Etwas, das der römischen Säulenordnung eigen ist. Nachdem die zeichnenden Künste in Rom die Liebha- berey der Großen geworden war, und eine Menge griechischer Künstler sich dahin begeben hatten, mag es einem griechischen Baumeister eingefallen seyn, aus Schmeicheley gegen die Römer die neue Säu- lenordnung einzuführen, die man izt die römische, oder zusammengesezte nennt; weil der Knauf der Säule aus dem jonischen und corinthischen zusam- mengesezt ist. Er hat die Höhe des corinthischen, und seine drey Reyhen Blätter; aber die Schneken oder Voluten sind von dem jonischen Knauf gebor- get. Wenn diese Ordnung aufgekommen sey, ist unbekannt. Die römischen Gebäude, wo sie ange- bracht ist, sind alle späther als Augustus und Tibe- rius. Doch scheinet es, daß Vitruvius schon da- von gesprochen habe, wenn er am Ende seiner Be- schreibung der corinthischen Säule sagt; man seze auch einen andern Knauf darauf, der dieselbe Höhe habe. (*) Wir haben diese Ordnung schon anderswo näher beschrieben. (**)
Römische Schule. (Zeichnende Künste.)
Die römische Schule ist nicht nur die älteste, son- dern auch die wichtigste aller Schulen der zeichnen- den Künste. Nicht, daß der römische Boden etwas vorzügliches zur Bildung des Genies und Geschmaks beytrage; denn die wahren Ursachen liegen am Tage. Rom besizt den größten Schaz der Antiken, hat schon ehe der helle Tag der erneuerten Künste wieder in vollem Licht angebrochen war, als die Hauptstadt der Christenheit, die größte Menge der Künstler, und die größten Aufmunterungen gehabt; also mußten unter der Menge der Künstler, die nur durch das Unglük der Zeiten schlecht, durch ihr Genie aber groß waren, nothwendig sich solche finden, die durch den hohen Werth der alten Kunstwerke gerührt, sich nach denselben bildeten. Freylich ist es zufällig, daß Raphael das größte Genie unter den Künstlern neuerer Zeiten, sich unter diesen befand. Er fühlte die ganze Vollkommenheit der alten Kunst, und sein unermüdetes Bestreben, sie zu erreichen, glükte ihm mehr, wie jedem andern, und seinen Nachfolgern mehr, als denen, die auf die Häupter anderer Schu- len gefolget sind.
[Spaltenumbruch]
Rom
Die römische Schule thut sich, durch die Theile der Kunst, darin Rom die größten Meister hatte, hervor: durch das Große im Geschmak, und in dem Ausdruk, durch die erhöhete Gattung des Schö- nen, durch die Richtigkeit in der Zeichnung. Jn keinem andern Theile der Kunst hatte Rom Vor- züge. Man muß den Anfang der römischen Schule von Peter Perugino, der 1446 gebohren wurd, machen. Denn er steht gerade am Anbruche des Tages der Kunst, und war Naphaels Lehrmeisten. Ciro Ferri und Carl Maratti, der erst 1713 gestor- ben ist, müssen als die lezten großen Meister dieser Schule angesehen werden.
Romanhaft. (Redende Künste.)
Man nennt eigentlich dasjenige so, was in dem Jnhalt, Ton oder Ausdruk den Charakter hat, der in den ehemaligen Romanen herrschend war, wie das Abentheuerliche, verstiegene in Handlungen, in Begebenheiten und in den Empfindungen. Das Natürliche ist ohngefehr gerade das Entgegengesezte des Romanhaften.
Da sich in unsern Zeiten der Charakter der Ro- mane selbst dem natürlichen Charakter der wahren Geschichte immer mehr nähert, und unsre Schrift- steller es sich immer mehr zur Regel machen, ihren Geschmak nach den Alten zu bilden, die sich, wenig- stens in den schönen Zeiten des Geschmaks, noch nicht ins Romanhafte verstiegen hatten; so ist auch zu erwarten, daß es sich allmählig unter uns gänz- lich verliehren werde; es sey denn, daß man es zum Scherz in der poßirlichen Art beybehalte.
Romanze. (Dichtkunst.)
Ursprünglich bedeutet das Wort eben das, was wir izt durch Roman verstehen. Es kommt von der Romanschen, oder verdorbenen lateinischen Sprach her, in welcher die provenzalischen Poeten zuerst ge- schrieben haben. Sie sind zwar nicht die Erfinder der Romanzen, die in Spanien, England und an- dern Ländern schon vor diesen Dichtern bekannt ge- nug gewesen, nur diesen Namen der Sache haben sie veranlasset.
Gegenwärtig giebt man den Namen Romanze klei- nen erzählenden Liedern, in dem höchst naiven und etwas altväterischen Ton der alten gereimten Ro-
manzen.
(*)Vitruv. L. IV. c. 1.
(**) S. Ordnung; Säulen- ordnung.
[Spaltenumbruch]
Roͤm
Roͤmiſch. (Baukunſt.)
Etwas, das der roͤmiſchen Saͤulenordnung eigen iſt. Nachdem die zeichnenden Kuͤnſte in Rom die Liebha- berey der Großen geworden war, und eine Menge griechiſcher Kuͤnſtler ſich dahin begeben hatten, mag es einem griechiſchen Baumeiſter eingefallen ſeyn, aus Schmeicheley gegen die Roͤmer die neue Saͤu- lenordnung einzufuͤhren, die man izt die roͤmiſche, oder zuſammengeſezte nennt; weil der Knauf der Saͤule aus dem joniſchen und corinthiſchen zuſam- mengeſezt iſt. Er hat die Hoͤhe des corinthiſchen, und ſeine drey Reyhen Blaͤtter; aber die Schneken oder Voluten ſind von dem joniſchen Knauf gebor- get. Wenn dieſe Ordnung aufgekommen ſey, iſt unbekannt. Die roͤmiſchen Gebaͤude, wo ſie ange- bracht iſt, ſind alle ſpaͤther als Auguſtus und Tibe- rius. Doch ſcheinet es, daß Vitruvius ſchon da- von geſprochen habe, wenn er am Ende ſeiner Be- ſchreibung der corinthiſchen Saͤule ſagt; man ſeze auch einen andern Knauf darauf, der dieſelbe Hoͤhe habe. (*) Wir haben dieſe Ordnung ſchon anderswo naͤher beſchrieben. (**)
Roͤmiſche Schule. (Zeichnende Kuͤnſte.)
Die roͤmiſche Schule iſt nicht nur die aͤlteſte, ſon- dern auch die wichtigſte aller Schulen der zeichnen- den Kuͤnſte. Nicht, daß der roͤmiſche Boden etwas vorzuͤgliches zur Bildung des Genies und Geſchmaks beytrage; denn die wahren Urſachen liegen am Tage. Rom beſizt den groͤßten Schaz der Antiken, hat ſchon ehe der helle Tag der erneuerten Kuͤnſte wieder in vollem Licht angebrochen war, als die Hauptſtadt der Chriſtenheit, die groͤßte Menge der Kuͤnſtler, und die groͤßten Aufmunterungen gehabt; alſo mußten unter der Menge der Kuͤnſtler, die nur durch das Ungluͤk der Zeiten ſchlecht, durch ihr Genie aber groß waren, nothwendig ſich ſolche finden, die durch den hohen Werth der alten Kunſtwerke geruͤhrt, ſich nach denſelben bildeten. Freylich iſt es zufaͤllig, daß Raphael das groͤßte Genie unter den Kuͤnſtlern neuerer Zeiten, ſich unter dieſen befand. Er fuͤhlte die ganze Vollkommenheit der alten Kunſt, und ſein unermuͤdetes Beſtreben, ſie zu erreichen, gluͤkte ihm mehr, wie jedem andern, und ſeinen Nachfolgern mehr, als denen, die auf die Haͤupter anderer Schu- len gefolget ſind.
[Spaltenumbruch]
Rom
Die roͤmiſche Schule thut ſich, durch die Theile der Kunſt, darin Rom die groͤßten Meiſter hatte, hervor: durch das Große im Geſchmak, und in dem Ausdruk, durch die erhoͤhete Gattung des Schoͤ- nen, durch die Richtigkeit in der Zeichnung. Jn keinem andern Theile der Kunſt hatte Rom Vor- zuͤge. Man muß den Anfang der roͤmiſchen Schule von Peter Perugino, der 1446 gebohren wurd, machen. Denn er ſteht gerade am Anbruche des Tages der Kunſt, und war Naphaels Lehrmeiſten. Ciro Ferri und Carl Maratti, der erſt 1713 geſtor- ben iſt, muͤſſen als die lezten großen Meiſter dieſer Schule angeſehen werden.
Romanhaft. (Redende Kuͤnſte.)
Man nennt eigentlich dasjenige ſo, was in dem Jnhalt, Ton oder Ausdruk den Charakter hat, der in den ehemaligen Romanen herrſchend war, wie das Abentheuerliche, verſtiegene in Handlungen, in Begebenheiten und in den Empfindungen. Das Natuͤrliche iſt ohngefehr gerade das Entgegengeſezte des Romanhaften.
Da ſich in unſern Zeiten der Charakter der Ro- mane ſelbſt dem natuͤrlichen Charakter der wahren Geſchichte immer mehr naͤhert, und unſre Schrift- ſteller es ſich immer mehr zur Regel machen, ihren Geſchmak nach den Alten zu bilden, die ſich, wenig- ſtens in den ſchoͤnen Zeiten des Geſchmaks, noch nicht ins Romanhafte verſtiegen hatten; ſo iſt auch zu erwarten, daß es ſich allmaͤhlig unter uns gaͤnz- lich verliehren werde; es ſey denn, daß man es zum Scherz in der poßirlichen Art beybehalte.
Romanze. (Dichtkunſt.)
Urſpruͤnglich bedeutet das Wort eben das, was wir izt durch Roman verſtehen. Es kommt von der Romanſchen, oder verdorbenen lateiniſchen Sprach her, in welcher die provenzaliſchen Poeten zuerſt ge- ſchrieben haben. Sie ſind zwar nicht die Erfinder der Romanzen, die in Spanien, England und an- dern Laͤndern ſchon vor dieſen Dichtern bekannt ge- nug geweſen, nur dieſen Namen der Sache haben ſie veranlaſſet.
Gegenwaͤrtig giebt man den Namen Romanze klei- nen erzaͤhlenden Liedern, in dem hoͤchſt naiven und etwas altvaͤteriſchen Ton der alten gereimten Ro-
manzen.
(*)Vitruv. L. IV. c. 1.
(**) S. Ordnung; Saͤulen- ordnung.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0417"n="988[970]"/><cb/></div><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Roͤm</hi></fw><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Roͤmiſch.</hi></hi><lb/>
(Baukunſt.)</head><lb/><p><hirendition="#in">E</hi>twas, das der roͤmiſchen Saͤulenordnung eigen iſt.<lb/>
Nachdem die zeichnenden Kuͤnſte in Rom die Liebha-<lb/>
berey der Großen geworden war, und eine Menge<lb/>
griechiſcher Kuͤnſtler ſich dahin begeben hatten, mag<lb/>
es einem griechiſchen Baumeiſter eingefallen ſeyn,<lb/>
aus Schmeicheley gegen die Roͤmer die neue Saͤu-<lb/>
lenordnung einzufuͤhren, die man izt die <hirendition="#fr">roͤmiſche,</hi><lb/>
oder <hirendition="#fr">zuſammengeſezte</hi> nennt; weil der Knauf der<lb/>
Saͤule aus dem joniſchen und corinthiſchen zuſam-<lb/>
mengeſezt iſt. Er hat die Hoͤhe des corinthiſchen,<lb/>
und ſeine drey Reyhen Blaͤtter; aber die Schneken<lb/>
oder Voluten ſind von dem joniſchen Knauf gebor-<lb/>
get. Wenn dieſe Ordnung aufgekommen ſey, iſt<lb/>
unbekannt. Die roͤmiſchen Gebaͤude, wo ſie ange-<lb/>
bracht iſt, ſind alle ſpaͤther als Auguſtus und Tibe-<lb/>
rius. Doch ſcheinet es, daß Vitruvius ſchon da-<lb/>
von geſprochen habe, wenn er am Ende ſeiner Be-<lb/>ſchreibung der corinthiſchen Saͤule ſagt; man ſeze<lb/>
auch einen andern Knauf darauf, der dieſelbe Hoͤhe<lb/>
habe. <noteplace="foot"n="(*)"><hirendition="#aq">Vitruv.<lb/>
L. IV. c.</hi> 1.</note> Wir haben dieſe Ordnung ſchon anderswo<lb/>
naͤher beſchrieben. <noteplace="foot"n="(**)">S.<lb/>
Ordnung;<lb/>
Saͤulen-<lb/>
ordnung.</note></p></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Roͤmiſche Schule.</hi></hi><lb/>
(Zeichnende Kuͤnſte.)</head><lb/><p><hirendition="#in">D</hi>ie roͤmiſche Schule iſt nicht nur die aͤlteſte, ſon-<lb/>
dern auch die wichtigſte aller Schulen der zeichnen-<lb/>
den Kuͤnſte. Nicht, daß der roͤmiſche Boden etwas<lb/>
vorzuͤgliches zur Bildung des Genies und Geſchmaks<lb/>
beytrage; denn die wahren Urſachen liegen am Tage.<lb/>
Rom beſizt den groͤßten Schaz der Antiken, hat ſchon<lb/>
ehe der helle Tag der erneuerten Kuͤnſte wieder in<lb/>
vollem Licht angebrochen war, als die Hauptſtadt<lb/>
der Chriſtenheit, die groͤßte Menge der Kuͤnſtler, und<lb/>
die groͤßten Aufmunterungen gehabt; alſo mußten<lb/>
unter der Menge der Kuͤnſtler, die nur durch das<lb/>
Ungluͤk der Zeiten ſchlecht, durch ihr Genie aber groß<lb/>
waren, nothwendig ſich ſolche finden, die durch den<lb/>
hohen Werth der alten Kunſtwerke geruͤhrt, ſich nach<lb/>
denſelben bildeten. Freylich iſt es zufaͤllig, daß<lb/>
Raphael das groͤßte Genie unter den Kuͤnſtlern<lb/>
neuerer Zeiten, ſich unter dieſen befand. Er fuͤhlte<lb/>
die ganze Vollkommenheit der alten Kunſt, und ſein<lb/>
unermuͤdetes Beſtreben, ſie zu erreichen, gluͤkte ihm<lb/>
mehr, wie jedem andern, und ſeinen Nachfolgern<lb/>
mehr, als denen, die auf die Haͤupter anderer Schu-<lb/>
len gefolget ſind.</p><lb/><cb/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Rom</hi></fw><lb/><p>Die roͤmiſche Schule thut ſich, durch die Theile<lb/>
der Kunſt, darin Rom die groͤßten Meiſter hatte,<lb/>
hervor: durch das Große im Geſchmak, und in<lb/>
dem Ausdruk, durch die erhoͤhete Gattung des Schoͤ-<lb/>
nen, durch die Richtigkeit in der Zeichnung. Jn<lb/>
keinem andern Theile der Kunſt hatte Rom Vor-<lb/>
zuͤge. Man muß den Anfang der roͤmiſchen Schule<lb/>
von <hirendition="#fr">Peter Perugino,</hi> der 1446 gebohren wurd,<lb/>
machen. Denn er ſteht gerade am Anbruche des<lb/>
Tages der Kunſt, und war Naphaels Lehrmeiſten.<lb/><hirendition="#fr">Ciro Ferri</hi> und <hirendition="#fr">Carl Maratti,</hi> der erſt 1713 geſtor-<lb/>
ben iſt, muͤſſen als die lezten großen Meiſter dieſer<lb/>
Schule angeſehen werden.</p></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Romanhaft.</hi></hi><lb/>
(Redende Kuͤnſte.)</head><lb/><p><hirendition="#in">M</hi>an nennt eigentlich dasjenige ſo, was in dem<lb/>
Jnhalt, Ton oder Ausdruk den Charakter hat, der<lb/>
in den ehemaligen Romanen herrſchend war, wie<lb/>
das Abentheuerliche, verſtiegene in Handlungen, in<lb/>
Begebenheiten und in den Empfindungen. Das<lb/>
Natuͤrliche iſt ohngefehr gerade das Entgegengeſezte<lb/>
des Romanhaften.</p><lb/><p>Da ſich in unſern Zeiten der Charakter der Ro-<lb/>
mane ſelbſt dem natuͤrlichen Charakter der wahren<lb/>
Geſchichte immer mehr naͤhert, und unſre Schrift-<lb/>ſteller es ſich immer mehr zur Regel machen, ihren<lb/>
Geſchmak nach den Alten zu bilden, die ſich, wenig-<lb/>ſtens in den ſchoͤnen Zeiten des Geſchmaks, noch<lb/>
nicht ins Romanhafte verſtiegen hatten; ſo iſt auch<lb/>
zu erwarten, daß es ſich allmaͤhlig unter uns gaͤnz-<lb/>
lich verliehren werde; es ſey denn, daß man es zum<lb/>
Scherz in der poßirlichen Art beybehalte.</p></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Romanze.</hi></hi><lb/>
(Dichtkunſt.)</head><lb/><p><hirendition="#in">U</hi>rſpruͤnglich bedeutet das Wort eben das, was<lb/>
wir izt durch <hirendition="#fr">Roman</hi> verſtehen. Es kommt von der<lb/><hirendition="#fr">Romanſchen,</hi> oder verdorbenen lateiniſchen Sprach<lb/>
her, in welcher die provenzaliſchen Poeten zuerſt ge-<lb/>ſchrieben haben. Sie ſind zwar nicht die Erfinder<lb/>
der Romanzen, die in Spanien, England und an-<lb/>
dern Laͤndern ſchon vor dieſen Dichtern bekannt ge-<lb/>
nug geweſen, nur dieſen Namen der Sache haben<lb/>ſie veranlaſſet.</p><lb/><p>Gegenwaͤrtig giebt man den Namen Romanze klei-<lb/>
nen erzaͤhlenden Liedern, in dem hoͤchſt naiven und<lb/>
etwas altvaͤteriſchen Ton der alten gereimten Ro-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">manzen.</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[988[970]/0417]
Roͤm
Rom
Roͤmiſch.
(Baukunſt.)
Etwas, das der roͤmiſchen Saͤulenordnung eigen iſt.
Nachdem die zeichnenden Kuͤnſte in Rom die Liebha-
berey der Großen geworden war, und eine Menge
griechiſcher Kuͤnſtler ſich dahin begeben hatten, mag
es einem griechiſchen Baumeiſter eingefallen ſeyn,
aus Schmeicheley gegen die Roͤmer die neue Saͤu-
lenordnung einzufuͤhren, die man izt die roͤmiſche,
oder zuſammengeſezte nennt; weil der Knauf der
Saͤule aus dem joniſchen und corinthiſchen zuſam-
mengeſezt iſt. Er hat die Hoͤhe des corinthiſchen,
und ſeine drey Reyhen Blaͤtter; aber die Schneken
oder Voluten ſind von dem joniſchen Knauf gebor-
get. Wenn dieſe Ordnung aufgekommen ſey, iſt
unbekannt. Die roͤmiſchen Gebaͤude, wo ſie ange-
bracht iſt, ſind alle ſpaͤther als Auguſtus und Tibe-
rius. Doch ſcheinet es, daß Vitruvius ſchon da-
von geſprochen habe, wenn er am Ende ſeiner Be-
ſchreibung der corinthiſchen Saͤule ſagt; man ſeze
auch einen andern Knauf darauf, der dieſelbe Hoͤhe
habe. (*) Wir haben dieſe Ordnung ſchon anderswo
naͤher beſchrieben. (**)
Roͤmiſche Schule.
(Zeichnende Kuͤnſte.)
Die roͤmiſche Schule iſt nicht nur die aͤlteſte, ſon-
dern auch die wichtigſte aller Schulen der zeichnen-
den Kuͤnſte. Nicht, daß der roͤmiſche Boden etwas
vorzuͤgliches zur Bildung des Genies und Geſchmaks
beytrage; denn die wahren Urſachen liegen am Tage.
Rom beſizt den groͤßten Schaz der Antiken, hat ſchon
ehe der helle Tag der erneuerten Kuͤnſte wieder in
vollem Licht angebrochen war, als die Hauptſtadt
der Chriſtenheit, die groͤßte Menge der Kuͤnſtler, und
die groͤßten Aufmunterungen gehabt; alſo mußten
unter der Menge der Kuͤnſtler, die nur durch das
Ungluͤk der Zeiten ſchlecht, durch ihr Genie aber groß
waren, nothwendig ſich ſolche finden, die durch den
hohen Werth der alten Kunſtwerke geruͤhrt, ſich nach
denſelben bildeten. Freylich iſt es zufaͤllig, daß
Raphael das groͤßte Genie unter den Kuͤnſtlern
neuerer Zeiten, ſich unter dieſen befand. Er fuͤhlte
die ganze Vollkommenheit der alten Kunſt, und ſein
unermuͤdetes Beſtreben, ſie zu erreichen, gluͤkte ihm
mehr, wie jedem andern, und ſeinen Nachfolgern
mehr, als denen, die auf die Haͤupter anderer Schu-
len gefolget ſind.
Die roͤmiſche Schule thut ſich, durch die Theile
der Kunſt, darin Rom die groͤßten Meiſter hatte,
hervor: durch das Große im Geſchmak, und in
dem Ausdruk, durch die erhoͤhete Gattung des Schoͤ-
nen, durch die Richtigkeit in der Zeichnung. Jn
keinem andern Theile der Kunſt hatte Rom Vor-
zuͤge. Man muß den Anfang der roͤmiſchen Schule
von Peter Perugino, der 1446 gebohren wurd,
machen. Denn er ſteht gerade am Anbruche des
Tages der Kunſt, und war Naphaels Lehrmeiſten.
Ciro Ferri und Carl Maratti, der erſt 1713 geſtor-
ben iſt, muͤſſen als die lezten großen Meiſter dieſer
Schule angeſehen werden.
Romanhaft.
(Redende Kuͤnſte.)
Man nennt eigentlich dasjenige ſo, was in dem
Jnhalt, Ton oder Ausdruk den Charakter hat, der
in den ehemaligen Romanen herrſchend war, wie
das Abentheuerliche, verſtiegene in Handlungen, in
Begebenheiten und in den Empfindungen. Das
Natuͤrliche iſt ohngefehr gerade das Entgegengeſezte
des Romanhaften.
Da ſich in unſern Zeiten der Charakter der Ro-
mane ſelbſt dem natuͤrlichen Charakter der wahren
Geſchichte immer mehr naͤhert, und unſre Schrift-
ſteller es ſich immer mehr zur Regel machen, ihren
Geſchmak nach den Alten zu bilden, die ſich, wenig-
ſtens in den ſchoͤnen Zeiten des Geſchmaks, noch
nicht ins Romanhafte verſtiegen hatten; ſo iſt auch
zu erwarten, daß es ſich allmaͤhlig unter uns gaͤnz-
lich verliehren werde; es ſey denn, daß man es zum
Scherz in der poßirlichen Art beybehalte.
Romanze.
(Dichtkunſt.)
Urſpruͤnglich bedeutet das Wort eben das, was
wir izt durch Roman verſtehen. Es kommt von der
Romanſchen, oder verdorbenen lateiniſchen Sprach
her, in welcher die provenzaliſchen Poeten zuerſt ge-
ſchrieben haben. Sie ſind zwar nicht die Erfinder
der Romanzen, die in Spanien, England und an-
dern Laͤndern ſchon vor dieſen Dichtern bekannt ge-
nug geweſen, nur dieſen Namen der Sache haben
ſie veranlaſſet.
Gegenwaͤrtig giebt man den Namen Romanze klei-
nen erzaͤhlenden Liedern, in dem hoͤchſt naiven und
etwas altvaͤteriſchen Ton der alten gereimten Ro-
manzen.
(*) Vitruv.
L. IV. c. 1.
(**) S.
Ordnung;
Saͤulen-
ordnung.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 988[970]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/417>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.