sete ich zu Mittag. Der Ort schien mir lebhaft und voll Menschen, aber doch gering und arm.
Den 8 Septemb. Von Kenzing nach Freyburg.
Auf diesem Wege schien mir das Land durchge- hends sehr angenehm, fruchtbar und wohl bevölkert; die Einwohner arbeitsam und verständig. Das Land ist sehr gut angebaut; auch hier und da fand ich es mit Waid besetzt. Besonders aber trifft man auf die-Schöne Wiesen. sem Wege fürtreffliche Wiesen an, mit sehr guten An- stalten zum Wässern. Diese sind, wo ich es nicht anderswo übersehen habe, die ersten guten Wiesen, die ich auf dieser Reise angetroffen habe.
Jch wüßte keinen Grund anzugeben, warum in den nördlichern Theilen von Deutschland die Cultur der Wiesen so sehr vernachläßigt wird. Jch habe doch genug Gegenden dort gesehen, die leicht zum ordent- lichen Wässern eingerichtet werden könnten. Das meiste Heu, welches im Brandenburgischen einge- sammelt wird, selbst das, was man dort für sehr gut hält, würde in Schwaben und in der Schweiz blos zum Unterstreuen gebraucht werden. Ueberhaupt glaube ich beobachtet zu haben, daß das Landvolk ar- beitsamer und verständiger wird, je weiter man ge- gen die südliche Gränze von Deutschland hinkommt. Die meisten Dörfer in Schwaben sind, gegen die sächsischen und brandenburgischen gehalten, Städ- te, und die Bauernhäuser beynahe Paläste, in Ver- gleichung der elenden Hütten in Niederdeutschland. Der Ackerbau wird in Schwaben besser getrieben; das Landvolk scheint hier durchaus verständiger, arbeit-
samer,
gethanen Reiſe.
ſete ich zu Mittag. Der Ort ſchien mir lebhaft und voll Menſchen, aber doch gering und arm.
Den 8 Septemb. Von Kenzing nach Freyburg.
Auf dieſem Wege ſchien mir das Land durchge- hends ſehr angenehm, fruchtbar und wohl bevoͤlkert; die Einwohner arbeitſam und verſtaͤndig. Das Land iſt ſehr gut angebaut; auch hier und da fand ich es mit Waid beſetzt. Beſonders aber trifft man auf die-Schoͤne Wieſen. ſem Wege fuͤrtreffliche Wieſen an, mit ſehr guten An- ſtalten zum Waͤſſern. Dieſe ſind, wo ich es nicht anderswo uͤberſehen habe, die erſten guten Wieſen, die ich auf dieſer Reiſe angetroffen habe.
Jch wuͤßte keinen Grund anzugeben, warum in den noͤrdlichern Theilen von Deutſchland die Cultur der Wieſen ſo ſehr vernachlaͤßigt wird. Jch habe doch genug Gegenden dort geſehen, die leicht zum ordent- lichen Waͤſſern eingerichtet werden koͤnnten. Das meiſte Heu, welches im Brandenburgiſchen einge- ſammelt wird, ſelbſt das, was man dort fuͤr ſehr gut haͤlt, wuͤrde in Schwaben und in der Schweiz blos zum Unterſtreuen gebraucht werden. Ueberhaupt glaube ich beobachtet zu haben, daß das Landvolk ar- beitſamer und verſtaͤndiger wird, je weiter man ge- gen die ſuͤdliche Graͤnze von Deutſchland hinkommt. Die meiſten Doͤrfer in Schwaben ſind, gegen die ſaͤchſiſchen und brandenburgiſchen gehalten, Staͤd- te, und die Bauernhaͤuſer beynahe Palaͤſte, in Ver- gleichung der elenden Huͤtten in Niederdeutſchland. Der Ackerbau wird in Schwaben beſſer getrieben; das Landvolk ſcheint hier durchaus verſtaͤndiger, arbeit-
ſamer,
<TEI><text><body><divn="1"><divtype="diaryEntry"n="2"><p><pbfacs="#f0045"n="27"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">gethanen Reiſe.</hi></fw><lb/>ſete ich zu Mittag. Der Ort ſchien mir lebhaft und<lb/>
voll Menſchen, aber doch gering und arm.</p></div><lb/><divtype="diaryEntry"n="2"><head>Den 8 Septemb. Von <hirendition="#fr">Kenzing</hi> nach <hirendition="#fr">Freyburg.</hi></head><lb/><p>Auf dieſem Wege ſchien mir das Land durchge-<lb/>
hends ſehr angenehm, fruchtbar und wohl bevoͤlkert;<lb/>
die Einwohner arbeitſam und verſtaͤndig. Das Land<lb/>
iſt ſehr gut angebaut; auch hier und da fand ich es<lb/>
mit Waid beſetzt. Beſonders aber trifft man auf die-<noteplace="right">Schoͤne<lb/>
Wieſen.</note><lb/>ſem Wege fuͤrtreffliche Wieſen an, mit ſehr guten An-<lb/>ſtalten zum Waͤſſern. Dieſe ſind, wo ich es nicht<lb/>
anderswo uͤberſehen habe, die erſten guten Wieſen, die<lb/>
ich auf dieſer Reiſe angetroffen habe.</p><lb/><p>Jch wuͤßte keinen Grund anzugeben, warum in<lb/>
den noͤrdlichern Theilen von Deutſchland die Cultur der<lb/>
Wieſen ſo ſehr vernachlaͤßigt wird. Jch habe doch<lb/>
genug Gegenden dort geſehen, die leicht zum ordent-<lb/>
lichen Waͤſſern eingerichtet werden koͤnnten. Das<lb/>
meiſte Heu, welches im <hirendition="#fr">Brandenburgiſchen</hi> einge-<lb/>ſammelt wird, ſelbſt das, was man dort fuͤr ſehr gut<lb/>
haͤlt, wuͤrde in <hirendition="#fr">Schwaben</hi> und in der <hirendition="#fr">Schweiz</hi><lb/>
blos zum Unterſtreuen gebraucht werden. Ueberhaupt<lb/>
glaube ich beobachtet zu haben, daß das Landvolk ar-<lb/>
beitſamer und verſtaͤndiger wird, je weiter man ge-<lb/>
gen die ſuͤdliche Graͤnze von Deutſchland hinkommt.<lb/>
Die meiſten Doͤrfer in <hirendition="#fr">Schwaben</hi>ſind, gegen die<lb/><hirendition="#fr">ſaͤchſiſchen</hi> und <hirendition="#fr">brandenburgiſchen</hi> gehalten, Staͤd-<lb/>
te, und die Bauernhaͤuſer beynahe Palaͤſte, in Ver-<lb/>
gleichung der elenden Huͤtten in Niederdeutſchland.<lb/>
Der Ackerbau wird in <hirendition="#fr">Schwaben</hi> beſſer getrieben;<lb/>
das Landvolk ſcheint hier durchaus verſtaͤndiger, arbeit-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſamer,</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[27/0045]
gethanen Reiſe.
ſete ich zu Mittag. Der Ort ſchien mir lebhaft und
voll Menſchen, aber doch gering und arm.
Den 8 Septemb. Von Kenzing nach Freyburg.
Auf dieſem Wege ſchien mir das Land durchge-
hends ſehr angenehm, fruchtbar und wohl bevoͤlkert;
die Einwohner arbeitſam und verſtaͤndig. Das Land
iſt ſehr gut angebaut; auch hier und da fand ich es
mit Waid beſetzt. Beſonders aber trifft man auf die-
ſem Wege fuͤrtreffliche Wieſen an, mit ſehr guten An-
ſtalten zum Waͤſſern. Dieſe ſind, wo ich es nicht
anderswo uͤberſehen habe, die erſten guten Wieſen, die
ich auf dieſer Reiſe angetroffen habe.
Schoͤne
Wieſen.
Jch wuͤßte keinen Grund anzugeben, warum in
den noͤrdlichern Theilen von Deutſchland die Cultur der
Wieſen ſo ſehr vernachlaͤßigt wird. Jch habe doch
genug Gegenden dort geſehen, die leicht zum ordent-
lichen Waͤſſern eingerichtet werden koͤnnten. Das
meiſte Heu, welches im Brandenburgiſchen einge-
ſammelt wird, ſelbſt das, was man dort fuͤr ſehr gut
haͤlt, wuͤrde in Schwaben und in der Schweiz
blos zum Unterſtreuen gebraucht werden. Ueberhaupt
glaube ich beobachtet zu haben, daß das Landvolk ar-
beitſamer und verſtaͤndiger wird, je weiter man ge-
gen die ſuͤdliche Graͤnze von Deutſchland hinkommt.
Die meiſten Doͤrfer in Schwaben ſind, gegen die
ſaͤchſiſchen und brandenburgiſchen gehalten, Staͤd-
te, und die Bauernhaͤuſer beynahe Palaͤſte, in Ver-
gleichung der elenden Huͤtten in Niederdeutſchland.
Der Ackerbau wird in Schwaben beſſer getrieben;
das Landvolk ſcheint hier durchaus verſtaͤndiger, arbeit-
ſamer,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/45>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.