Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.[Spaltenumbruch] Dak Dan t ift man sowol bey den lateinischen als deutschenDichtern an. Jederman kennt den Virgilischen Vers: Aen. VIII. vs. 596. Quadrupedante putrem sonitu quatit ungula campum. (*) Aber ein ganzes Gedicht in dieser Versart würde Bist du die Freude? du bist es! dich meldet ein lächelnder Dante. Ein Florentiner. Er verwaltete in seiner Republik Dec Dek die ich nicht verstanden habe. Eine andre Art derDunkelheit und Härte ist durch die Nachläßigkeit der folgenden Schriftsteller entstanden, welche die Wörter, die in des Dante Tagen angenehm und ge- läufig waren, haben entweichen oder gar unter- gehen lassen. Seine lyrische Gedichte verdienen nicht weniger Decime. (Musik.) Ein Jntervall, dessen Töne zehen diatonische Stu- Deke. (Baukunst.) Die obere von den Flächen, die den Raum eines Die Deken werden entweder blos mit Kalk und sie
[Spaltenumbruch] Dak Dan t ift man ſowol bey den lateiniſchen als deutſchenDichtern an. Jederman kennt den Virgiliſchen Vers: Aen. VIII. vs. 596. Quadrupedante putrem ſonitu quatit ungula campum. (*) Aber ein ganzes Gedicht in dieſer Versart wuͤrde Biſt du die Freude? du biſt es! dich meldet ein laͤchelnder Dante. Ein Florentiner. Er verwaltete in ſeiner Republik Dec Dek die ich nicht verſtanden habe. Eine andre Art derDunkelheit und Haͤrte iſt durch die Nachlaͤßigkeit der folgenden Schriftſteller entſtanden, welche die Woͤrter, die in des Dante Tagen angenehm und ge- laͤufig waren, haben entweichen oder gar unter- gehen laſſen. Seine lyriſche Gedichte verdienen nicht weniger Decime. (Muſik.) Ein Jntervall, deſſen Toͤne zehen diatoniſche Stu- Deke. (Baukunſt.) Die obere von den Flaͤchen, die den Raum eines Die Deken werden entweder blos mit Kalk und ſie
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0248" n="236"/><cb/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Dak Dan</hi></fw><lb/> t ift man ſowol bey den lateiniſchen als deutſchen<lb/> Dichtern an. Jederman kennt den Virgiliſchen<lb/> Vers:</p><lb/> <note place="left">(*)<lb/><hi rendition="#aq">Aen. VIII.<lb/> vs.</hi> 596.</note> <cit> <quote><hi rendition="#aq">Quadrupedante putrem ſonitu quatit ungula campum.</hi> (*)</quote> </cit><lb/> <p>Aber ein ganzes Gedicht in dieſer Versart wuͤrde<lb/> nicht ertraͤglich ſeyn. Zum Affekt einer ſtroͤhmenden<lb/> Freude ſchiket ſie ſich ſehr wol, und kann ſogar,<lb/> wenn man nur mit einem andern Vers abwech-<lb/> ſelt, zur lyriſchen Versart dienen, wie in dieſer<lb/> Strophe:</p><lb/> <cit> <quote>Biſt du die Freude? du biſt es! dich meldet ein laͤchelnder<lb/><hi rendition="#et">Morgen;</hi><lb/> Die Fittige thauen unſterblichen Glanz.<lb/> Stroͤme von Wolluſt ergieſſen ſich nach mir, ſchon ſterben<lb/><hi rendition="#et">die Sorgen.</hi><lb/><note place="left">(*) S.<lb/> Schlegel<lb/> Vermiſchte<lb/> Schriften<lb/> der Verfaſ-<lb/> ſer der neuẽ<lb/> Beytraͤge,<lb/> 1. B. 6. St.<lb/> S. 449.</note>Sie hauchet mich an, ich fuͤhle mich ganz. (*)</quote> </cit> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#g">Dante.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#in">E</hi>in Florentiner. Er verwaltete in ſeiner Republik<lb/> die vornehmſten Aemter, bevor er verwieſen ward.<lb/> Er ſchrieb hernach ſein groſſes dreyfaches Gedicht<lb/><hi rendition="#aq">la divina Comedia,</hi> das zwar unter die dogmatiſchen<lb/> gehoͤrt, dem aber dieſer auſſerordentliche Geiſt eine<lb/> ganz poetiſche Geſtalt gegeben. Die Hoͤlle hat bey<lb/> ihm die unſelige Groͤſſe, noch der Himmel die erha-<lb/> bene Hoheit, welche ſie bey Milton bekommen ha-<lb/> ben, eben ſo wenig, als ſeine Teufel und ſeine ſelige<lb/> Geiſter, die Groͤſſe der Miltoniſchen haben. Sein<lb/> groͤßtes Verdienſt iſt, daß er die Hoͤlle, das Fege-<lb/> feuer, das Paradies fuͤr Scenen gebraucht hat, auf<lb/> welchen er die verſchiedenen Charaktere aus allen<lb/> Zeiten, Staͤnden und Welttheilen eingefuͤhrt hat.<lb/> Sein Werk iſt ein unerſchoͤpflicher Schatz von Le-<lb/> bensarten und Sinnesarten der Menſchen, voller<lb/> Charakter, voller Reden, voller Lebensregeln. Die<lb/> innerſten Winkel der Seele werden da belenchtet,<lb/> und die nuͤtzlichſten Lehren mitgetheilt. Man muß<lb/> ſehr allegorieſuͤchtig ſeyn, wenn man verſtektere Ge-<lb/> heimniſſe darin ſuchen will. Man beſchuldiget die-<lb/> ſes Werk der Dunkelheit und Haͤrte; aber wenn<lb/> man hier und da die abſtrakte und ſcholaſtiſche Ma-<lb/> terie erlaubet, ſo muß man ihm das Dunkle und<lb/> Harte verzeihen. Er wollte nicht allein fuͤr die groſſe<lb/> Welt, ſondern auch fuͤr die tiefſinnige, und insbe-<lb/> ſondere fuͤr die Peripatetiker ſchreiben. Von dieſen<lb/> Stellen gilt, was Plato von des Heraklitus Natur-<lb/> lehre geſagt hat. Die Sachen, die ich verſtehe,<lb/> ſind goͤttlich, und ich glaube, daß auch die es ſind,<lb/><cb/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Dec Dek</hi></fw><lb/> die ich nicht verſtanden habe. Eine andre Art der<lb/> Dunkelheit und Haͤrte iſt durch die Nachlaͤßigkeit<lb/> der folgenden Schriftſteller entſtanden, welche die<lb/> Woͤrter, die in des Dante Tagen angenehm und ge-<lb/> laͤufig waren, haben entweichen oder gar unter-<lb/> gehen laſſen.</p><lb/> <p>Seine lyriſche Gedichte verdienen nicht weniger<lb/> Achtung, (*) als ſein groſſes Werk. Es leuchten<note place="right">(*) <hi rendition="#aq">Io per<lb/> me non ho<lb/> minore ſti-<lb/> ma delle<lb/> ſue liriche<lb/> poeſie &c.<lb/><hi rendition="#i">Muratori<lb/> ſtoria della<lb/> lingua Ital.</hi></hi></note><lb/> darin gewiſſe poetiſche Tugenden hervor, die in dem<lb/> groſſen Gedicht ſeltener ſind. Was ſich ihnen rohes<lb/> angehaͤngt hat, hindert uns nicht, daß wir nicht<lb/> eine kernichte, edle und artige Denkungsart darin<lb/> entdeken. S. <hi rendition="#aq">Muratori Storia della lingua ital.</hi> Er<lb/> ſtarb 1321. Er hatte drey Soͤhne, und jeder von<lb/> ihnen hat ein Werk uͤber das dreyfache Gedicht ge-<lb/> ſchrieben.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head><hi rendition="#g">Decime.</hi><lb/> (Muſik.)</head><lb/> <p><hi rendition="#in">E</hi>in Jntervall, deſſen Toͤne zehen diatoniſche Stu-<lb/> fen von einander abſtehen, als <hi rendition="#aq">C-e.</hi> Die Decime<lb/> iſt eigentlich die Terz von der Octave des Grund-<lb/> tones, und wird auch nie anders, als eine Terz<lb/> behandelt. Deswegen wird auch der Name Decime<lb/> hauptſaͤchlich nur gebraucht, wenn von dem Con-<lb/> trapunkt die Rede iſt, wobey die Decime nothwen-<lb/> dig von der Terz muß unterſchieden werden, da in<lb/> Abſicht auf die Hoͤhe ein groſſer Unterſchied zwiſchen<lb/> dem Contrapunkt in der Decime und dem in der Terz<lb/> iſt, (*) ob gleich ſonſt die Regeln der Harmonie zwi-<note place="right">(*) S.<lb/> Contra-<lb/> punkt.</note><lb/> ſchen dieſen beyden Jntervallen keinen Unterſchied<lb/> machen.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head>Deke.<lb/> (Baukunſt.)</head><lb/> <p><hi rendition="#in">D</hi>ie obere von den Flaͤchen, die den Raum eines<lb/> Zimmers einſchlieſſen. Jn gemeinen Zimmern wird<lb/> ſie gerade geſtrekt, und uͤberall waagerecht. Jn<lb/> groſſen Saͤulen giebt man den Deken bisweilen eine<lb/> pyramidiſche Geſtalt, und alsdenn werden ſie <hi rendition="#fr">Kap-<lb/> deken</hi> genennt.</p><lb/> <p>Die Deken werden entweder blos mit Kalk und<lb/> Gyps beworfen, oder von Taͤfelwerk gemacht, und<lb/> in beyden Faͤllen entweder glatt gelaſſen, oder in<lb/> Felder eingetheilt, oder mit verſchiedenen Zierrathen<lb/> ausgeputzt. Die ſchlechteſte Art iſt die glatte Kalk-<lb/> deke; ihre weiſſe Farbe vermehrt die Helligkeit des<lb/> Zimmers: will man ſie verzieren, ſo kann man<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſie</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [236/0248]
Dak Dan
Dec Dek
t ift man ſowol bey den lateiniſchen als deutſchen
Dichtern an. Jederman kennt den Virgiliſchen
Vers:
Quadrupedante putrem ſonitu quatit ungula campum. (*)
Aber ein ganzes Gedicht in dieſer Versart wuͤrde
nicht ertraͤglich ſeyn. Zum Affekt einer ſtroͤhmenden
Freude ſchiket ſie ſich ſehr wol, und kann ſogar,
wenn man nur mit einem andern Vers abwech-
ſelt, zur lyriſchen Versart dienen, wie in dieſer
Strophe:
Biſt du die Freude? du biſt es! dich meldet ein laͤchelnder
Morgen;
Die Fittige thauen unſterblichen Glanz.
Stroͤme von Wolluſt ergieſſen ſich nach mir, ſchon ſterben
die Sorgen.
Sie hauchet mich an, ich fuͤhle mich ganz. (*)
Dante.
Ein Florentiner. Er verwaltete in ſeiner Republik
die vornehmſten Aemter, bevor er verwieſen ward.
Er ſchrieb hernach ſein groſſes dreyfaches Gedicht
la divina Comedia, das zwar unter die dogmatiſchen
gehoͤrt, dem aber dieſer auſſerordentliche Geiſt eine
ganz poetiſche Geſtalt gegeben. Die Hoͤlle hat bey
ihm die unſelige Groͤſſe, noch der Himmel die erha-
bene Hoheit, welche ſie bey Milton bekommen ha-
ben, eben ſo wenig, als ſeine Teufel und ſeine ſelige
Geiſter, die Groͤſſe der Miltoniſchen haben. Sein
groͤßtes Verdienſt iſt, daß er die Hoͤlle, das Fege-
feuer, das Paradies fuͤr Scenen gebraucht hat, auf
welchen er die verſchiedenen Charaktere aus allen
Zeiten, Staͤnden und Welttheilen eingefuͤhrt hat.
Sein Werk iſt ein unerſchoͤpflicher Schatz von Le-
bensarten und Sinnesarten der Menſchen, voller
Charakter, voller Reden, voller Lebensregeln. Die
innerſten Winkel der Seele werden da belenchtet,
und die nuͤtzlichſten Lehren mitgetheilt. Man muß
ſehr allegorieſuͤchtig ſeyn, wenn man verſtektere Ge-
heimniſſe darin ſuchen will. Man beſchuldiget die-
ſes Werk der Dunkelheit und Haͤrte; aber wenn
man hier und da die abſtrakte und ſcholaſtiſche Ma-
terie erlaubet, ſo muß man ihm das Dunkle und
Harte verzeihen. Er wollte nicht allein fuͤr die groſſe
Welt, ſondern auch fuͤr die tiefſinnige, und insbe-
ſondere fuͤr die Peripatetiker ſchreiben. Von dieſen
Stellen gilt, was Plato von des Heraklitus Natur-
lehre geſagt hat. Die Sachen, die ich verſtehe,
ſind goͤttlich, und ich glaube, daß auch die es ſind,
die ich nicht verſtanden habe. Eine andre Art der
Dunkelheit und Haͤrte iſt durch die Nachlaͤßigkeit
der folgenden Schriftſteller entſtanden, welche die
Woͤrter, die in des Dante Tagen angenehm und ge-
laͤufig waren, haben entweichen oder gar unter-
gehen laſſen.
Seine lyriſche Gedichte verdienen nicht weniger
Achtung, (*) als ſein groſſes Werk. Es leuchten
darin gewiſſe poetiſche Tugenden hervor, die in dem
groſſen Gedicht ſeltener ſind. Was ſich ihnen rohes
angehaͤngt hat, hindert uns nicht, daß wir nicht
eine kernichte, edle und artige Denkungsart darin
entdeken. S. Muratori Storia della lingua ital. Er
ſtarb 1321. Er hatte drey Soͤhne, und jeder von
ihnen hat ein Werk uͤber das dreyfache Gedicht ge-
ſchrieben.
(*) Io per
me non ho
minore ſti-
ma delle
ſue liriche
poeſie &c.
Muratori
ſtoria della
lingua Ital.
Decime.
(Muſik.)
Ein Jntervall, deſſen Toͤne zehen diatoniſche Stu-
fen von einander abſtehen, als C-e. Die Decime
iſt eigentlich die Terz von der Octave des Grund-
tones, und wird auch nie anders, als eine Terz
behandelt. Deswegen wird auch der Name Decime
hauptſaͤchlich nur gebraucht, wenn von dem Con-
trapunkt die Rede iſt, wobey die Decime nothwen-
dig von der Terz muß unterſchieden werden, da in
Abſicht auf die Hoͤhe ein groſſer Unterſchied zwiſchen
dem Contrapunkt in der Decime und dem in der Terz
iſt, (*) ob gleich ſonſt die Regeln der Harmonie zwi-
ſchen dieſen beyden Jntervallen keinen Unterſchied
machen.
(*) S.
Contra-
punkt.
Deke.
(Baukunſt.)
Die obere von den Flaͤchen, die den Raum eines
Zimmers einſchlieſſen. Jn gemeinen Zimmern wird
ſie gerade geſtrekt, und uͤberall waagerecht. Jn
groſſen Saͤulen giebt man den Deken bisweilen eine
pyramidiſche Geſtalt, und alsdenn werden ſie Kap-
deken genennt.
Die Deken werden entweder blos mit Kalk und
Gyps beworfen, oder von Taͤfelwerk gemacht, und
in beyden Faͤllen entweder glatt gelaſſen, oder in
Felder eingetheilt, oder mit verſchiedenen Zierrathen
ausgeputzt. Die ſchlechteſte Art iſt die glatte Kalk-
deke; ihre weiſſe Farbe vermehrt die Helligkeit des
Zimmers: will man ſie verzieren, ſo kann man
ſie
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |