Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.[Spaltenumbruch] Bau gleicht, und keine männliche, die nicht alle Verhält-nisse des Apollo in Belvedere hat. Wir rathen demnach denen, welche über die Jn allen Artikeln, wo wir von zufälligen Regeln Baumeister. Wer den Namen eines guten Baumeisters in Bau auch aus den meisten Künsten und Wissenschaftenviel gelernt haben. Es kann von gutem Nutzen seyn, wenn wir die Eigenschaften des Baumeisters, die wir in diesen wenigen Worten anzeigen, etwas umständlicher beschreiben. Wir fodern zuerst von dem Baumeister eine Hiernächst kann er durch diese Kenntnis ofte Diese Kenntnis kann der Baumeister aber nicht oder R 3
[Spaltenumbruch] Bau gleicht, und keine maͤnnliche, die nicht alle Verhaͤlt-niſſe des Apollo in Belvedere hat. Wir rathen demnach denen, welche uͤber die Jn allen Artikeln, wo wir von zufaͤlligen Regeln Baumeiſter. Wer den Namen eines guten Baumeiſters in Bau auch aus den meiſten Kuͤnſten und Wiſſenſchaftenviel gelernt haben. Es kann von gutem Nutzen ſeyn, wenn wir die Eigenſchaften des Baumeiſters, die wir in dieſen wenigen Worten anzeigen, etwas umſtaͤndlicher beſchreiben. Wir fodern zuerſt von dem Baumeiſter eine Hiernaͤchſt kann er durch dieſe Kenntnis ofte Dieſe Kenntnis kann der Baumeiſter aber nicht oder R 3
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Fuͤr ſchlechte Baumeiſter,<lb/> die ſelbſt kein Augenmaaß und wenig Geſchmak ha-<lb/> ben, iſt es ſehr gut, wenn ſie ſich genau an dieſe<lb/> Regeln binden. Die aber ein feines Aug und<lb/> einen ſichern Geſchmak haben, koͤnnen ſie ſehr oft<lb/> ohne Gefahr verlaſſen.</p><lb/> <p>Jn allen Artikeln, wo wir von zufaͤlligen Regeln<lb/> zu ſprechen haben, werden wir uns hauptſaͤchlich<lb/> an die halten, welche <hi rendition="#fr">Goldmann</hi> angegeben hat.<lb/> Man wird ſchweerlich einen Baumeiſter finden, der<lb/> ſeine Kunſt mit einem ſo ſcharfen Nachdenken bear-<lb/> beitet hat, als dieſer. Die allgemeinen, ſo wol<lb/> nothwendigen, als zufaͤlligen Regeln muͤſſen auf fol-<lb/> gende Hauptſtuͤke beſonders angewendet werden.<lb/> 1) Auf die <hi rendition="#fr">Anordnung</hi> oder Figur und Form<lb/> der Gebaͤude uͤberhaupt. 2) Auf die innere <hi rendition="#fr">Ein-<lb/> theilung.</hi> 3) Auf die <hi rendition="#fr">Verzierung</hi> beſondrer Theile.<lb/> Wenn alſo die Theorie in ihrem ganzen Umfange<lb/> vorgetragen wird, ſo enthaͤlt ſie folgende Hauptſtuͤke.<lb/> 1) Allgemeine Unterſuchungen uͤber die Vollkom-<lb/> menheit und Schoͤnheit eines Gebaͤudes. 2) Regeln<lb/> uͤber die Anordnung. 3) Regeln uͤber die Einthei-<lb/> lung. 4) Betrachtungen und Regeln uͤber die<lb/> Schoͤnheit der Außenſeiten (<hi rendition="#aq">Façades.</hi>) 5) Betrach-<lb/> tungen und Beſchreibungen der verſchiedenen Saͤu-<lb/> lenordnungen. 6) Von den kleinen Verzierungen<lb/> der Glieder. 7) Von den inwendigen Verzierun-<lb/> gen. 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Dieſe<lb/> hilft ihm zuvoderſt, jedes Gebaͤude nach dem Stand<lb/> und der Lebensart des Eigenthuͤmers einzurichten.<lb/> Jede Claſſe der Menſchen hat ihre eigene Verrich-<lb/> tungen, Bequemlichkeiten und aͤußerliche Beduͤrf-<lb/> niſſe, die der Baumeiſter genau kennen und in<lb/> Ueberlegung ziehen muß, wenn er in der Einrich-<lb/> tung der Gebaͤude nicht große Fehler begehen will.<lb/> Die großen muͤſſen nicht nur mehr Plaz zum<lb/> wohnen haben, als der gemeine Buͤrger; dieſer groͤſ-<lb/> ſere Plaz muß anders eingetheilt ſeyn, als der<lb/> kleinere des andern. Jn einem Haus, worin viele<lb/> Bediente ſind, kann und muß vieles anders ge-<lb/> macht werden, als in dem, wo nur einer oder zwey<lb/> ſind. Dergleichen Umſtaͤnde, wodurch die Gebaͤude<lb/> verſchiedener Eigenthuͤmer ſich von einander unter-<lb/> ſcheiden muͤſſen, ſind vielerley. Der Baumeiſter<lb/> muß ſie alle in Erwaͤgung ziehen, wenn er nicht<lb/> ungereimte Fehler begehen will.</p><lb/> <p>Hiernaͤchſt kann er durch dieſe Kenntnis ofte<lb/> ſolche Einrichtungen machen, die wuͤrklich auf den<lb/> guten Geſchmak und das Gruͤndliche in der Lebens-<lb/> art verſchiedener Staͤnde ihren Einfluß haben. Es<lb/> iſt gewiß, daß die Menſchen ſehr oft an gewiſſe<lb/> Vortheile und gute Veranſtaltungen in ihrer<lb/> Lebensart niemals denken wuͤrden, wenn nicht<lb/> zufaͤllige Gelegenheiten ſie dahin leiteten. Der<lb/> Baumeiſter, der alles gruͤndliche und vernuͤnftige<lb/> in der Lebensart verſchiedener Voͤlker bemerkt hat,<lb/> wird in der Angabe ſeiner Gebaͤude Sachen an-<lb/> bringen, wodurch der Bewohner verleitet wird,<lb/> gute, von ihm vorher verſaͤumte, Gewohnheiten nach<lb/> zu machen.</p><lb/> <p>Dieſe Kenntnis kann der Baumeiſter aber nicht<lb/> anwenden, wenn es ihm an gruͤndlicher Beurthei-<lb/> lung des nuͤtzlichen, des anſtaͤndigen und des gezie-<lb/> menden fehlt. Ohne dieſes wird er, wie ſchon<lb/> mehrmals geſchehen, den gemeinen Buͤrger, der<lb/> reich iſt, verleiten, vieles, das nur den Großen zu-<lb/> kommt, auf eine laͤcherliche Weiſe nach zumachen;<lb/> <fw place="bottom" type="sig">R 3</fw><fw place="bottom" type="catch">oder</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [133/0145]
Bau
Bau
gleicht, und keine maͤnnliche, die nicht alle Verhaͤlt-
niſſe des Apollo in Belvedere hat.
Wir rathen demnach denen, welche uͤber die
Theorie der Baukunſt ſchreiben, daß ſie zuvoderſt
die nothwendigen Regeln ausfuͤhrlich und wol aus
einander ſetzen, und deren Beobachtung genau ein-
ſchaͤrfen; weil es niemal erlaubt iſt davon abzu-
gehen. Die zufaͤlligen Regeln koͤnnen ſie aus den
beſten Muſtern des Alterthums, aus dem Vitru-
vius und den beſten neuern Baumeiſtern nehmen,
ohne deren genauſte Beobachtung als ſchlechter-
dings nothwendig anzupreiſen. Man muß ſie nur
als ungefehr richtige Graͤnzen anſehen, welche man
niemal weit uͤberſchreiten kann, ohne in gefaͤhrliche
Abwege zu gerathen. Fuͤr ſchlechte Baumeiſter,
die ſelbſt kein Augenmaaß und wenig Geſchmak ha-
ben, iſt es ſehr gut, wenn ſie ſich genau an dieſe
Regeln binden. Die aber ein feines Aug und
einen ſichern Geſchmak haben, koͤnnen ſie ſehr oft
ohne Gefahr verlaſſen.
Jn allen Artikeln, wo wir von zufaͤlligen Regeln
zu ſprechen haben, werden wir uns hauptſaͤchlich
an die halten, welche Goldmann angegeben hat.
Man wird ſchweerlich einen Baumeiſter finden, der
ſeine Kunſt mit einem ſo ſcharfen Nachdenken bear-
beitet hat, als dieſer. Die allgemeinen, ſo wol
nothwendigen, als zufaͤlligen Regeln muͤſſen auf fol-
gende Hauptſtuͤke beſonders angewendet werden.
1) Auf die Anordnung oder Figur und Form
der Gebaͤude uͤberhaupt. 2) Auf die innere Ein-
theilung. 3) Auf die Verzierung beſondrer Theile.
Wenn alſo die Theorie in ihrem ganzen Umfange
vorgetragen wird, ſo enthaͤlt ſie folgende Hauptſtuͤke.
1) Allgemeine Unterſuchungen uͤber die Vollkom-
menheit und Schoͤnheit eines Gebaͤudes. 2) Regeln
uͤber die Anordnung. 3) Regeln uͤber die Einthei-
lung. 4) Betrachtungen und Regeln uͤber die
Schoͤnheit der Außenſeiten (Façades.) 5) Betrach-
tungen und Beſchreibungen der verſchiedenen Saͤu-
lenordnungen. 6) Von den kleinen Verzierungen
der Glieder. 7) Von den inwendigen Verzierun-
gen. Das mechaniſche der Baukunſt uͤbergehen
wir hier.
Baumeiſter.
Wer den Namen eines guten Baumeiſters in
ſeiner ganzen Bedeutung verdienen will, muß nicht
nur reich an natuͤrlichen Talenten ſeyn, ſondern
auch aus den meiſten Kuͤnſten und Wiſſenſchaften
viel gelernt haben. Es kann von gutem Nutzen
ſeyn, wenn wir die Eigenſchaften des Baumeiſters,
die wir in dieſen wenigen Worten anzeigen, etwas
umſtaͤndlicher beſchreiben.
Wir fodern zuerſt von dem Baumeiſter eine
gruͤndliche und weitlaͤuftige Kenntnis der Sitten
und Lebensart der vornehmſten Voͤlker, und desjeni-
gen insbeſondre, unter welchem er lebt. Dieſe
hilft ihm zuvoderſt, jedes Gebaͤude nach dem Stand
und der Lebensart des Eigenthuͤmers einzurichten.
Jede Claſſe der Menſchen hat ihre eigene Verrich-
tungen, Bequemlichkeiten und aͤußerliche Beduͤrf-
niſſe, die der Baumeiſter genau kennen und in
Ueberlegung ziehen muß, wenn er in der Einrich-
tung der Gebaͤude nicht große Fehler begehen will.
Die großen muͤſſen nicht nur mehr Plaz zum
wohnen haben, als der gemeine Buͤrger; dieſer groͤſ-
ſere Plaz muß anders eingetheilt ſeyn, als der
kleinere des andern. Jn einem Haus, worin viele
Bediente ſind, kann und muß vieles anders ge-
macht werden, als in dem, wo nur einer oder zwey
ſind. Dergleichen Umſtaͤnde, wodurch die Gebaͤude
verſchiedener Eigenthuͤmer ſich von einander unter-
ſcheiden muͤſſen, ſind vielerley. Der Baumeiſter
muß ſie alle in Erwaͤgung ziehen, wenn er nicht
ungereimte Fehler begehen will.
Hiernaͤchſt kann er durch dieſe Kenntnis ofte
ſolche Einrichtungen machen, die wuͤrklich auf den
guten Geſchmak und das Gruͤndliche in der Lebens-
art verſchiedener Staͤnde ihren Einfluß haben. Es
iſt gewiß, daß die Menſchen ſehr oft an gewiſſe
Vortheile und gute Veranſtaltungen in ihrer
Lebensart niemals denken wuͤrden, wenn nicht
zufaͤllige Gelegenheiten ſie dahin leiteten. Der
Baumeiſter, der alles gruͤndliche und vernuͤnftige
in der Lebensart verſchiedener Voͤlker bemerkt hat,
wird in der Angabe ſeiner Gebaͤude Sachen an-
bringen, wodurch der Bewohner verleitet wird,
gute, von ihm vorher verſaͤumte, Gewohnheiten nach
zu machen.
Dieſe Kenntnis kann der Baumeiſter aber nicht
anwenden, wenn es ihm an gruͤndlicher Beurthei-
lung des nuͤtzlichen, des anſtaͤndigen und des gezie-
menden fehlt. Ohne dieſes wird er, wie ſchon
mehrmals geſchehen, den gemeinen Buͤrger, der
reich iſt, verleiten, vieles, das nur den Großen zu-
kommt, auf eine laͤcherliche Weiſe nach zumachen;
oder
R 3
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