>
Man &#x017F;iehet hier eine er&#x017F;taunliche Menge Holz und<lb/>
Bretter liegen, &#x017F;o daß das ganze Thal damit belegt<lb/>
i&#x017F;t. Alle Einwohner die&#x017F;er Gegend be&#x017F;cha&#x0364;fftigen &#x017F;ich<lb/>
fa&#x017F;t allein mit die&#x017F;em lebhaften Holzgewerbe: einige<lb/>
mit Fa&#x0364;llung und Herbey&#x017F;chaffung in das Thal; andere<lb/>
mit Spalten und Sa&#x0364;gen, und noch andere mit Flo&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ung nach <hi rendition="#fr">Cronach</hi> hin. Die&#x017F;es giebt einem &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;o<lb/>
ein&#x017F;amen und wilden, tief in den Bergen liegenden<lb/>
Thale ein ungemeines Leben. Fu&#x0364;r den Rei&#x017F;enden i&#x017F;t<lb/>
es ho&#x0364;ch&#x017F;t ergo&#x0364;tzend, die&#x017F;e &#x017F;cho&#x0364;ne Probe des men&#x017F;chli-<lb/>
chen Flei&#x017F;&#x017F;es zu &#x017F;ehen, wodurch, vermittel&#x017F;t kluger An-<lb/>
&#x017F;talten das wenige hier durchfließende Wa&#x017F;&#x017F;er weislich<lb/>
zu nutzen, eine &#x017F;on&#x017F;t verla&#x017F;&#x017F;ene, wilde, nichts als<lb/>
holztragende Gegend gleich&#x017F;am zu einem reichen<lb/>
Marktplatze gemacht worden.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Eine</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[412/0432] Tagebuch von der Ruͤckreiſe Aecker; mitten durch aber fließt ein ſeichter Bach. Ueberall findet man durch das ganze Thal hin eine Menge Floßholz. Um dieſes durch einen ſo ſeichten Bach fortzubringen, ſind viele Schleiſſen angelegt, vermittelſt welcher der Bach aufgehalten wird, daß er anſchwellet. So kann man, ſo oft man will, zwi- ſchen zwey Schleiſſen Waſſer genug bekommen, um das Holz weiter zu floͤßen. Dieſe nuͤtzlichen Anſtalten ſind ſehr wohl ausgedacht, und daher fuͤr den Reiſen- den ein angenehmer Gegenſtand. Steinwieſen iſt ein großes Dorf mitten in die- ſem Thale, welches hier nicht viel anders, als das breite und meiſt ſeichte Bett des Baches iſt. Von hier aus zieht es ſich immer enger noch eine halbe Stunde weit zwiſchen die Berge hinein. Und hier wird der Bach in verſchiedene Canaͤle mit Schleiſſen geleitet, an denen viele Schneidemuͤhlen angelegt ſind. Man ſiehet hier eine erſtaunliche Menge Holz und Bretter liegen, ſo daß das ganze Thal damit belegt iſt. Alle Einwohner dieſer Gegend beſchaͤfftigen ſich faſt allein mit dieſem lebhaften Holzgewerbe: einige mit Faͤllung und Herbeyſchaffung in das Thal; andere mit Spalten und Saͤgen, und noch andere mit Floͤſ- ſung nach Cronach hin. Dieſes giebt einem ſonſt ſo einſamen und wilden, tief in den Bergen liegenden Thale ein ungemeines Leben. Fuͤr den Reiſenden iſt es hoͤchſt ergoͤtzend, dieſe ſchoͤne Probe des menſchli- chen Fleiſſes zu ſehen, wodurch, vermittelſt kluger An- ſtalten das wenige hier durchfließende Waſſer weislich zu nutzen, eine ſonſt verlaſſene, wilde, nichts als holztragende Gegend gleichſam zu einem reichen Marktplatze gemacht worden. Eine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/432
Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/432>, abgerufen am 09.11.2024.