Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.[Spaltenumbruch] Bil schieht, mit Bildern der Heiligen verziert hat.Sie schiken sich auch nur da, wo das maßive einer Mauer durch etwas Mannigfaltigkeit zu unter- brechen ist, und besonders zwischen Wandpfeiler, wie an den vier Eingängen des Berlinischen Opern- hauses. Bilderstuhl. (Baukunst.) Vierekigte Steine an den drey Spitzen eines Gie- Was hier gesagt worden, geht blos auf die Bil- Bildhauerkunst. Wiewol der Name dieser Kunst anzuzeigen schei- Wenn diese Kunst würdig seyn soll, eine Ge- Bil so muß sie nicht blos bey der Belustigung des Au-ges stehen bleiben, und ihre Werke müssen nicht blos zur Pracht, oder zur Verzierung der Ge- bäude und der Gärten dienen, sondern starke, daurende und vortheilhafte Eindrüke auf die Ge- müther der Menschen machen. Dieses kann sie auch so gut, als irgend eine der andern schönen Künste thun, ob sie gleich in den Mitteln weit ein- geschränkter ist, als die meisten andern. Der wichtigste aller sichtbaren Gegenstände ist Daß die Bildhauerkunst nicht zu dieser Absicht Werke
[Spaltenumbruch] Bil ſchieht, mit Bildern der Heiligen verziert hat.Sie ſchiken ſich auch nur da, wo das maßive einer Mauer durch etwas Mannigfaltigkeit zu unter- brechen iſt, und beſonders zwiſchen Wandpfeiler, wie an den vier Eingaͤngen des Berliniſchen Opern- hauſes. Bilderſtuhl. (Baukunſt.) Vierekigte Steine an den drey Spitzen eines Gie- Was hier geſagt worden, geht blos auf die Bil- Bildhauerkunſt. Wiewol der Name dieſer Kunſt anzuzeigen ſchei- Wenn dieſe Kunſt wuͤrdig ſeyn ſoll, eine Ge- Bil ſo muß ſie nicht blos bey der Beluſtigung des Au-ges ſtehen bleiben, und ihre Werke muͤſſen nicht blos zur Pracht, oder zur Verzierung der Ge- baͤude und der Gaͤrten dienen, ſondern ſtarke, daurende und vortheilhafte Eindruͤke auf die Ge- muͤther der Menſchen machen. Dieſes kann ſie auch ſo gut, als irgend eine der andern ſchoͤnen Kuͤnſte thun, ob ſie gleich in den Mitteln weit ein- geſchraͤnkter iſt, als die meiſten andern. Der wichtigſte aller ſichtbaren Gegenſtaͤnde iſt Daß die Bildhauerkunſt nicht zu dieſer Abſicht Werke
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Sie werden<lb/> insgemein ganz glatt, ohne Fußgeſims und Dekel,<lb/> in der Dike der Saͤulen oder Pilaſter, uͤber welchen<lb/> ſie ſtehen, gemacht; die Hoͤhe aber muß nach dem<lb/> Giebel abgemeſſen werden. <hi rendition="#fr">Vitruvius</hi> giebt ihnen<lb/> die ganze Hoͤhe des Giebelfeldes; <hi rendition="#fr">Scamozzi</hi> macht<lb/> ſie der ganzen Ausladung des Hauptgeſimſes gleich.<lb/> Jn dieſem Fall wuͤrde man in einer Weite von dem<lb/> Gebaͤude, die ſeiner ganzen Hoͤhe gleich iſt, das<lb/> ganze Bild ſehen koͤnnen.</p><lb/> <p>Was hier geſagt worden, geht blos auf die Bil-<lb/> derſtuͤhle auf den Giebeln der Gebaͤude, die Vitru-<lb/> vius <hi rendition="#aq">Acroteria</hi> nennt. Man macht aber auch ſolche<lb/> Bilderſtuͤhle fuͤr Statuen, die auf freyem Boden,<lb/> oder in Bilderblinden ſtehen, denen man auch die<lb/> Namen <hi rendition="#fr">Baſamente, Poſtamente,</hi> giebt. 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Bil
Bil
ſchieht, mit Bildern der Heiligen verziert hat.
Sie ſchiken ſich auch nur da, wo das maßive einer
Mauer durch etwas Mannigfaltigkeit zu unter-
brechen iſt, und beſonders zwiſchen Wandpfeiler,
wie an den vier Eingaͤngen des Berliniſchen Opern-
hauſes.
Bilderſtuhl.
(Baukunſt.)
Vierekigte Steine an den drey Spitzen eines Gie-
bels, auf welche Statuen geſetzt werden. Es war
nach der Bauart der Alten gewoͤhnlich, auf die drey
Eken der Giebel Statuen zu|ſetzen, und dieſe muͤßten
nothwendig, um ganz geſehen zu werden, nicht un-
mittelbar auf das Hauptgeſims, ſondern auf einen
erhoͤhten Grundſtein geſetzt werden. Sie werden
insgemein ganz glatt, ohne Fußgeſims und Dekel,
in der Dike der Saͤulen oder Pilaſter, uͤber welchen
ſie ſtehen, gemacht; die Hoͤhe aber muß nach dem
Giebel abgemeſſen werden. Vitruvius giebt ihnen
die ganze Hoͤhe des Giebelfeldes; Scamozzi macht
ſie der ganzen Ausladung des Hauptgeſimſes gleich.
Jn dieſem Fall wuͤrde man in einer Weite von dem
Gebaͤude, die ſeiner ganzen Hoͤhe gleich iſt, das
ganze Bild ſehen koͤnnen.
Was hier geſagt worden, geht blos auf die Bil-
derſtuͤhle auf den Giebeln der Gebaͤude, die Vitru-
vius Acroteria nennt. Man macht aber auch ſolche
Bilderſtuͤhle fuͤr Statuen, die auf freyem Boden,
oder in Bilderblinden ſtehen, denen man auch die
Namen Baſamente, Poſtamente, giebt. Man
macht ſie wuͤrflicht oder cylindriſch, blos glatt oder
mit Fußgeſimſen und Dekeln, und hat ſie alſo kei-
ner Regel unterworfen.
Bildhauerkunſt.
Wiewol der Name dieſer Kunſt anzuzeigen ſchei-
net, daß ſie nur Bilder aus harten Materien aus-
hauet, ſo gehoͤrt auch das Formen der Bilder in
weiche Materien, und das Gieſſen derſelben in Me-
talle, dazu. Nicht nur ſteinerne und hoͤlzerne Bil-
der, ſondern auch aus Ton, Gyps und Metall ge-
formte, oder gegoſſene, ſind Werke dieſer Kunſt.
Sie beſchaͤftiget ſich zwar mit Verfertigung aller-
ley Arten von Bildern, hauptſaͤchlich aber mit ſol-
chen, die Menſchen oder Thiere in ihrer ganzen
koͤrperlichen Geſtalt vorſtellen.
Wenn dieſe Kunſt wuͤrdig ſeyn ſoll, eine Ge-
ſpielin der Beredſamkeit und der Dichtkunſt zu ſeyn,
ſo muß ſie nicht blos bey der Beluſtigung des Au-
ges ſtehen bleiben, und ihre Werke muͤſſen nicht
blos zur Pracht, oder zur Verzierung der Ge-
baͤude und der Gaͤrten dienen, ſondern ſtarke,
daurende und vortheilhafte Eindruͤke auf die Ge-
muͤther der Menſchen machen. Dieſes kann ſie
auch ſo gut, als irgend eine der andern ſchoͤnen
Kuͤnſte thun, ob ſie gleich in den Mitteln weit ein-
geſchraͤnkter iſt, als die meiſten andern.
Der wichtigſte aller ſichtbaren Gegenſtaͤnde iſt
der Menſch. Nicht wegen der Zierlichkeit ſeiner
Form, wenn dieſe gleich das ſchoͤnſte aller ſichtbaren
Dinge waͤre; ſondern deswegen, weil dieſe Form
ein Bild der Seele iſt; weil ſie Gedanken und Em-
pfindungen, Charakter und Neigungen in koͤrper-
licher Geſtalt darſtellt. Der Leib des Menſchen
iſt nichts anders, als ſeine ſichtbar gemachte Seele.
Alſo bildet dieſe Kunſt Seelen, mit allem, was ſie
intereſſantes haben, in Marmor und Erzt. Die
Seele ſelbſt aber ſcheint ein Bild des hoͤchſten We-
ſens, des erhabenſten, vollkommenſten und beſten
Gegenſtandes zu ſeyn. Dieſe Kunſt kann demnach
das hoͤchſte, was der Menſch zu denken und zu
empfinden im Stand iſt, dem Geſichte darſtellen.
Man ſagt von dem Jupiter des Phidias, es habe
ihn niemand anſehen koͤnnen, ohne von der Ma-
jeſtaͤt des goͤttlichen Weſens geruͤhrt zu werden.
Wer alſo die Kunſt beſitzt, wie Phidias ſie beſeſ-
ſen hat, der kann alles, was groß und edel iſt,
abbilden, und dadurch in jedem fuͤhlbaren Herzen
Nuͤhrungen von der hoͤchſten Wichtigkeit erweken.
Daß die Bildhauerkunſt nicht zu dieſer Abſicht
iſt erfunden worden, daß ſie ſelten zu einem hoͤhe-
ren Zwek, als zur Ergetzung des Auges, oder zur
Pracht angewendet wird, kann ihre hoͤhere Beſtim-
mung nicht aufheben, noch vereitlen. Da uͤber-
haupt die Abſicht dieſes Werks nicht iſt, die ſchoͤ-
nen Kuͤnſte in der Geſtalt zu zeigen, die ſie wuͤrk-
lich haben, ſondern diejenige merkbar zu machen,
die ſie haben koͤnnen, ſo ſehen wir hier mehr auf
das Moͤgliche, als auf das Wuͤrkliche. Warum
ſollten wir anſtehen, einer Sache dasjenige zuzu-
eignen, was wuͤrklich in ihrer Natur liegt? War-
um ſollten wir bey einem geringen Gebrauch ſtehen
bleiben, ſo lange ein wichtigerer moͤglich iſt? Die-
ſer hoͤhere Gebrauch iſt hier um ſo viel mehr zu ſu-
chen, da die Bildhauerkunſt groͤſſere Anſtalten und
mehr Aufwand, als andre Kuͤnſte erfodert. Jhre
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