Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.[Spaltenumbruch] Bel Ber leuchtung ausgesetzt werden könnten. Die Lichtermüßten bald in der Höhe, bald in der Tiefe, bald gerade von vornen, bald von den Seiten stehn. Der hintere Grund könnte durch Vorhänge von verschiedener Helligkeit und verschiedenen Farben ge- macht werden. Zum wenigsten ist jedem Mahler zu rathen, daß Ohne dergleichen Veranstaltungen wird der Beredsamkeit. Nach dem allgemeinen Begriffe von den schönen Wie der ein Mahler ist, der jeden sichtbaren Ge- Ber und empfindet, durch die gemeine Rede so auszu-drüken weiß, daß dadurch auch in andern dieselben Vorstellungen und Empfindungen erwekt werden. Dieses kann nicht geschehen, wenn er nicht selbst mit großer Klarheit und Lebhaftigkeit denkt und empfindet: demnach besitzt der Redner die Fähigkeit, seine eigenen Vorstellungen |zu einem vorzüglichen Grad der Klarheit und Lebhaftigkeit zu erheben; und denn noch diese, dieselben durch die Rede aus- zudrüken, und darin besteht die wahre Anlage zur Beredsamkeit. Man fodert aber von dem Mahler nicht nur die Mithin ist die vollkommene Beredsamkeit die ben
[Spaltenumbruch] Bel Ber leuchtung ausgeſetzt werden koͤnnten. Die Lichtermuͤßten bald in der Hoͤhe, bald in der Tiefe, bald gerade von vornen, bald von den Seiten ſtehn. Der hintere Grund koͤnnte durch Vorhaͤnge von verſchiedener Helligkeit und verſchiedenen Farben ge- macht werden. Zum wenigſten iſt jedem Mahler zu rathen, daß Ohne dergleichen Veranſtaltungen wird der Beredſamkeit. Nach dem allgemeinen Begriffe von den ſchoͤnen Wie der ein Mahler iſt, der jeden ſichtbaren Ge- Ber und empfindet, durch die gemeine Rede ſo auszu-druͤken weiß, daß dadurch auch in andern dieſelben Vorſtellungen und Empfindungen erwekt werden. Dieſes kann nicht geſchehen, wenn er nicht ſelbſt mit großer Klarheit und Lebhaftigkeit denkt und empfindet: demnach beſitzt der Redner die Faͤhigkeit, ſeine eigenen Vorſtellungen |zu einem vorzuͤglichen Grad der Klarheit und Lebhaftigkeit zu erheben; und denn noch dieſe, dieſelben durch die Rede aus- zudruͤken, und darin beſteht die wahre Anlage zur Beredſamkeit. Man fodert aber von dem Mahler nicht nur die Mithin iſt die vollkommene Beredſamkeit die ben
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Auf dieſe<lb/> Weiſe wuͤrde jede Art der Beleuchtung auf das<lb/> genaueſte erkennt werden.</p><lb/> <p>Ohne dergleichen Veranſtaltungen wird der<lb/> Mahler ſchweerlich zu der Einſicht uͤber die Be-<lb/> leuchtung kommen, die zur Erreichung der voll-<lb/> kommenen natuͤrlichen Darſtellung der Sache er-<lb/> fodert wird.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#g">Beredſamkeit.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#in">N</hi>ach dem allgemeinen Begriffe von den ſchoͤnen<lb/> Kuͤnſten, der in dieſem ganzen Werk uͤberall zum<lb/> Grunde gelegt worden iſt, ſollen ſie durch ihre Wer-<lb/> ke auf die Gemuͤther der Menſchen daurende und<lb/> zur Erhoͤhung der Seelenkraͤfte abzielende Eindruͤke<lb/><note place="left">(*) S.<lb/> Kuͤnſte.</note>machen. (*) Dieſe Beſtimmung ſcheinet die Be-<lb/> redſamkeit in dem weiteſten Umfang erfuͤllen zu<lb/> koͤnnen. 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Bel Ber
Ber
leuchtung ausgeſetzt werden koͤnnten. Die Lichter
muͤßten bald in der Hoͤhe, bald in der Tiefe, bald
gerade von vornen, bald von den Seiten ſtehn.
Der hintere Grund koͤnnte durch Vorhaͤnge von
verſchiedener Helligkeit und verſchiedenen Farben ge-
macht werden.
Zum wenigſten iſt jedem Mahler zu rathen, daß
er dergleichen Veranſtaltungen in ſeinem Arbeits-
zimmer mache. Dieſes muͤßte ſo liegen, daß er
die Sonne und das Tageslicht von allen moͤglichen
Seiten und aus jeder Hoͤhe bekommen koͤnnte. Je-
des Fenſter aber muͤßte nach Gefallen eroͤffnet und
verſchloſſen werden koͤnnen. Die Wand, vor wel-
cher die Gegenſtaͤnde liegen, muͤßte man mit ver-
ſchiedenen Tuͤchern behaͤngen koͤnnen. Auf dieſe
Weiſe wuͤrde jede Art der Beleuchtung auf das
genaueſte erkennt werden.
Ohne dergleichen Veranſtaltungen wird der
Mahler ſchweerlich zu der Einſicht uͤber die Be-
leuchtung kommen, die zur Erreichung der voll-
kommenen natuͤrlichen Darſtellung der Sache er-
fodert wird.
Beredſamkeit.
Nach dem allgemeinen Begriffe von den ſchoͤnen
Kuͤnſten, der in dieſem ganzen Werk uͤberall zum
Grunde gelegt worden iſt, ſollen ſie durch ihre Wer-
ke auf die Gemuͤther der Menſchen daurende und
zur Erhoͤhung der Seelenkraͤfte abzielende Eindruͤke
machen. (*) Dieſe Beſtimmung ſcheinet die Be-
redſamkeit in dem weiteſten Umfang erfuͤllen zu
koͤnnen. Sie macht vielleicht nicht ſo tief in die
Seele dringende, noch ſo lebhafte Eindruͤke, wie
die Kuͤnſte, die eigentlich die Reizung der aͤußern
Sinnen zum unmittelbaren Zwek haben; dafuͤr
aber kann ſie alle nur moͤgliche Arten klarer Vor-
ſtellungen erweken, die ganz außer dem Gebiethe
jener reizendern Kuͤnſte ſind. Alſo verdient dieſe
Kunſt auch vorzuͤglich, in ihrer wahren Natur, in
ihren Urſachen und Wuͤrkungen, in ihrer mannig-
faltigen Anwendung und in den verſchiedenen aͤuſ-
ſerlichen Veraͤnderungen, die ſie erlitten hat, mit
Aufmerkſamkeit betrachtet zu werden.
(*) S.
Kuͤnſte.
Wie der ein Mahler iſt, der jeden ſichtbaren Ge-
genſtand durch Zeichnung und Farben ſo nachzu-
ahmen weiß, daß das Bild eben die Vorſtellung
erwekt, die er ſelbſt von dem Urbilde hat; ſo ſchreibt
man dem Beredſamkeit zu, der das, was er denkt
und empfindet, durch die gemeine Rede ſo auszu-
druͤken weiß, daß dadurch auch in andern dieſelben
Vorſtellungen und Empfindungen erwekt werden.
Dieſes kann nicht geſchehen, wenn er nicht ſelbſt
mit großer Klarheit und Lebhaftigkeit denkt und
empfindet: demnach beſitzt der Redner die Faͤhigkeit,
ſeine eigenen Vorſtellungen |zu einem vorzuͤglichen
Grad der Klarheit und Lebhaftigkeit zu erheben;
und denn noch dieſe, dieſelben durch die Rede aus-
zudruͤken, und darin beſteht die wahre Anlage zur
Beredſamkeit.
Man fodert aber von dem Mahler nicht nur die
Geſchiklichkeit, jeden Gegenſtand, ſo wie er ihn
ſieht, auszudruͤken; er muß ihn ſo nachahmen koͤn-
nen, daß er nach ſeiner Art am vortheilhafteſten in
die Augen faͤllt, und den lebhafteſten Eindruk macht.
Eben ſo fodert man auch von dem Redner, daß er
ſeinen Gegenſtand in dem vortheilhafteſten Licht
und ſo zeige, wie er in ſeiner Art die ſtaͤrkſte Wuͤr-
kung zum Unterricht, oder zur Ueberzeugung, oder
zur Ruͤhrung, thun wird.
Mithin iſt die vollkommene Beredſamkeit die
Fertigkeit, jeden Gegenſtand, der unter den Aus-
druk der Rede faͤllt, ſich ſo vorzuſtellen, daß er den
ſtaͤrkſten Eindruk mache, und denſelben dieſer Vor-
ſtellung gemaͤß durch die gemeine Rede auszudruͤ-
ken. Von ihrer Schweſter, der Dichtkunſt, un-
terſcheidet ſie ſich darin, daß ſie ſo wol in ihren
Vorſtellungen ſelbſt, als in dem Ausdruk derſelben,
weniger ſinnlich iſt, als jene, und weniger aͤußerli-
chen Schmuk ſucht. Von der ihr verwandten Phi-
loſophie aber geht ſie darin ab, daß ſie bey klaren
Vorſtellungen ſtehen bleibt, da jene die hoͤchſte
Deutlichkeit ſucht; daß ſie ſo gar das, was die Phi-
loſophie deutlich entwikelt hat, wieder ſinnlich macht,
damit es fuͤh#bar und wuͤrkſam werde. Von der
bloßen Wolredenheit geht die Beredſamkeit in ih-
ren Abſichten ab. Jene ſucht blos zu gefallen oder
zu ergoͤtzen; ſie ſieht ihren Gegenſtand blos von
der angenehmen und beluſtigenden Seite an, miſcht
allerhand fremde Zierrathen zu ihrer beſondern Ab-
ſicht in dieſelbe; da dieſe allemal den beſtimmten
Zwek hat, zu unterrichten, oder zu uͤberzeugen, oder
zu ruͤhren. Die Zierrathen, die ſie braucht, muͤſſen
blos zu Erreichung dieſer Abſichten dienen. Sie
geht tief in die Betrachtung der Dinge hinein, ſo
weit die innern Sinnen einzudringen vermoͤgend
ſind; da jene ſich mehr an dem aͤußerlichen derſel-
ben
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