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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.

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Aca

Das nächste, was auf diesen Vorrath von Zeich-
nungen folget, ist ein Vorrath von Abgüssen der
vornehmsten Antiken und auch einiger neuerer Wer-
ke der bildenden Künste, so wol in einzeln Theilen,
als in ganzen Figuren und Grupen, in deren Nach-
zeichnung die Jugend fleißig zu üben ist, weil da-
durch nicht nur das Augenmaaß und der Geschmak
an schönen Formen weiter geübt wird, sondern auch
zugleich die Kunst des Lichts und Schattens, der
mannigfaltigen Wendungen der Körper und der
Verkürzungen kann erlernt werden.

Ferner muß die Academie lebendige Modele
haben; Menschen von schöner Bildung, die von
einem der ersten Lehrer, auf einem etwas erhabenen
Gestelle oder Tisch, in veränderten Stellungen,
aufgestellt werden, damit die Schüler aus verschiede-
nen Plätzen, und also in sehr mancherley Ansichten
dieselben zeichnen können. Dabey können die Leh-
rer fast alles, was die Beobachtung des Lichts und
Schattens in einzeln Figuren betrifft, vollkommen
zeigen. Denn die Einrichtung des Saales, wo
das Model gestellt wird, muß so seyn, daß selbiger
so wol von dem Tageslicht, als durch Lampen auf
das vortheilhafteste kann erleuchtet werden.

Endlich wird auch noch zu einer vollkommenen
Academie ein beträchtlicher Vorrath von wichtigen
Kupferstichen und Gemählden erfodert, an welchen
die Jugend alles, was zur Erfindung, Anordnung,
zum Geschmak, zur Haltung, zur Farbengebung
gehört, gründlich studiren könne. Wo die Gemählde
selbst der Academie mangeln, wär es doch sehr vor-
theilhaft, daß an dem Orte, wo die Academie ist,
eine Bildergallerie wäre, zu welcher die Academie
einen freyen Zutritt hätte.

Man begreift leichte, daß eine solche Veranstal-
tung in ihrer Vollkommenheit so wol zur Anlegung
als zur Unterhaltung, einen Aufwand erfodert,
den nur große und mächtige Fürsten bestreiten kön-
nen. Doch kann auch mit mittelmäßigen Kosten
eine Academie eingerichtet und unterhalten werden,
welcher nichts von den nothwendigsten Stüken der
Einrichtung fehlet.

Jn einigen Academien ist mit der eigentlichen
Schule zugleich eine Künstleracademie verbun-
den. Nämlich eine Gesellschaft vorzüglich geschikter
Männer, die von einem Fürsten so begünstiget
werden, daß es einem Künstler zur Ehre und zum
Vortheil gereicht, ein Mitglied der Gesellschaft
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Aca Acc
zu werden. Diese Künstleracademie hat mit
dem Unterricht der Jugend nichts zu thun; die
Absicht ihrer Stiftung ist, einerseits, durch die
Vorzüge große Künstler zu belohnen, anderseits,
die Gesellschaft zu Untersuchungen über wichtige
Theile der Kunst aufzumuntern. Sie sind für
die Künste das, was die Academien der Wissen-
schaften für die Gelehrsamkeit. Von Zeit zu Zeit
versammlen sich die Mitglieder, um über wich-
tige die Kunst betreffende Materien sich zu unterre-
den, um Untersuchungen, Bemerkungen, Aussich-
ten über die Kunst, vorzutragen. Es ist aber bis
itzt noch keine Künstleracademie vorhanden, die ei-
nen solchen Plan so befolgte, als einige Academien
der Wissenschaften seit mehr als hundert Jahren
zu thun gewohnt sind.

Die älteste Mahleracademie, von der man Nach-
richt hat, wiewol sie diesen Namen nicht geführt
hat, ist die von Florenz, die Gesellschaft des
heil. Lucas
genennt. Sie nahm ihren Anfang
schon im Jahr 1350, und wurd erst von der Re-
gierung unterstützet, hernach von den Herzogen
aus dem Hause Medicis in besondern Schutz
genommen. Die ansehnlichste Academie der
Künste und Künstler aber ist in Frankreich von
Ludewig dem XIV. errichtet worden. Von andern
Academien, die an verschiedenen Orten mehr
oder weniger blühen, kann der Herr von Hagedorn
nachgelesen werden. (*)

(*) Lettre
a un ama-
teur de la
peinture.
p.
323. f. f.
Accent.
(Redende Künste.)

Die Modification der Stimme, wodurch in der
Rede oder in dem Gefang einige Töne sich vor
andern ausnehmen, und wodurch also überhaupt
Abwechslung und Mannigfaltigkeit in die Rede
kommen. Wenn alle Sylben mit gleicher Stärke
und Höhe der Stimme ausgesprochen würden, so
wäre weder Annehmlichkeit noch Deutlichkeit in der-
selben; sogar die Bemerkung des Unterschieds der
Wörter würde wegfallen. Denn daß das Ohr die
Rede in Wörter abtheilet, kommt blos von dem
Accent her.

Die Accente sind aber von verschiedener Gat-
tung, und haben sowol in der künstlichen Rede
oder der Sprache, als in der natürlichen, oder
dem Gesange, statt; wir müssen jede Gattung be-
sonders betrachten.

Jedes
Erster Theil. B
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Aca

Das naͤchſte, was auf dieſen Vorrath von Zeich-
nungen folget, iſt ein Vorrath von Abguͤſſen der
vornehmſten Antiken und auch einiger neuerer Wer-
ke der bildenden Kuͤnſte, ſo wol in einzeln Theilen,
als in ganzen Figuren und Grupen, in deren Nach-
zeichnung die Jugend fleißig zu uͤben iſt, weil da-
durch nicht nur das Augenmaaß und der Geſchmak
an ſchoͤnen Formen weiter geuͤbt wird, ſondern auch
zugleich die Kunſt des Lichts und Schattens, der
mannigfaltigen Wendungen der Koͤrper und der
Verkuͤrzungen kann erlernt werden.

Ferner muß die Academie lebendige Modele
haben; Menſchen von ſchoͤner Bildung, die von
einem der erſten Lehrer, auf einem etwas erhabenen
Geſtelle oder Tiſch, in veraͤnderten Stellungen,
aufgeſtellt werden, damit die Schuͤler aus verſchiede-
nen Plaͤtzen, und alſo in ſehr mancherley Anſichten
dieſelben zeichnen koͤnnen. Dabey koͤnnen die Leh-
rer faſt alles, was die Beobachtung des Lichts und
Schattens in einzeln Figuren betrifft, vollkommen
zeigen. Denn die Einrichtung des Saales, wo
das Model geſtellt wird, muß ſo ſeyn, daß ſelbiger
ſo wol von dem Tageslicht, als durch Lampen auf
das vortheilhafteſte kann erleuchtet werden.

Endlich wird auch noch zu einer vollkommenen
Academie ein betraͤchtlicher Vorrath von wichtigen
Kupferſtichen und Gemaͤhlden erfodert, an welchen
die Jugend alles, was zur Erfindung, Anordnung,
zum Geſchmak, zur Haltung, zur Farbengebung
gehoͤrt, gruͤndlich ſtudiren koͤnne. Wo die Gemaͤhlde
ſelbſt der Academie mangeln, waͤr es doch ſehr vor-
theilhaft, daß an dem Orte, wo die Academie iſt,
eine Bildergallerie waͤre, zu welcher die Academie
einen freyen Zutritt haͤtte.

Man begreift leichte, daß eine ſolche Veranſtal-
tung in ihrer Vollkommenheit ſo wol zur Anlegung
als zur Unterhaltung, einen Aufwand erfodert,
den nur große und maͤchtige Fuͤrſten beſtreiten koͤn-
nen. Doch kann auch mit mittelmaͤßigen Koſten
eine Academie eingerichtet und unterhalten werden,
welcher nichts von den nothwendigſten Stuͤken der
Einrichtung fehlet.

Jn einigen Academien iſt mit der eigentlichen
Schule zugleich eine Kuͤnſtleracademie verbun-
den. Naͤmlich eine Geſellſchaft vorzuͤglich geſchikter
Maͤnner, die von einem Fuͤrſten ſo beguͤnſtiget
werden, daß es einem Kuͤnſtler zur Ehre und zum
Vortheil gereicht, ein Mitglied der Geſellſchaft
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Aca Acc
zu werden. Dieſe Kuͤnſtleracademie hat mit
dem Unterricht der Jugend nichts zu thun; die
Abſicht ihrer Stiftung iſt, einerſeits, durch die
Vorzuͤge große Kuͤnſtler zu belohnen, anderſeits,
die Geſellſchaft zu Unterſuchungen uͤber wichtige
Theile der Kunſt aufzumuntern. Sie ſind fuͤr
die Kuͤnſte das, was die Academien der Wiſſen-
ſchaften fuͤr die Gelehrſamkeit. Von Zeit zu Zeit
verſammlen ſich die Mitglieder, um uͤber wich-
tige die Kunſt betreffende Materien ſich zu unterre-
den, um Unterſuchungen, Bemerkungen, Ausſich-
ten uͤber die Kunſt, vorzutragen. Es iſt aber bis
itzt noch keine Kuͤnſtleracademie vorhanden, die ei-
nen ſolchen Plan ſo befolgte, als einige Academien
der Wiſſenſchaften ſeit mehr als hundert Jahren
zu thun gewohnt ſind.

Die aͤlteſte Mahleracademie, von der man Nach-
richt hat, wiewol ſie dieſen Namen nicht gefuͤhrt
hat, iſt die von Florenz, die Geſellſchaft des
heil. Lucas
genennt. Sie nahm ihren Anfang
ſchon im Jahr 1350, und wurd erſt von der Re-
gierung unterſtuͤtzet, hernach von den Herzogen
aus dem Hauſe Medicis in beſondern Schutz
genommen. Die anſehnlichſte Academie der
Kuͤnſte und Kuͤnſtler aber iſt in Frankreich von
Ludewig dem XIV. errichtet worden. Von andern
Academien, die an verſchiedenen Orten mehr
oder weniger bluͤhen, kann der Herr von Hagedorn
nachgeleſen werden. (*)

(*) Lettre
à un ama-
teur de la
peinture.
p.
323. f. f.
Accent.
(Redende Kuͤnſte.)

Die Modification der Stimme, wodurch in der
Rede oder in dem Gefang einige Toͤne ſich vor
andern ausnehmen, und wodurch alſo uͤberhaupt
Abwechslung und Mannigfaltigkeit in die Rede
kommen. Wenn alle Sylben mit gleicher Staͤrke
und Hoͤhe der Stimme ausgeſprochen wuͤrden, ſo
waͤre weder Annehmlichkeit noch Deutlichkeit in der-
ſelben; ſogar die Bemerkung des Unterſchieds der
Woͤrter wuͤrde wegfallen. Denn daß das Ohr die
Rede in Woͤrter abtheilet, kommt blos von dem
Accent her.

Die Accente ſind aber von verſchiedener Gat-
tung, und haben ſowol in der kuͤnſtlichen Rede
oder der Sprache, als in der natuͤrlichen, oder
dem Geſange, ſtatt; wir muͤſſen jede Gattung be-
ſonders betrachten.

Jedes
Erſter Theil. B
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[9/0021] Aca Aca Acc Das naͤchſte, was auf dieſen Vorrath von Zeich- nungen folget, iſt ein Vorrath von Abguͤſſen der vornehmſten Antiken und auch einiger neuerer Wer- ke der bildenden Kuͤnſte, ſo wol in einzeln Theilen, als in ganzen Figuren und Grupen, in deren Nach- zeichnung die Jugend fleißig zu uͤben iſt, weil da- durch nicht nur das Augenmaaß und der Geſchmak an ſchoͤnen Formen weiter geuͤbt wird, ſondern auch zugleich die Kunſt des Lichts und Schattens, der mannigfaltigen Wendungen der Koͤrper und der Verkuͤrzungen kann erlernt werden. Ferner muß die Academie lebendige Modele haben; Menſchen von ſchoͤner Bildung, die von einem der erſten Lehrer, auf einem etwas erhabenen Geſtelle oder Tiſch, in veraͤnderten Stellungen, aufgeſtellt werden, damit die Schuͤler aus verſchiede- nen Plaͤtzen, und alſo in ſehr mancherley Anſichten dieſelben zeichnen koͤnnen. Dabey koͤnnen die Leh- rer faſt alles, was die Beobachtung des Lichts und Schattens in einzeln Figuren betrifft, vollkommen zeigen. Denn die Einrichtung des Saales, wo das Model geſtellt wird, muß ſo ſeyn, daß ſelbiger ſo wol von dem Tageslicht, als durch Lampen auf das vortheilhafteſte kann erleuchtet werden. Endlich wird auch noch zu einer vollkommenen Academie ein betraͤchtlicher Vorrath von wichtigen Kupferſtichen und Gemaͤhlden erfodert, an welchen die Jugend alles, was zur Erfindung, Anordnung, zum Geſchmak, zur Haltung, zur Farbengebung gehoͤrt, gruͤndlich ſtudiren koͤnne. Wo die Gemaͤhlde ſelbſt der Academie mangeln, waͤr es doch ſehr vor- theilhaft, daß an dem Orte, wo die Academie iſt, eine Bildergallerie waͤre, zu welcher die Academie einen freyen Zutritt haͤtte. Man begreift leichte, daß eine ſolche Veranſtal- tung in ihrer Vollkommenheit ſo wol zur Anlegung als zur Unterhaltung, einen Aufwand erfodert, den nur große und maͤchtige Fuͤrſten beſtreiten koͤn- nen. Doch kann auch mit mittelmaͤßigen Koſten eine Academie eingerichtet und unterhalten werden, welcher nichts von den nothwendigſten Stuͤken der Einrichtung fehlet. Jn einigen Academien iſt mit der eigentlichen Schule zugleich eine Kuͤnſtleracademie verbun- den. Naͤmlich eine Geſellſchaft vorzuͤglich geſchikter Maͤnner, die von einem Fuͤrſten ſo beguͤnſtiget werden, daß es einem Kuͤnſtler zur Ehre und zum Vortheil gereicht, ein Mitglied der Geſellſchaft zu werden. Dieſe Kuͤnſtleracademie hat mit dem Unterricht der Jugend nichts zu thun; die Abſicht ihrer Stiftung iſt, einerſeits, durch die Vorzuͤge große Kuͤnſtler zu belohnen, anderſeits, die Geſellſchaft zu Unterſuchungen uͤber wichtige Theile der Kunſt aufzumuntern. Sie ſind fuͤr die Kuͤnſte das, was die Academien der Wiſſen- ſchaften fuͤr die Gelehrſamkeit. Von Zeit zu Zeit verſammlen ſich die Mitglieder, um uͤber wich- tige die Kunſt betreffende Materien ſich zu unterre- den, um Unterſuchungen, Bemerkungen, Ausſich- ten uͤber die Kunſt, vorzutragen. Es iſt aber bis itzt noch keine Kuͤnſtleracademie vorhanden, die ei- nen ſolchen Plan ſo befolgte, als einige Academien der Wiſſenſchaften ſeit mehr als hundert Jahren zu thun gewohnt ſind. Die aͤlteſte Mahleracademie, von der man Nach- richt hat, wiewol ſie dieſen Namen nicht gefuͤhrt hat, iſt die von Florenz, die Geſellſchaft des heil. Lucas genennt. Sie nahm ihren Anfang ſchon im Jahr 1350, und wurd erſt von der Re- gierung unterſtuͤtzet, hernach von den Herzogen aus dem Hauſe Medicis in beſondern Schutz genommen. Die anſehnlichſte Academie der Kuͤnſte und Kuͤnſtler aber iſt in Frankreich von Ludewig dem XIV. errichtet worden. Von andern Academien, die an verſchiedenen Orten mehr oder weniger bluͤhen, kann der Herr von Hagedorn nachgeleſen werden. (*) Accent. (Redende Kuͤnſte.) Die Modification der Stimme, wodurch in der Rede oder in dem Gefang einige Toͤne ſich vor andern ausnehmen, und wodurch alſo uͤberhaupt Abwechslung und Mannigfaltigkeit in die Rede kommen. Wenn alle Sylben mit gleicher Staͤrke und Hoͤhe der Stimme ausgeſprochen wuͤrden, ſo waͤre weder Annehmlichkeit noch Deutlichkeit in der- ſelben; ſogar die Bemerkung des Unterſchieds der Woͤrter wuͤrde wegfallen. Denn daß das Ohr die Rede in Woͤrter abtheilet, kommt blos von dem Accent her. Die Accente ſind aber von verſchiedener Gat- tung, und haben ſowol in der kuͤnſtlichen Rede oder der Sprache, als in der natuͤrlichen, oder dem Geſange, ſtatt; wir muͤſſen jede Gattung be- ſonders betrachten. Jedes Erſter Theil. B

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/21>, abgerufen am 21.11.2024.