so wurd er Amphiprostylos genannt. Die dritte Gattung machten die Tempel, die auf allen vier Seiten mit Säulen umgeben waren, die ein um das ganze Gebäude herrschendes Vordach unterstüzten, so daß ein bedekter Spaziergang, oder eine Säu- lenlaube um den ganzen Tempel herumgieng. Diese Gattung bekam nach der Anzahl und Stellung der Säulen wieder besondere Namen. Ueberhaupt pas- set der Name Peristylium auf eine solche Anordnung. Diejenigen, die sechs Säulen an der voderen, und eben so viel an der hintern Seite hatten, an den bey- den andern aber eilfe, (die beyden Eksäulen, die auch zur Vorder- und Hinterseite gehörten, mitgerechnet) wurden Peripteri genannt. Jn diesen stunden die Säulen so weit auseinander, als sie von den Mau- ren des Tempels abstunden; folglich war die Säu- lenweite, auch das Maaß der Breite der Laube. Wenn aber die Vorder- und Hinterseite acht, und die längern Nebenseiten funfzehn oder siebzehn Säu- len hatten, der Tempel aber nur so breit war, als die Länge von drey Säulenweiten, so daß die Laube an den längern Seiten zwey Säulenweiten breit wurde, so gab man ihm den Namen Pseudodipte- ros. Die Erfindung dieser Anordnung schreibt Vi- truvius dem Hermogenes zu. Das Wesentliche der- selben besteht darin, daß die Säulenlauben an den beyden langen Seiten des Pseudodipterus bey gleich enger Säulenweite noch einmal so breit werden. (*)
Wollte man noch größere Pracht anbringen, so sezte man zwey Reyhen Säulen um den ganzen Tempel herum. Diese wurden Dipteroi genennt; und so war der Tempel der Diana zu Ephesus, den nach des Vitruvius Bericht, der Baumeister Ctesi- phon angegeben hat. Wenn ein solcher Tempel, auch innerhalb seiner Manern ringsherum eine Säulen- laube von doppelt übereinanderstehenden Säulen hat- te, so daß der innerste Hauptraum, dem man auch izt in unsern Kirchen den Namen des Schiffes giebt, ohne Dach blieb, so kam ihm der Name Dipteros Hypae- thros, oder schlechthin Hypaethros zu, welches so viel bedeutet, als ohne Dach. Denn da waren blos die Säulenlauben bedekt. Von dieser Art war der Tempel des Olympischen Jupiters in Athen. Dieses giebt uns überhaupt einen Begriff von dem Ge- brauch, den die Griechen von den Säulen gemacht haben. Sie stellten sie immer frey zu Unterstüzung eines Vordaches. Dem in der Baukunst der Alten unerfahrnen Leser einigen Begriff von der Bauart [Spaltenumbruch]
Säu
der griechischen Tempel und der Anwendung der Säulen zu geben, füge ich hier folgende Grundrisse bey. Wobey zu merken, das die Punkte die Stel- len der Säulen, die Striche aber die Mauren vor- stellen. I. Jst ein Tempel der Prostylos genennt wurd, II. ein Amphiprostylos. III. ein Peripteros. IV. ein Pseudodipteros. Wenn bey diesem zwischen den Mauren und der äußersten Reyhe Säulen, noch eine Reyhe stünde, so wie vorne beym Eingange; so wär es ein Dipteros.
[Abbildung]
(*) S. Die IV Figur.
Zweyter Theil. J i i i i i
[Spaltenumbruch]
Saͤu
ſo wurd er Amphiproſtylos genannt. Die dritte Gattung machten die Tempel, die auf allen vier Seiten mit Saͤulen umgeben waren, die ein um das ganze Gebaͤude herrſchendes Vordach unterſtuͤzten, ſo daß ein bedekter Spaziergang, oder eine Saͤu- lenlaube um den ganzen Tempel herumgieng. Dieſe Gattung bekam nach der Anzahl und Stellung der Saͤulen wieder beſondere Namen. Ueberhaupt paſ- ſet der Name Periſtylium auf eine ſolche Anordnung. Diejenigen, die ſechs Saͤulen an der voderen, und eben ſo viel an der hintern Seite hatten, an den bey- den andern aber eilfe, (die beyden Ekſaͤulen, die auch zur Vorder- und Hinterſeite gehoͤrten, mitgerechnet) wurden Peripteri genannt. Jn dieſen ſtunden die Saͤulen ſo weit auseinander, als ſie von den Mau- ren des Tempels abſtunden; folglich war die Saͤu- lenweite, auch das Maaß der Breite der Laube. Wenn aber die Vorder- und Hinterſeite acht, und die laͤngern Nebenſeiten funfzehn oder ſiebzehn Saͤu- len hatten, der Tempel aber nur ſo breit war, als die Laͤnge von drey Saͤulenweiten, ſo daß die Laube an den laͤngern Seiten zwey Saͤulenweiten breit wurde, ſo gab man ihm den Namen Pſeudodipte- ros. Die Erfindung dieſer Anordnung ſchreibt Vi- truvius dem Hermogenes zu. Das Weſentliche der- ſelben beſteht darin, daß die Saͤulenlauben an den beyden langen Seiten des Pſeudodipterus bey gleich enger Saͤulenweite noch einmal ſo breit werden. (*)
Wollte man noch groͤßere Pracht anbringen, ſo ſezte man zwey Reyhen Saͤulen um den ganzen Tempel herum. Dieſe wurden Dipteroi genennt; und ſo war der Tempel der Diana zu Epheſus, den nach des Vitruvius Bericht, der Baumeiſter Cteſi- phon angegeben hat. Wenn ein ſolcher Tempel, auch innerhalb ſeiner Manern ringsherum eine Saͤulen- laube von doppelt uͤbereinanderſtehenden Saͤulen hat- te, ſo daß der innerſte Hauptraum, dem man auch izt in unſern Kirchen den Namen des Schiffes giebt, ohne Dach blieb, ſo kam ihm der Name Dipteros Hypæ- thros, oder ſchlechthin Hypæthros zu, welches ſo viel bedeutet, als ohne Dach. Denn da waren blos die Saͤulenlauben bedekt. Von dieſer Art war der Tempel des Olympiſchen Jupiters in Athen. Dieſes giebt uns uͤberhaupt einen Begriff von dem Ge- brauch, den die Griechen von den Saͤulen gemacht haben. Sie ſtellten ſie immer frey zu Unterſtuͤzung eines Vordaches. Dem in der Baukunſt der Alten unerfahrnen Leſer einigen Begriff von der Bauart [Spaltenumbruch]
Saͤu
der griechiſchen Tempel und der Anwendung der Saͤulen zu geben, fuͤge ich hier folgende Grundriſſe bey. Wobey zu merken, das die Punkte die Stel- len der Saͤulen, die Striche aber die Mauren vor- ſtellen. I. Jſt ein Tempel der Proſtylos genennt wurd, II. ein Amphiproſtylos. III. ein Peripteros. IV. ein Pſeudodipteros. Wenn bey dieſem zwiſchen den Mauren und der aͤußerſten Reyhe Saͤulen, noch eine Reyhe ſtuͤnde, ſo wie vorne beym Eingange; ſo waͤr es ein Dipteros.
[Abbildung]
(*) S. Die IV Figur.
Zweyter Theil. J i i i i i
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[1003[985]/0432]
Saͤu
Saͤu
ſo wurd er Amphiproſtylos genannt. Die dritte
Gattung machten die Tempel, die auf allen vier
Seiten mit Saͤulen umgeben waren, die ein um das
ganze Gebaͤude herrſchendes Vordach unterſtuͤzten,
ſo daß ein bedekter Spaziergang, oder eine Saͤu-
lenlaube um den ganzen Tempel herumgieng. Dieſe
Gattung bekam nach der Anzahl und Stellung der
Saͤulen wieder beſondere Namen. Ueberhaupt paſ-
ſet der Name Periſtylium auf eine ſolche Anordnung.
Diejenigen, die ſechs Saͤulen an der voderen, und
eben ſo viel an der hintern Seite hatten, an den bey-
den andern aber eilfe, (die beyden Ekſaͤulen, die auch
zur Vorder- und Hinterſeite gehoͤrten, mitgerechnet)
wurden Peripteri genannt. Jn dieſen ſtunden die
Saͤulen ſo weit auseinander, als ſie von den Mau-
ren des Tempels abſtunden; folglich war die Saͤu-
lenweite, auch das Maaß der Breite der Laube.
Wenn aber die Vorder- und Hinterſeite acht, und
die laͤngern Nebenſeiten funfzehn oder ſiebzehn Saͤu-
len hatten, der Tempel aber nur ſo breit war, als
die Laͤnge von drey Saͤulenweiten, ſo daß die Laube
an den laͤngern Seiten zwey Saͤulenweiten breit
wurde, ſo gab man ihm den Namen Pſeudodipte-
ros. Die Erfindung dieſer Anordnung ſchreibt Vi-
truvius dem Hermogenes zu. Das Weſentliche der-
ſelben beſteht darin, daß die Saͤulenlauben an den
beyden langen Seiten des Pſeudodipterus bey gleich
enger Saͤulenweite noch einmal ſo breit werden. (*)
Wollte man noch groͤßere Pracht anbringen, ſo
ſezte man zwey Reyhen Saͤulen um den ganzen
Tempel herum. Dieſe wurden Dipteroi genennt;
und ſo war der Tempel der Diana zu Epheſus, den
nach des Vitruvius Bericht, der Baumeiſter Cteſi-
phon angegeben hat. Wenn ein ſolcher Tempel, auch
innerhalb ſeiner Manern ringsherum eine Saͤulen-
laube von doppelt uͤbereinanderſtehenden Saͤulen hat-
te, ſo daß der innerſte Hauptraum, dem man auch izt
in unſern Kirchen den Namen des Schiffes giebt, ohne
Dach blieb, ſo kam ihm der Name Dipteros Hypæ-
thros, oder ſchlechthin Hypæthros zu, welches ſo
viel bedeutet, als ohne Dach. Denn da waren blos
die Saͤulenlauben bedekt. Von dieſer Art war der
Tempel des Olympiſchen Jupiters in Athen. Dieſes
giebt uns uͤberhaupt einen Begriff von dem Ge-
brauch, den die Griechen von den Saͤulen gemacht
haben. Sie ſtellten ſie immer frey zu Unterſtuͤzung
eines Vordaches. Dem in der Baukunſt der Alten
unerfahrnen Leſer einigen Begriff von der Bauart
der griechiſchen Tempel und der Anwendung der
Saͤulen zu geben, fuͤge ich hier folgende Grundriſſe
bey. Wobey zu merken, das die Punkte die Stel-
len der Saͤulen, die Striche aber die Mauren vor-
ſtellen. I. Jſt ein Tempel der Proſtylos genennt
wurd, II. ein Amphiproſtylos. III. ein Peripteros.
IV. ein Pſeudodipteros. Wenn bey dieſem zwiſchen
den Mauren und der aͤußerſten Reyhe Saͤulen, noch
eine Reyhe ſtuͤnde, ſo wie vorne beym Eingange; ſo
waͤr es ein Dipteros.
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(*) S.
Die IV
Figur.
Zweyter Theil. J i i i i i
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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 1003[985]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/432>, abgerufen am 26.06.2024.
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