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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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Mos
an dem Brustschild des obersten Priesters der Jßrae-
liten ein sehr altes Beyspiel haben. Nachdem die
Pracht auch in die Gebäude gekommen, wird man
die Wände, die Deken und Fußböden der Zimmer
mit bunten Steinen ausgelegt haben. Mit der Zeit
verfeinerte man diese Arbeit, und man versuchte
auch, Blumen und andre natürliche Gegenstände
durch dieselbe nachzuahmen, und so entstund all-
mählig die Kunst der mosaischen Mahlerey, die her-
nach durch Erfindung des gefärbten Glases vollkom-
mener geworden.

Wie dem sey, so ist doch dieses gewiß, daß nicht
nur die alten morgenländischen Völker, sondern auch
die Griechen, und nach ihnen die Römer, vielerley
Werke dieser Art verfertiget haben. Unter den Ueber-
bleibseln des Alterthums besizet die heutige Welt
noch verschiedene mosaische Werke von mancherley
Art, davon einige noch etwas rohe, andere eine
schon auf das höchste gestiegene Kunst anzeigen. (+)
Zu diesen leztern rechne ich einen Stein, oder viel-
mehr eine antike Paste, die mir der izige Besizer
derselben, Hr. Casanova in Dreßden gezeiget, und
deren auch Winkelmann gedenkt. (++) Das Werk ist
aus durchsichtigen Glasstüken zusammengesezt, zeiget
aber nicht die geringste Spuhr von Fugen, sondern
die Stüke sind an einander geschmolzen, und mit
so feiner Kunst, daß man es für ein Werk des fei-
nesten Pensels halten würde, wenn nicht die Durch-
sichtigkeit des Glases die Gattung der Arbeit deut-
lich zeigte.

Ob man also gleich aus dem Alterthum sonst keine
mosaischen Gemählde vorzeigen kann, die denen, die
gegenwärtig in Rom verfertiget werden, nur einiger-
maaßen zu vergleichen wären, so beweiset jene Paste
schon hinlänglich, wie hoch die Kunst in diesem Stük
bey den Alten gestiegen sey. Sonst sind die meisten
antiken mosaischen Arbeiten aus vierekigten Stüken
noch etwas nachläßig zusammengesezt, so daß merk-
liche Fugen zu sehen sind. Gegenwärtig ist diese
Kunst in Rom zu einer bewundrungswürdigen Höhe
gestiegen. Die rühmliche Begierde die in der Pe-
terskirch befindlichen erhabenen Werke des Pensels
eines Raphaels und andrer großen Meister, vor
dem Untergang, der unvermeidlich schien, zu retten,
hat das Genie ermuntert diese Mahlerey zu ver-
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Mos
vollkommnen. Es ist ihm auch so gelungen, daß
gegenwärtig eine große Anzahl fürtreflicher alter
Blätter, auf das Vollkommenste nach den Original-
gemählden mosaisch copirt in der Peterskirche stehen,
und nun so lang, als dieses bewundrungswürdige
Gebäude selbst stehen wird, immer so frisch und so
neu, wie sie aus den Händen der Künstler gekom-
men, bleiben werden.

Es scheinet, daß etwas von dem mechanischen der
Kunst sich noch aus dem Alterthum bis auf die mitt-
lern Zeiten fortgepflanzt habe. Gegen Ende des
XIII Jahrhunderts soll Andreas Tassi die mosaische
Arbeit wieder in Schwung gebracht haben. Er
selbst hat sie von einem Griechen, Namens Apollonius
gelernt, welcher in der Marcuskirche zu Venedig ar-
beitete. Aber alles, was man von jener Zeit an, bis
auf die erstern Jahre des gegenwärtigen Jahrhun-
derts in dieser Art gemacht hat, kommt gegen die
neuern Arbeiten der römischen Mosaikschule in keine
Betrachtung. Man hat izt nicht nur gar alle Haupt-
farben, sondern auch alle möglichen Mittelfarben in
Glase, und die Glasstükchen, woraus man die Ge-
mählde zusammensezet, werden so fein gemacht, und
so gut an einander gefuget, daß das Gemählde,
nachdem die ganze Tafel abgeschliffen und polirt wor-
den, in Harmonie und Haltung ein würkliches Werk
eines guten Pensels zu seyn scheinet.

"Die Verbesserung und Vollkommenheit dieser
unvergleichlichen Kunst hat man dem Cavalier Peter
Paul von Cristophoris
einem Sohn des Fabius in
Rom zu verdanken, welcher gegen den Anfang dieses
iztlaufenden Jahrhunderts eine mosaische Schule an-
gelegt, und viele große Schüler gezogen hat. Da-
runter sind Brughio, Conti, Conei, Fattori, Goßone,
Octaviano
und andere, die vornehmsten, welche --
die Kunst bis heute fortgepflanzt haben. Um das
Jahr 1730 hatten sie noch kein hochrothes mosai-
sches Glas, bis eben damals Alexis Mathioli so
glüklich war, das Geheimnis dieser geschmolzenen
Composition zu erfinden." (*)

Aber der erstaunliche Aufwand, den diese Kunst
erfodert, wird ihrer Ausarbeitung immer sehr enge
Schranken sezen. Bis izt wird sie, so viel mir be-
kannt ist, nur in Rom, meistentheils auf öffentli-

che
(+) S. Winkelmans Geschichte der Kunst, S. 406. 407.
und die Anmerkung über dieses Werk, S. 103. und 122.
(++) S. Anmerkungen über die Geschichte der Kunst,
S. 5 und 6.
(*) S.
Köremon
an den an-
gezogenen
Orte.
Zweyter Theil. D d d d d

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Moſ
an dem Bruſtſchild des oberſten Prieſters der Jßrae-
liten ein ſehr altes Beyſpiel haben. Nachdem die
Pracht auch in die Gebaͤude gekommen, wird man
die Waͤnde, die Deken und Fußboͤden der Zimmer
mit bunten Steinen ausgelegt haben. Mit der Zeit
verfeinerte man dieſe Arbeit, und man verſuchte
auch, Blumen und andre natuͤrliche Gegenſtaͤnde
durch dieſelbe nachzuahmen, und ſo entſtund all-
maͤhlig die Kunſt der moſaiſchen Mahlerey, die her-
nach durch Erfindung des gefaͤrbten Glaſes vollkom-
mener geworden.

Wie dem ſey, ſo iſt doch dieſes gewiß, daß nicht
nur die alten morgenlaͤndiſchen Voͤlker, ſondern auch
die Griechen, und nach ihnen die Roͤmer, vielerley
Werke dieſer Art verfertiget haben. Unter den Ueber-
bleibſeln des Alterthums beſizet die heutige Welt
noch verſchiedene moſaiſche Werke von mancherley
Art, davon einige noch etwas rohe, andere eine
ſchon auf das hoͤchſte geſtiegene Kunſt anzeigen. (†)
Zu dieſen leztern rechne ich einen Stein, oder viel-
mehr eine antike Paſte, die mir der izige Beſizer
derſelben, Hr. Caſanova in Dreßden gezeiget, und
deren auch Winkelmann gedenkt. (††) Das Werk iſt
aus durchſichtigen Glasſtuͤken zuſammengeſezt, zeiget
aber nicht die geringſte Spuhr von Fugen, ſondern
die Stuͤke ſind an einander geſchmolzen, und mit
ſo feiner Kunſt, daß man es fuͤr ein Werk des fei-
neſten Penſels halten wuͤrde, wenn nicht die Durch-
ſichtigkeit des Glaſes die Gattung der Arbeit deut-
lich zeigte.

Ob man alſo gleich aus dem Alterthum ſonſt keine
moſaiſchen Gemaͤhlde vorzeigen kann, die denen, die
gegenwaͤrtig in Rom verfertiget werden, nur einiger-
maaßen zu vergleichen waͤren, ſo beweiſet jene Paſte
ſchon hinlaͤnglich, wie hoch die Kunſt in dieſem Stuͤk
bey den Alten geſtiegen ſey. Sonſt ſind die meiſten
antiken moſaiſchen Arbeiten aus vierekigten Stuͤken
noch etwas nachlaͤßig zuſammengeſezt, ſo daß merk-
liche Fugen zu ſehen ſind. Gegenwaͤrtig iſt dieſe
Kunſt in Rom zu einer bewundrungswuͤrdigen Hoͤhe
geſtiegen. Die ruͤhmliche Begierde die in der Pe-
terskirch befindlichen erhabenen Werke des Penſels
eines Raphaels und andrer großen Meiſter, vor
dem Untergang, der unvermeidlich ſchien, zu retten,
hat das Genie ermuntert dieſe Mahlerey zu ver-
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Moſ
vollkommnen. Es iſt ihm auch ſo gelungen, daß
gegenwaͤrtig eine große Anzahl fuͤrtreflicher alter
Blaͤtter, auf das Vollkommenſte nach den Original-
gemaͤhlden moſaiſch copirt in der Peterskirche ſtehen,
und nun ſo lang, als dieſes bewundrungswuͤrdige
Gebaͤude ſelbſt ſtehen wird, immer ſo friſch und ſo
neu, wie ſie aus den Haͤnden der Kuͤnſtler gekom-
men, bleiben werden.

Es ſcheinet, daß etwas von dem mechaniſchen der
Kunſt ſich noch aus dem Alterthum bis auf die mitt-
lern Zeiten fortgepflanzt habe. Gegen Ende des
XIII Jahrhunderts ſoll Andreas Taſſi die moſaiſche
Arbeit wieder in Schwung gebracht haben. Er
ſelbſt hat ſie von einem Griechen, Namens Apollonius
gelernt, welcher in der Marcuskirche zu Venedig ar-
beitete. Aber alles, was man von jener Zeit an, bis
auf die erſtern Jahre des gegenwaͤrtigen Jahrhun-
derts in dieſer Art gemacht hat, kommt gegen die
neuern Arbeiten der roͤmiſchen Moſaikſchule in keine
Betrachtung. Man hat izt nicht nur gar alle Haupt-
farben, ſondern auch alle moͤglichen Mittelfarben in
Glaſe, und die Glasſtuͤkchen, woraus man die Ge-
maͤhlde zuſammenſezet, werden ſo fein gemacht, und
ſo gut an einander gefuget, daß das Gemaͤhlde,
nachdem die ganze Tafel abgeſchliffen und polirt wor-
den, in Harmonie und Haltung ein wuͤrkliches Werk
eines guten Penſels zu ſeyn ſcheinet.

„Die Verbeſſerung und Vollkommenheit dieſer
unvergleichlichen Kunſt hat man dem Cavalier Peter
Paul von Criſtophoris
einem Sohn des Fabius in
Rom zu verdanken, welcher gegen den Anfang dieſes
iztlaufenden Jahrhunderts eine moſaiſche Schule an-
gelegt, und viele große Schuͤler gezogen hat. Da-
runter ſind Brughio, Conti, Conei, Fattori, Goßone,
Octaviano
und andere, die vornehmſten, welche —
die Kunſt bis heute fortgepflanzt haben. Um das
Jahr 1730 hatten ſie noch kein hochrothes moſai-
ſches Glas, bis eben damals Alexis Mathioli ſo
gluͤklich war, das Geheimnis dieſer geſchmolzenen
Compoſition zu erfinden.„ (*)

Aber der erſtaunliche Aufwand, den dieſe Kunſt
erfodert, wird ihrer Ausarbeitung immer ſehr enge
Schranken ſezen. Bis izt wird ſie, ſo viel mir be-
kannt iſt, nur in Rom, meiſtentheils auf oͤffentli-

che
(†) S. Winkelmans Geſchichte der Kunſt, S. 406. 407.
und die Anmerkung uͤber dieſes Werk, S. 103. und 122.
(††) S. Anmerkungen uͤber die Geſchichte der Kunſt,
S. 5 und 6.
(*) S.
Koͤremon
an den an-
gezogenen
Orte.
Zweyter Theil. D d d d d
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[779[761]/0196] Moſ Moſ an dem Bruſtſchild des oberſten Prieſters der Jßrae- liten ein ſehr altes Beyſpiel haben. Nachdem die Pracht auch in die Gebaͤude gekommen, wird man die Waͤnde, die Deken und Fußboͤden der Zimmer mit bunten Steinen ausgelegt haben. Mit der Zeit verfeinerte man dieſe Arbeit, und man verſuchte auch, Blumen und andre natuͤrliche Gegenſtaͤnde durch dieſelbe nachzuahmen, und ſo entſtund all- maͤhlig die Kunſt der moſaiſchen Mahlerey, die her- nach durch Erfindung des gefaͤrbten Glaſes vollkom- mener geworden. Wie dem ſey, ſo iſt doch dieſes gewiß, daß nicht nur die alten morgenlaͤndiſchen Voͤlker, ſondern auch die Griechen, und nach ihnen die Roͤmer, vielerley Werke dieſer Art verfertiget haben. Unter den Ueber- bleibſeln des Alterthums beſizet die heutige Welt noch verſchiedene moſaiſche Werke von mancherley Art, davon einige noch etwas rohe, andere eine ſchon auf das hoͤchſte geſtiegene Kunſt anzeigen. (†) Zu dieſen leztern rechne ich einen Stein, oder viel- mehr eine antike Paſte, die mir der izige Beſizer derſelben, Hr. Caſanova in Dreßden gezeiget, und deren auch Winkelmann gedenkt. (††) Das Werk iſt aus durchſichtigen Glasſtuͤken zuſammengeſezt, zeiget aber nicht die geringſte Spuhr von Fugen, ſondern die Stuͤke ſind an einander geſchmolzen, und mit ſo feiner Kunſt, daß man es fuͤr ein Werk des fei- neſten Penſels halten wuͤrde, wenn nicht die Durch- ſichtigkeit des Glaſes die Gattung der Arbeit deut- lich zeigte. Ob man alſo gleich aus dem Alterthum ſonſt keine moſaiſchen Gemaͤhlde vorzeigen kann, die denen, die gegenwaͤrtig in Rom verfertiget werden, nur einiger- maaßen zu vergleichen waͤren, ſo beweiſet jene Paſte ſchon hinlaͤnglich, wie hoch die Kunſt in dieſem Stuͤk bey den Alten geſtiegen ſey. Sonſt ſind die meiſten antiken moſaiſchen Arbeiten aus vierekigten Stuͤken noch etwas nachlaͤßig zuſammengeſezt, ſo daß merk- liche Fugen zu ſehen ſind. Gegenwaͤrtig iſt dieſe Kunſt in Rom zu einer bewundrungswuͤrdigen Hoͤhe geſtiegen. Die ruͤhmliche Begierde die in der Pe- terskirch befindlichen erhabenen Werke des Penſels eines Raphaels und andrer großen Meiſter, vor dem Untergang, der unvermeidlich ſchien, zu retten, hat das Genie ermuntert dieſe Mahlerey zu ver- vollkommnen. Es iſt ihm auch ſo gelungen, daß gegenwaͤrtig eine große Anzahl fuͤrtreflicher alter Blaͤtter, auf das Vollkommenſte nach den Original- gemaͤhlden moſaiſch copirt in der Peterskirche ſtehen, und nun ſo lang, als dieſes bewundrungswuͤrdige Gebaͤude ſelbſt ſtehen wird, immer ſo friſch und ſo neu, wie ſie aus den Haͤnden der Kuͤnſtler gekom- men, bleiben werden. Es ſcheinet, daß etwas von dem mechaniſchen der Kunſt ſich noch aus dem Alterthum bis auf die mitt- lern Zeiten fortgepflanzt habe. Gegen Ende des XIII Jahrhunderts ſoll Andreas Taſſi die moſaiſche Arbeit wieder in Schwung gebracht haben. Er ſelbſt hat ſie von einem Griechen, Namens Apollonius gelernt, welcher in der Marcuskirche zu Venedig ar- beitete. Aber alles, was man von jener Zeit an, bis auf die erſtern Jahre des gegenwaͤrtigen Jahrhun- derts in dieſer Art gemacht hat, kommt gegen die neuern Arbeiten der roͤmiſchen Moſaikſchule in keine Betrachtung. Man hat izt nicht nur gar alle Haupt- farben, ſondern auch alle moͤglichen Mittelfarben in Glaſe, und die Glasſtuͤkchen, woraus man die Ge- maͤhlde zuſammenſezet, werden ſo fein gemacht, und ſo gut an einander gefuget, daß das Gemaͤhlde, nachdem die ganze Tafel abgeſchliffen und polirt wor- den, in Harmonie und Haltung ein wuͤrkliches Werk eines guten Penſels zu ſeyn ſcheinet. „Die Verbeſſerung und Vollkommenheit dieſer unvergleichlichen Kunſt hat man dem Cavalier Peter Paul von Criſtophoris einem Sohn des Fabius in Rom zu verdanken, welcher gegen den Anfang dieſes iztlaufenden Jahrhunderts eine moſaiſche Schule an- gelegt, und viele große Schuͤler gezogen hat. Da- runter ſind Brughio, Conti, Conei, Fattori, Goßone, Octaviano und andere, die vornehmſten, welche — die Kunſt bis heute fortgepflanzt haben. Um das Jahr 1730 hatten ſie noch kein hochrothes moſai- ſches Glas, bis eben damals Alexis Mathioli ſo gluͤklich war, das Geheimnis dieſer geſchmolzenen Compoſition zu erfinden.„ (*) Aber der erſtaunliche Aufwand, den dieſe Kunſt erfodert, wird ihrer Ausarbeitung immer ſehr enge Schranken ſezen. Bis izt wird ſie, ſo viel mir be- kannt iſt, nur in Rom, meiſtentheils auf oͤffentli- che (†) S. Winkelmans Geſchichte der Kunſt, S. 406. 407. und die Anmerkung uͤber dieſes Werk, S. 103. und 122. (††) S. Anmerkungen uͤber die Geſchichte der Kunſt, S. 5 und 6. (*) S. Koͤremon an den an- gezogenen Orte. Zweyter Theil. D d d d d

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 779[761]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/196>, abgerufen am 21.11.2024.