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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.

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Den

Die Erfindung des Körpers zu einem Denkmal
hat keine Schwierigkeit. Eine Pyramide, ein Pfei-
ler, eine Säule, eine mit Fuß und Gesimms ver-
sehene Mauer, entweder ganz einfach, oder mit
Pfeilern und Säulen ausgeziert, ist dazu schon
hinlänglich. Nur gehört die gesunde Beurtheilung
des schiklichen und wolanständigen dazu, daß die
Grösse und Pracht des Werks, genau nach der
Wichtigkeit der Sache abgewogen werden, damit
man nicht in das Unschikliche verfalle, durch ein
Werk, das das grosse Ansehen eines Triumphbo-
gens hat, das Andenken einer Privattugend, oder
durch das bescheidene Ansehen, einer ganz schlech-
ten Wand, eine glänzende, den ganzen Staat in
die Höhe schwingende Begebenheit, auf die Nach-
welt zu bringen. Sowol die Grösse, als der Cha-
rakter des Baues muß der Sache, derenthalber er
gemacht wird, auf das richtigste angemessen seyn:
und dadurch muß sich der Erfinder, als einen Mann
von Geschmak und von richtigem Urtheil zeigen.

Also stehen dem Künstler unzählige Formen und
Gestalten der Denkmäler, vom schlechtesten Grab-
stein, bis auf den majestätischen Triumphbogen, und
von der blossen Säule bis auf den prächtigsten
Porticus, zu Diensten, damit er für jede Sache,
das schiklichste wähle. Nach der guten Wahl der
Form, kommt auch sehr viel auf eine schikliche
Verzierung an. Hierin thut man insgemein eher
zu viel, als zu wenig; daher das sicherste ist, sich
der Einfalt zu befleissen. Alle in Rom noch vor-
handene Triumphbogen, aus den Zeiten der Cäsare,
könnten noch einer Menge von Zierrathen beraubet
werden, und würden dadurch nur schöner werden.
Bey solchen Gebäuden kommt es blos darauf an,
daß für die Schrift, oder für die Bilder, die das
Wesen des Denkmals ausmachen, ein schiklicher
Platz, der auf eine der Sache anständige Art ver-
ziert sey, angeordnet werde. Hat der Bau über-
haupt das Aug der Vorübergehenden an sich gelokt,
so muß nun auch in der Nähe die Aufmerksamkeit
ganz auf den Geist des Denkmals gerichtet werden,
mithin in den Verzierungen nichts seyn, das die-
selbe von der Hauptsache ablenken könnte. Wich-
tig ist es, daß die Zierrathen mit dem Charakter
der Vorstellung wol übereinstimmen. Grosse Ge-
genstände von ernsthafter Art, leiden nichts Zier-
liches, und die von fröhlicher und belustigender
Art erfodern Verzierungen, darin Lieblichkeit und
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Den
Anmuthigkeit liegt. Auch darin kann der Künstler
ein richtiges Urtheil, oder eine ausschweiffende Ein-
bildungskraft zeigen; denn in den schönen Künsten
ist nichts so gering, das dem Künstler nicht grosses
Lob oder strengen Tadel zuziehen könnte.

Jndessen bleibt das, was wir vorher die Seele
des Denkmals genennt haben, allemal der wichtigste
Theil desselben. Diese besteht entweder blos in Auf-
schriften, von denen an einem andern Qrt gespro-
chen worden, (*) oder in bildlichen Vorstellungen,(*) S.
Aufschrift.

(sie seyen gemahlt, oder mit dem Meissel gebildet,)
die entweder historisch, oder allegorisch seyn können.
Man wird allemal, wie schon irgendwo angemerkt
worden, von solchen Werken fodern, daß sie mehr
sagen, als eine Schrift sagen könnte, weil sonst die
blosse Schrift vorzuziehen wäre. (*) Also können(*) S.
Allegorie
S. 43.

dergleichen Vorstellungen nie das Werk gemeiner
Künstler seyn; denn es gehört gewiß gar sehr viel
dazu, die Gemüther der Menschen durch diesen Weg
lebhaft zu rühren, und zugleich in dem, was zum
historischen gehört, verständlich zu seyn, und den
ganzen Geist einer Begebenheit oder einer Hand-
lung in wenig Bildern vorzustellen.

Man hat aus dem Alterthum zwey Denkmäler,
die trajanische und die antoninische Säule, auf de-
nen grosse Begebenheiten, durch eine lange Folge
von Bildern historisch vorgestellt werden: allein
solche Werke sind zu weitläuftig und zu kostbar;
daher sich für Denkmäler solche Vorstellungen am
beßten schiken, wo nur das Wesentliche der Sachen,
in wenig Bildern ausgedrükt wird. Hiezu aber
sind nur die größten Köpfe aufgelegt: daher man
wol behaupten könnte, daß ein vollkommenes Denk-
mal dieser Art, eines der schweeresten Werke der
Kunst sey. Es ist im Art. Allegorie eines schönen
Denkmals, das den noch lebenden Bildhauer Nael
zum Erfinder hat, Erwähnung geschehen, dessen
Beschreibung hier einen Platz verdienet.

Es ist ein Grabmal einer tugendhaften und sehr
schönen Frauen, welche durch eine schweere Ge-
buhrt ihr Leben eingebüßt hat. Dieses Denkmal
stellt ein Grab vor, mit einem ganz schlechten Stein
bedekt. So bald man aber näher herantritt, wird
man plötzlich in die erstaunliche Scene versetzt, wo
die Gräber sich öffnen und ihre Todten lebendig
wieder hergeben werden. Man findet den Grab-
stein durch ein gewaltiges Beben der Erde mitten
von einander geborsten, und durch die daher entstan-

dene
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Den

Die Erfindung des Koͤrpers zu einem Denkmal
hat keine Schwierigkeit. Eine Pyramide, ein Pfei-
ler, eine Saͤule, eine mit Fuß und Geſimms ver-
ſehene Mauer, entweder ganz einfach, oder mit
Pfeilern und Saͤulen ausgeziert, iſt dazu ſchon
hinlaͤnglich. Nur gehoͤrt die geſunde Beurtheilung
des ſchiklichen und wolanſtaͤndigen dazu, daß die
Groͤſſe und Pracht des Werks, genau nach der
Wichtigkeit der Sache abgewogen werden, damit
man nicht in das Unſchikliche verfalle, durch ein
Werk, das das groſſe Anſehen eines Triumphbo-
gens hat, das Andenken einer Privattugend, oder
durch das beſcheidene Anſehen, einer ganz ſchlech-
ten Wand, eine glaͤnzende, den ganzen Staat in
die Hoͤhe ſchwingende Begebenheit, auf die Nach-
welt zu bringen. Sowol die Groͤſſe, als der Cha-
rakter des Baues muß der Sache, derenthalber er
gemacht wird, auf das richtigſte angemeſſen ſeyn:
und dadurch muß ſich der Erfinder, als einen Mann
von Geſchmak und von richtigem Urtheil zeigen.

Alſo ſtehen dem Kuͤnſtler unzaͤhlige Formen und
Geſtalten der Denkmaͤler, vom ſchlechteſten Grab-
ſtein, bis auf den majeſtaͤtiſchen Triumphbogen, und
von der bloſſen Saͤule bis auf den praͤchtigſten
Porticus, zu Dienſten, damit er fuͤr jede Sache,
das ſchiklichſte waͤhle. Nach der guten Wahl der
Form, kommt auch ſehr viel auf eine ſchikliche
Verzierung an. Hierin thut man insgemein eher
zu viel, als zu wenig; daher das ſicherſte iſt, ſich
der Einfalt zu befleiſſen. Alle in Rom noch vor-
handene Triumphbogen, aus den Zeiten der Caͤſare,
koͤnnten noch einer Menge von Zierrathen beraubet
werden, und wuͤrden dadurch nur ſchoͤner werden.
Bey ſolchen Gebaͤuden kommt es blos darauf an,
daß fuͤr die Schrift, oder fuͤr die Bilder, die das
Weſen des Denkmals ausmachen, ein ſchiklicher
Platz, der auf eine der Sache anſtaͤndige Art ver-
ziert ſey, angeordnet werde. Hat der Bau uͤber-
haupt das Aug der Voruͤbergehenden an ſich gelokt,
ſo muß nun auch in der Naͤhe die Aufmerkſamkeit
ganz auf den Geiſt des Denkmals gerichtet werden,
mithin in den Verzierungen nichts ſeyn, das die-
ſelbe von der Hauptſache ablenken koͤnnte. Wich-
tig iſt es, daß die Zierrathen mit dem Charakter
der Vorſtellung wol uͤbereinſtimmen. Groſſe Ge-
genſtaͤnde von ernſthafter Art, leiden nichts Zier-
liches, und die von froͤhlicher und beluſtigender
Art erfodern Verzierungen, darin Lieblichkeit und
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Den
Anmuthigkeit liegt. Auch darin kann der Kuͤnſtler
ein richtiges Urtheil, oder eine ausſchweiffende Ein-
bildungskraft zeigen; denn in den ſchoͤnen Kuͤnſten
iſt nichts ſo gering, das dem Kuͤnſtler nicht groſſes
Lob oder ſtrengen Tadel zuziehen koͤnnte.

Jndeſſen bleibt das, was wir vorher die Seele
des Denkmals genennt haben, allemal der wichtigſte
Theil deſſelben. Dieſe beſteht entweder blos in Auf-
ſchriften, von denen an einem andern Qrt geſpro-
chen worden, (*) oder in bildlichen Vorſtellungen,(*) S.
Aufſchrift.

(ſie ſeyen gemahlt, oder mit dem Meiſſel gebildet,)
die entweder hiſtoriſch, oder allegoriſch ſeyn koͤnnen.
Man wird allemal, wie ſchon irgendwo angemerkt
worden, von ſolchen Werken fodern, daß ſie mehr
ſagen, als eine Schrift ſagen koͤnnte, weil ſonſt die
bloſſe Schrift vorzuziehen waͤre. (*) Alſo koͤnnen(*) S.
Allegorie
S. 43.

dergleichen Vorſtellungen nie das Werk gemeiner
Kuͤnſtler ſeyn; denn es gehoͤrt gewiß gar ſehr viel
dazu, die Gemuͤther der Menſchen durch dieſen Weg
lebhaft zu ruͤhren, und zugleich in dem, was zum
hiſtoriſchen gehoͤrt, verſtaͤndlich zu ſeyn, und den
ganzen Geiſt einer Begebenheit oder einer Hand-
lung in wenig Bildern vorzuſtellen.

Man hat aus dem Alterthum zwey Denkmaͤler,
die trajaniſche und die antoniniſche Saͤule, auf de-
nen groſſe Begebenheiten, durch eine lange Folge
von Bildern hiſtoriſch vorgeſtellt werden: allein
ſolche Werke ſind zu weitlaͤuftig und zu koſtbar;
daher ſich fuͤr Denkmaͤler ſolche Vorſtellungen am
beßten ſchiken, wo nur das Weſentliche der Sachen,
in wenig Bildern ausgedruͤkt wird. Hiezu aber
ſind nur die groͤßten Koͤpfe aufgelegt: daher man
wol behaupten koͤnnte, daß ein vollkommenes Denk-
mal dieſer Art, eines der ſchweereſten Werke der
Kunſt ſey. Es iſt im Art. Allegorie eines ſchoͤnen
Denkmals, das den noch lebenden Bildhauer Nael
zum Erfinder hat, Erwaͤhnung geſchehen, deſſen
Beſchreibung hier einen Platz verdienet.

Es iſt ein Grabmal einer tugendhaften und ſehr
ſchoͤnen Frauen, welche durch eine ſchweere Ge-
buhrt ihr Leben eingebuͤßt hat. Dieſes Denkmal
ſtellt ein Grab vor, mit einem ganz ſchlechten Stein
bedekt. So bald man aber naͤher herantritt, wird
man ploͤtzlich in die erſtaunliche Scene verſetzt, wo
die Graͤber ſich oͤffnen und ihre Todten lebendig
wieder hergeben werden. Man findet den Grab-
ſtein durch ein gewaltiges Beben der Erde mitten
von einander geborſten, und durch die daher entſtan-

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[239/0251] Den Den Die Erfindung des Koͤrpers zu einem Denkmal hat keine Schwierigkeit. Eine Pyramide, ein Pfei- ler, eine Saͤule, eine mit Fuß und Geſimms ver- ſehene Mauer, entweder ganz einfach, oder mit Pfeilern und Saͤulen ausgeziert, iſt dazu ſchon hinlaͤnglich. Nur gehoͤrt die geſunde Beurtheilung des ſchiklichen und wolanſtaͤndigen dazu, daß die Groͤſſe und Pracht des Werks, genau nach der Wichtigkeit der Sache abgewogen werden, damit man nicht in das Unſchikliche verfalle, durch ein Werk, das das groſſe Anſehen eines Triumphbo- gens hat, das Andenken einer Privattugend, oder durch das beſcheidene Anſehen, einer ganz ſchlech- ten Wand, eine glaͤnzende, den ganzen Staat in die Hoͤhe ſchwingende Begebenheit, auf die Nach- welt zu bringen. Sowol die Groͤſſe, als der Cha- rakter des Baues muß der Sache, derenthalber er gemacht wird, auf das richtigſte angemeſſen ſeyn: und dadurch muß ſich der Erfinder, als einen Mann von Geſchmak und von richtigem Urtheil zeigen. Alſo ſtehen dem Kuͤnſtler unzaͤhlige Formen und Geſtalten der Denkmaͤler, vom ſchlechteſten Grab- ſtein, bis auf den majeſtaͤtiſchen Triumphbogen, und von der bloſſen Saͤule bis auf den praͤchtigſten Porticus, zu Dienſten, damit er fuͤr jede Sache, das ſchiklichſte waͤhle. Nach der guten Wahl der Form, kommt auch ſehr viel auf eine ſchikliche Verzierung an. Hierin thut man insgemein eher zu viel, als zu wenig; daher das ſicherſte iſt, ſich der Einfalt zu befleiſſen. Alle in Rom noch vor- handene Triumphbogen, aus den Zeiten der Caͤſare, koͤnnten noch einer Menge von Zierrathen beraubet werden, und wuͤrden dadurch nur ſchoͤner werden. Bey ſolchen Gebaͤuden kommt es blos darauf an, daß fuͤr die Schrift, oder fuͤr die Bilder, die das Weſen des Denkmals ausmachen, ein ſchiklicher Platz, der auf eine der Sache anſtaͤndige Art ver- ziert ſey, angeordnet werde. Hat der Bau uͤber- haupt das Aug der Voruͤbergehenden an ſich gelokt, ſo muß nun auch in der Naͤhe die Aufmerkſamkeit ganz auf den Geiſt des Denkmals gerichtet werden, mithin in den Verzierungen nichts ſeyn, das die- ſelbe von der Hauptſache ablenken koͤnnte. Wich- tig iſt es, daß die Zierrathen mit dem Charakter der Vorſtellung wol uͤbereinſtimmen. Groſſe Ge- genſtaͤnde von ernſthafter Art, leiden nichts Zier- liches, und die von froͤhlicher und beluſtigender Art erfodern Verzierungen, darin Lieblichkeit und Anmuthigkeit liegt. Auch darin kann der Kuͤnſtler ein richtiges Urtheil, oder eine ausſchweiffende Ein- bildungskraft zeigen; denn in den ſchoͤnen Kuͤnſten iſt nichts ſo gering, das dem Kuͤnſtler nicht groſſes Lob oder ſtrengen Tadel zuziehen koͤnnte. Jndeſſen bleibt das, was wir vorher die Seele des Denkmals genennt haben, allemal der wichtigſte Theil deſſelben. Dieſe beſteht entweder blos in Auf- ſchriften, von denen an einem andern Qrt geſpro- chen worden, (*) oder in bildlichen Vorſtellungen, (ſie ſeyen gemahlt, oder mit dem Meiſſel gebildet,) die entweder hiſtoriſch, oder allegoriſch ſeyn koͤnnen. Man wird allemal, wie ſchon irgendwo angemerkt worden, von ſolchen Werken fodern, daß ſie mehr ſagen, als eine Schrift ſagen koͤnnte, weil ſonſt die bloſſe Schrift vorzuziehen waͤre. (*) Alſo koͤnnen dergleichen Vorſtellungen nie das Werk gemeiner Kuͤnſtler ſeyn; denn es gehoͤrt gewiß gar ſehr viel dazu, die Gemuͤther der Menſchen durch dieſen Weg lebhaft zu ruͤhren, und zugleich in dem, was zum hiſtoriſchen gehoͤrt, verſtaͤndlich zu ſeyn, und den ganzen Geiſt einer Begebenheit oder einer Hand- lung in wenig Bildern vorzuſtellen. (*) S. Aufſchrift. (*) S. Allegorie S. 43. Man hat aus dem Alterthum zwey Denkmaͤler, die trajaniſche und die antoniniſche Saͤule, auf de- nen groſſe Begebenheiten, durch eine lange Folge von Bildern hiſtoriſch vorgeſtellt werden: allein ſolche Werke ſind zu weitlaͤuftig und zu koſtbar; daher ſich fuͤr Denkmaͤler ſolche Vorſtellungen am beßten ſchiken, wo nur das Weſentliche der Sachen, in wenig Bildern ausgedruͤkt wird. Hiezu aber ſind nur die groͤßten Koͤpfe aufgelegt: daher man wol behaupten koͤnnte, daß ein vollkommenes Denk- mal dieſer Art, eines der ſchweereſten Werke der Kunſt ſey. Es iſt im Art. Allegorie eines ſchoͤnen Denkmals, das den noch lebenden Bildhauer Nael zum Erfinder hat, Erwaͤhnung geſchehen, deſſen Beſchreibung hier einen Platz verdienet. Es iſt ein Grabmal einer tugendhaften und ſehr ſchoͤnen Frauen, welche durch eine ſchweere Ge- buhrt ihr Leben eingebuͤßt hat. Dieſes Denkmal ſtellt ein Grab vor, mit einem ganz ſchlechten Stein bedekt. So bald man aber naͤher herantritt, wird man ploͤtzlich in die erſtaunliche Scene verſetzt, wo die Graͤber ſich oͤffnen und ihre Todten lebendig wieder hergeben werden. Man findet den Grab- ſtein durch ein gewaltiges Beben der Erde mitten von einander geborſten, und durch die daher entſtan- dene

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/251>, abgerufen am 24.11.2024.