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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771.

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selbst unsittlich seyd? Denn wenn diese Geschich-
ten wahr seyn sollten, so werdet ihr von den Sterb-
lichen wegen gewaltsamen Entführungen zur Strafe
gefodert werden, du und Neptun und Jupiter, der
im Himmel herrscht. -- -- -- Es wäre nicht bil-
lig die Menschen in den Fällen anzuklagen, da sie
nur die Schandthaten der Götter nachahmen, son-
dern diese, die die Beyspiele gegeben haben.
Seine
Götterlehre ist den unverfälschten Einsichten gemäß.
Folgendes ist ein fürtreffliches Beyspiel davon.
Was ist der Reichthum des Thronis? sagt Jocaste
in den Phönizierinnen, -- -- Alle Reichthümer
gehören eigentlich nur den Göttern zu, die Men-
schen sind blos die Verwalter und Austheiler der-
selben. Sie nehmen sie wieder, so oft es ihnen
beliebt.

Es wäre leicht, eben so herrliche Lehren und
Wahrheiten über alle wichtigen Punkte der Sitten-
lehre aus diesem philosophischen Dichter anzuführen.
Doch müssen wir dabey auch bemerken, daß ihn die
Liebe zu moralischen Sprüchen ofte zur Unzeit über-
nommen hat. Er bringt sie ofte so an, daß man
die handelnde Person, der sie in Mund gelegt wer-
den, aus dem Gesichte verliert und nur den Dich-
ter erblikt. Daher werden dergleichen Sprüche in
dem Mund der Person oft unwahrscheinlich. Wie
wenig sorgfältig er über diesen Punkt gewesen, kann
folgende Stelle hinlänglich zeigen. Jn der Tragedie,
die er die um Schutz flehenden betitelt, fällt Adrast
dem Theseus zu Füßen und sagt unter andern: der,
welcher im Wolstand ist, sieht, wenn er Verstand
hat, auf die Armuth
-- (die Absicht des Dichters
ist zu sagen, daß man müsse durch den Gegenstand
gerührt seyn, um demselben gemäß zu handeln,)
so wie es nöthig ist, daß der Dichter, wenn er
Lieder macht, es mit Lust thue; denn wenn er
nicht in der Lust ist und zu Hause Verdruß hat,

(*) #.
vs. 180 f. f.
so kann er andre nicht vergnügen. (*)

Man sieht überhaupt aus jedem Trauerspiel die-
ses fürtrefflichen Mannes, daß er ein ernsthafter,
zärtlicher und etwas melancholischer Dichter gewesen.
Man sagt, daß er in seinem Hause viel Betrübnis
und Verdruß gehabt, und es war ihm ohne Zwei-
fel damals, als er das Trauerspiel, woraus wir
die letzte Stelle angeführt haben, geschrieben hat,
etwas von dieser Art begegnet. Er fand daher in
tragischen Vorstellungen und im klagenden Ton seine
Lust. Sein Herz war äusserst zärtlich, der Freude
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wenig offen, und seine Gemüthsart etwas verdrieß-
lich. Man giebt ausser dem natürlichen Hang des
Temperaments, auch verschiedene Umstände an, die
ihn dazu können gebracht haben. Er soll auf einer
Reise eine Gemahlin, die er zärtlich geliebet, zwey
Söhne und eine Tochter durch unvorsichtiges Essen
giftiger Pilse, verlohren haben. (*) Andere sagen(*) Athen.
L. II.

auch, er habe eine zweyte Frau gehabt, deren üble
Aufführung ihm den höchsten Verdruß gemacht.
Und dieses wird dadurch wahrscheinlich, daß er
nicht leicht eine Gelegenheit vorbey gehen läßt, seine
wenige Achtung für das weibliche Geschlecht an den
Tag zu legen. Diese Materie scheinet sein Lieblings-
tert zu seyn, so daß er bisweilen recht anstößig
dadurch wird. Jn Bezeichnung der Charaktere ist
er der Natur getreu, wiewol er sie nicht aus der
heroischen, sondern mehr aus der gemeinen Natur
nihmt. Er zeichnet aber meisterhaft und mit weni-
gen Zügen. Die Reden der Personen, wenn man
an einigen Orten seine übertriebene Liebe zu Sitten-
sprüchen ausnimmt, sind insgemein höchst natürlich,
den Sachen, Umständen und Personen sehr ange-
messen. Er zeiget darin eine recht große Beredsam-
keit, das Schicklichste auf die beste, und oft nach-
drüklichste Weise zu sagen. Jch kann mich nicht
enthalten nur eine Probe hievon zu geben. Als
Herkules von der Wuth, darin er seine Kinder um-
gebracht hat, wieder zu sich selbst gekommen, und
voll schwarzen Grams sich verlauten läßt, daß er
sich selbst umbringen wolle, sagt Theseus zu ihm:
Du redest wie einer aus dem Pöbel. Sagt dieses
Herkules, der schon so viel überstanden hat, der
Wolthäter der Menschen und ihr größter Freund?

Jn der Mechanik der Trauerspiele hat Euripides
sehr viel weniger Einfalt als Aeschylus und Sopho-
kles. Es ist insgemein viel Mannigfaltigkeit und
Verwiklung in den Vorfällen. Die genaueste Beob-
achtung der Einheit in Ansehung der Zeit und des
Orts hat er nicht so hoch geachtet, als die andern,
deswegen ist auch nicht alles von so großer Wahr-
scheinlichkeit. Jn seiner Andromache geht Orestes
von Phthia nach Delphi, bringt daselbst den Neo-
ptolem um, und ein Bote kommt daher wieder nach
Phthia, es zu sagen. Dies alles geschieht in der
Zeit, da der Chor wenige Strophen singt. Eben
so wenig streng ist er in Beobachtung des Ueblichen
oder des Costume. Er läßt in dem Hippolytus
die Hofmeisterin der Phädra sagen: Es sey nichts

voll-
Y y 3

[Spaltenumbruch]

Eur
ſelbſt unſittlich ſeyd? Denn wenn dieſe Geſchich-
ten wahr ſeyn ſollten, ſo werdet ihr von den Sterb-
lichen wegen gewaltſamen Entfuͤhrungen zur Strafe
gefodert werden, du und Neptun und Jupiter, der
im Himmel herrſcht. — — — Es waͤre nicht bil-
lig die Menſchen in den Faͤllen anzuklagen, da ſie
nur die Schandthaten der Goͤtter nachahmen, ſon-
dern dieſe, die die Beyſpiele gegeben haben.
Seine
Goͤtterlehre iſt den unverfaͤlſchten Einſichten gemaͤß.
Folgendes iſt ein fuͤrtreffliches Beyſpiel davon.
Was iſt der Reichthum des Thronis? ſagt Jocaſte
in den Phoͤnizierinnen, — — Alle Reichthuͤmer
gehoͤren eigentlich nur den Goͤttern zu, die Men-
ſchen ſind blos die Verwalter und Austheiler der-
ſelben. Sie nehmen ſie wieder, ſo oft es ihnen
beliebt.

Es waͤre leicht, eben ſo herrliche Lehren und
Wahrheiten uͤber alle wichtigen Punkte der Sitten-
lehre aus dieſem philoſophiſchen Dichter anzufuͤhren.
Doch muͤſſen wir dabey auch bemerken, daß ihn die
Liebe zu moraliſchen Spruͤchen ofte zur Unzeit uͤber-
nommen hat. Er bringt ſie ofte ſo an, daß man
die handelnde Perſon, der ſie in Mund gelegt wer-
den, aus dem Geſichte verliert und nur den Dich-
ter erblikt. Daher werden dergleichen Spruͤche in
dem Mund der Perſon oft unwahrſcheinlich. Wie
wenig ſorgfaͤltig er uͤber dieſen Punkt geweſen, kann
folgende Stelle hinlaͤnglich zeigen. Jn der Tragedie,
die er die um Schutz flehenden betitelt, faͤllt Adraſt
dem Theſeus zu Fuͤßen und ſagt unter andern: der,
welcher im Wolſtand iſt, ſieht, wenn er Verſtand
hat, auf die Armuth
— (die Abſicht des Dichters
iſt zu ſagen, daß man muͤſſe durch den Gegenſtand
geruͤhrt ſeyn, um demſelben gemaͤß zu handeln,)
ſo wie es noͤthig iſt, daß der Dichter, wenn er
Lieder macht, es mit Luſt thue; denn wenn er
nicht in der Luſt iſt und zu Hauſe Verdruß hat,

(*) #.
vs. 180 f. f.
ſo kann er andre nicht vergnuͤgen. (*)

Man ſieht uͤberhaupt aus jedem Trauerſpiel die-
ſes fuͤrtrefflichen Mannes, daß er ein ernſthafter,
zaͤrtlicher und etwas melancholiſcher Dichter geweſen.
Man ſagt, daß er in ſeinem Hauſe viel Betruͤbnis
und Verdruß gehabt, und es war ihm ohne Zwei-
fel damals, als er das Trauerſpiel, woraus wir
die letzte Stelle angefuͤhrt haben, geſchrieben hat,
etwas von dieſer Art begegnet. Er fand daher in
tragiſchen Vorſtellungen und im klagenden Ton ſeine
Luſt. Sein Herz war aͤuſſerſt zaͤrtlich, der Freude
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wenig offen, und ſeine Gemuͤthsart etwas verdrieß-
lich. Man giebt auſſer dem natuͤrlichen Hang des
Temperaments, auch verſchiedene Umſtaͤnde an, die
ihn dazu koͤnnen gebracht haben. Er ſoll auf einer
Reiſe eine Gemahlin, die er zaͤrtlich geliebet, zwey
Soͤhne und eine Tochter durch unvorſichtiges Eſſen
giftiger Pilſe, verlohren haben. (*) Andere ſagen(*) Athen.
L. II.

auch, er habe eine zweyte Frau gehabt, deren uͤble
Auffuͤhrung ihm den hoͤchſten Verdruß gemacht.
Und dieſes wird dadurch wahrſcheinlich, daß er
nicht leicht eine Gelegenheit vorbey gehen laͤßt, ſeine
wenige Achtung fuͤr das weibliche Geſchlecht an den
Tag zu legen. Dieſe Materie ſcheinet ſein Lieblings-
tert zu ſeyn, ſo daß er bisweilen recht anſtoͤßig
dadurch wird. Jn Bezeichnung der Charaktere iſt
er der Natur getreu, wiewol er ſie nicht aus der
heroiſchen, ſondern mehr aus der gemeinen Natur
nihmt. Er zeichnet aber meiſterhaft und mit weni-
gen Zuͤgen. Die Reden der Perſonen, wenn man
an einigen Orten ſeine uͤbertriebene Liebe zu Sitten-
ſpruͤchen ausnimmt, ſind insgemein hoͤchſt natuͤrlich,
den Sachen, Umſtaͤnden und Perſonen ſehr ange-
meſſen. Er zeiget darin eine recht große Beredſam-
keit, das Schicklichſte auf die beſte, und oft nach-
druͤklichſte Weiſe zu ſagen. Jch kann mich nicht
enthalten nur eine Probe hievon zu geben. Als
Herkules von der Wuth, darin er ſeine Kinder um-
gebracht hat, wieder zu ſich ſelbſt gekommen, und
voll ſchwarzen Grams ſich verlauten laͤßt, daß er
ſich ſelbſt umbringen wolle, ſagt Theſeus zu ihm:
Du redeſt wie einer aus dem Poͤbel. Sagt dieſes
Herkules, der ſchon ſo viel uͤberſtanden hat, der
Wolthaͤter der Menſchen und ihr groͤßter Freund?

Jn der Mechanik der Trauerſpiele hat Euripides
ſehr viel weniger Einfalt als Aeſchylus und Sopho-
kles. Es iſt insgemein viel Mannigfaltigkeit und
Verwiklung in den Vorfaͤllen. Die genaueſte Beob-
achtung der Einheit in Anſehung der Zeit und des
Orts hat er nicht ſo hoch geachtet, als die andern,
deswegen iſt auch nicht alles von ſo großer Wahr-
ſcheinlichkeit. Jn ſeiner Andromache geht Oreſtes
von Phthia nach Delphi, bringt daſelbſt den Neo-
ptolem um, und ein Bote kommt daher wieder nach
Phthia, es zu ſagen. Dies alles geſchieht in der
Zeit, da der Chor wenige Strophen ſingt. Eben
ſo wenig ſtreng iſt er in Beobachtung des Ueblichen
oder des Coſtume. Er laͤßt in dem Hippolytus
die Hofmeiſterin der Phaͤdra ſagen: Es ſey nichts

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Y y 3
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[357/0369] Eur Eur ſelbſt unſittlich ſeyd? Denn wenn dieſe Geſchich- ten wahr ſeyn ſollten, ſo werdet ihr von den Sterb- lichen wegen gewaltſamen Entfuͤhrungen zur Strafe gefodert werden, du und Neptun und Jupiter, der im Himmel herrſcht. — — — Es waͤre nicht bil- lig die Menſchen in den Faͤllen anzuklagen, da ſie nur die Schandthaten der Goͤtter nachahmen, ſon- dern dieſe, die die Beyſpiele gegeben haben. Seine Goͤtterlehre iſt den unverfaͤlſchten Einſichten gemaͤß. Folgendes iſt ein fuͤrtreffliches Beyſpiel davon. Was iſt der Reichthum des Thronis? ſagt Jocaſte in den Phoͤnizierinnen, — — Alle Reichthuͤmer gehoͤren eigentlich nur den Goͤttern zu, die Men- ſchen ſind blos die Verwalter und Austheiler der- ſelben. Sie nehmen ſie wieder, ſo oft es ihnen beliebt. Es waͤre leicht, eben ſo herrliche Lehren und Wahrheiten uͤber alle wichtigen Punkte der Sitten- lehre aus dieſem philoſophiſchen Dichter anzufuͤhren. Doch muͤſſen wir dabey auch bemerken, daß ihn die Liebe zu moraliſchen Spruͤchen ofte zur Unzeit uͤber- nommen hat. Er bringt ſie ofte ſo an, daß man die handelnde Perſon, der ſie in Mund gelegt wer- den, aus dem Geſichte verliert und nur den Dich- ter erblikt. Daher werden dergleichen Spruͤche in dem Mund der Perſon oft unwahrſcheinlich. Wie wenig ſorgfaͤltig er uͤber dieſen Punkt geweſen, kann folgende Stelle hinlaͤnglich zeigen. Jn der Tragedie, die er die um Schutz flehenden betitelt, faͤllt Adraſt dem Theſeus zu Fuͤßen und ſagt unter andern: der, welcher im Wolſtand iſt, ſieht, wenn er Verſtand hat, auf die Armuth — (die Abſicht des Dichters iſt zu ſagen, daß man muͤſſe durch den Gegenſtand geruͤhrt ſeyn, um demſelben gemaͤß zu handeln,) ſo wie es noͤthig iſt, daß der Dichter, wenn er Lieder macht, es mit Luſt thue; denn wenn er nicht in der Luſt iſt und zu Hauſe Verdruß hat, ſo kann er andre nicht vergnuͤgen. (*) (*) #. vs. 180 f. f. Man ſieht uͤberhaupt aus jedem Trauerſpiel die- ſes fuͤrtrefflichen Mannes, daß er ein ernſthafter, zaͤrtlicher und etwas melancholiſcher Dichter geweſen. Man ſagt, daß er in ſeinem Hauſe viel Betruͤbnis und Verdruß gehabt, und es war ihm ohne Zwei- fel damals, als er das Trauerſpiel, woraus wir die letzte Stelle angefuͤhrt haben, geſchrieben hat, etwas von dieſer Art begegnet. Er fand daher in tragiſchen Vorſtellungen und im klagenden Ton ſeine Luſt. Sein Herz war aͤuſſerſt zaͤrtlich, der Freude wenig offen, und ſeine Gemuͤthsart etwas verdrieß- lich. Man giebt auſſer dem natuͤrlichen Hang des Temperaments, auch verſchiedene Umſtaͤnde an, die ihn dazu koͤnnen gebracht haben. Er ſoll auf einer Reiſe eine Gemahlin, die er zaͤrtlich geliebet, zwey Soͤhne und eine Tochter durch unvorſichtiges Eſſen giftiger Pilſe, verlohren haben. (*) Andere ſagen auch, er habe eine zweyte Frau gehabt, deren uͤble Auffuͤhrung ihm den hoͤchſten Verdruß gemacht. Und dieſes wird dadurch wahrſcheinlich, daß er nicht leicht eine Gelegenheit vorbey gehen laͤßt, ſeine wenige Achtung fuͤr das weibliche Geſchlecht an den Tag zu legen. Dieſe Materie ſcheinet ſein Lieblings- tert zu ſeyn, ſo daß er bisweilen recht anſtoͤßig dadurch wird. Jn Bezeichnung der Charaktere iſt er der Natur getreu, wiewol er ſie nicht aus der heroiſchen, ſondern mehr aus der gemeinen Natur nihmt. Er zeichnet aber meiſterhaft und mit weni- gen Zuͤgen. Die Reden der Perſonen, wenn man an einigen Orten ſeine uͤbertriebene Liebe zu Sitten- ſpruͤchen ausnimmt, ſind insgemein hoͤchſt natuͤrlich, den Sachen, Umſtaͤnden und Perſonen ſehr ange- meſſen. Er zeiget darin eine recht große Beredſam- keit, das Schicklichſte auf die beſte, und oft nach- druͤklichſte Weiſe zu ſagen. Jch kann mich nicht enthalten nur eine Probe hievon zu geben. Als Herkules von der Wuth, darin er ſeine Kinder um- gebracht hat, wieder zu ſich ſelbſt gekommen, und voll ſchwarzen Grams ſich verlauten laͤßt, daß er ſich ſelbſt umbringen wolle, ſagt Theſeus zu ihm: Du redeſt wie einer aus dem Poͤbel. Sagt dieſes Herkules, der ſchon ſo viel uͤberſtanden hat, der Wolthaͤter der Menſchen und ihr groͤßter Freund? (*) Athen. L. II. Jn der Mechanik der Trauerſpiele hat Euripides ſehr viel weniger Einfalt als Aeſchylus und Sopho- kles. Es iſt insgemein viel Mannigfaltigkeit und Verwiklung in den Vorfaͤllen. Die genaueſte Beob- achtung der Einheit in Anſehung der Zeit und des Orts hat er nicht ſo hoch geachtet, als die andern, deswegen iſt auch nicht alles von ſo großer Wahr- ſcheinlichkeit. Jn ſeiner Andromache geht Oreſtes von Phthia nach Delphi, bringt daſelbſt den Neo- ptolem um, und ein Bote kommt daher wieder nach Phthia, es zu ſagen. Dies alles geſchieht in der Zeit, da der Chor wenige Strophen ſingt. Eben ſo wenig ſtreng iſt er in Beobachtung des Ueblichen oder des Coſtume. Er laͤßt in dem Hippolytus die Hofmeiſterin der Phaͤdra ſagen: Es ſey nichts voll- Y y 3

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 1. Leipzig, 1771, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie01_1771/369>, abgerufen am 22.11.2024.