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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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Zuerst wäre nöthig, daß die Schauspiehle von
der gesezgebenden Macht nicht blos, als Privatan-
stalten geduldet, oder geschüzt, sondern als würklich
wichtige öffentliche Einrichtungen besorgt, und durch
Geseze gehörig eingeschränkt würden. Dieser Vor-
schlag hat keine Schwierigkeit; weil er keinen, oder
doch nicht zu achtenden Aufwand erfodert, als etwa
ein öffentliches Gebäude zu Schauspiehlen, wozu
sich allemal leicht Rath fände. Verständige und
redliche Männer, die die Aufsicht, wenigstens wech-
felsweise, und auf eine Zeit, ohne Belohnung dafür
zu fodern, auf sich nähmen, würden sich wol finden.

Die öffentlichen Schauspiehle müßten nur auf
gewisse Tage eingeschränkt werden: (die täglichen
Vorstellungen für die Menge reicher Müßiggänger in
großen Städten, lassen wir hier aus der Acht)
und vorzüglich auf Tage der Feyer und Erholung,
da ohnedem die wenigsten Einwohner Geschäfte trei-
ben. Und ich würde es für nichts weniger, als
gottlos halten, wenn selbst einige gottesdtenstliche
Feyertage mit dazu genommen würden. Hiebey
zeigen sich keine Schwierigkeiten; es sey denn, daß
man befürchten wollte, der Zulauf möchte zu groß
seyn. Aber dieser Schwierigkeit die nur in sehr
großen Städten vorkäme, ist da so leicht abzuhelfen,
daß wir uns dabey nicht aufhalten.

Kein Stük müßte auf die Schaubühne kommen,
das nicht vorher von verständigen, redlichen und
öffentlich dazu bestellten Männern, dazu für würdig,
oder schiklich gehalten worden. Auch über diesen
Punkt sehe ich keine Schwierigkeit, besonders, wenn
diese Männer angewiesen wären, nicht zu entschei-
den, was vorgestellt, sondern was nicht vorgestellt
werden soll. Die einzige Schwierigkeit, die aber
wol zu heben wäre, besteht darin, daß diesen Män-
nern einige wahrhaftig gründliche Maximen, der
Beurtheilung halber vorgeschrieben würden. Es
läßt sich doch wol, ohne ein Solon, oder Lykurgus
zu seyn, einsehen, was hier schädlich ist, oder nicht.
Eben diese Männer müßten die Aufsicht auf die Po-
licey des Schauspiehles haben, und die Schauspieh-
ler unter ihnen, als ihrer besondern Obrigkeit, in
Sachen die zum Schauspiehl gehören, stehen.

Die Dichter, die das Glük hätten, Stüke, die
die Erlaubenis der Vorstellung erhalten, gemacht zu
haben, müßten, so wie es in Frankreich geschieht,
nach Maaßgebung des Beyfalles, den ihre Werke
erhalten, aus den Einkünften der Schaubühne hin-
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länglich belohnet werden. An der Möglicheit dieser
Belohnung wird wol Niemand zweifeln. Die vor-
geschlagenen Einrichtungen werden begreiflich ma-
chen, daß der Zulauf zum Schauspiehl groß sey,
daß folglich der Preis der Pläze sehr gering, und
die Einnahm dennoch hinlänglich seyn würde, Dich-
ter und Schauspiehler reichlich zu belohnen, ohne
dem Zuschauer beschwerlich zu fallen.

Jch halte dafür, daß diese Vorschläge allein schon
hinlänglich wären, nicht nur die Schaubühne von
der ihr izt anklebenden Schädlichkeit zu reinigen, son-
dern sie in der That zu ganz wichtigen Anordnun-
gen zu machen. Länder und Städte, die nicht völ-
lig unter dem Druk der Armuth schmachten, hät-
ten immer noch Vermögen genug, den dazu erfo-
derlichen Aufwand zu bestreiten. Aber es scheinet
unnöthig, sich über diesen Punkt ausführlicher ein-
zulassen.

Der allgemeine Charakter des guten Schauspieh-
les bestehet darin, daß sehenswürdige Sachen einer
Menge Menschen zugleich vorgestellt werden, damit
diese nicht nur einen sehr vergnügten, sondern auch
zugleich in andern Absichten nüzlichen Zeitvertreib
dabey genießen. Was auf der Schaubühne vorge-
stellt wird, muß der Menge verständlich und faßlich
seyn; muß nicht blos wenige Menschen von beson-
dern Stand uud Lebensart, sondern das ganze Pu-
blicum intereßiren; muß schon durch das Aeußer-
liche die Sinnen stark rühren, und schon dadurch
interessant seyn. Was man sieht, muß höchst na-
türlich, aber auch lebhaft, das Aug weder verwir-
rend, noch ermüdend, folglich einfach und genau
bestimmt seyn, damit man es schnell fasse, und der
Eindruk davon nicht erst bey längerm Nachdenken
empfunden werde.

Die erwähnten nothwendigen Eigenschaften, muß
man bey Verfertigung und Anordnung der Schau-
spiehle nothwendig vor Augen haben. Man muß
die versammelte Menge, für welche man arbeitet,
nicht einen Augenblik aus dem Gesichte verliehren,
sich beständig an ihren Plaz, und in ihre ganze Lage
stellen, um zu beurtheilen, ob alles, was vor-
kommt, die gehörige Würkung thun werde. Ein
Dichter, der für einsame Leser schreibt, kann für-
trefliche Dinge sagen, und einen Ausdruk dazu wäh-
len, der höchst schiklich wäre, und beydes könnte in
einem Schauspiehle sehr unschiklich seyn. So ann
eine Handlung für den, der sie episch oder historisch

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Zuerſt waͤre noͤthig, daß die Schauſpiehle von
der geſezgebenden Macht nicht blos, als Privatan-
ſtalten geduldet, oder geſchuͤzt, ſondern als wuͤrklich
wichtige oͤffentliche Einrichtungen beſorgt, und durch
Geſeze gehoͤrig eingeſchraͤnkt wuͤrden. Dieſer Vor-
ſchlag hat keine Schwierigkeit; weil er keinen, oder
doch nicht zu achtenden Aufwand erfodert, als etwa
ein oͤffentliches Gebaͤude zu Schauſpiehlen, wozu
ſich allemal leicht Rath faͤnde. Verſtaͤndige und
redliche Maͤnner, die die Aufſicht, wenigſtens wech-
felsweiſe, und auf eine Zeit, ohne Belohnung dafuͤr
zu fodern, auf ſich naͤhmen, wuͤrden ſich wol finden.

Die oͤffentlichen Schauſpiehle muͤßten nur auf
gewiſſe Tage eingeſchraͤnkt werden: (die taͤglichen
Vorſtellungen fuͤr die Menge reicher Muͤßiggaͤnger in
großen Staͤdten, laſſen wir hier aus der Acht)
und vorzuͤglich auf Tage der Feyer und Erholung,
da ohnedem die wenigſten Einwohner Geſchaͤfte trei-
ben. Und ich wuͤrde es fuͤr nichts weniger, als
gottlos halten, wenn ſelbſt einige gottesdtenſtliche
Feyertage mit dazu genommen wuͤrden. Hiebey
zeigen ſich keine Schwierigkeiten; es ſey denn, daß
man befuͤrchten wollte, der Zulauf moͤchte zu groß
ſeyn. Aber dieſer Schwierigkeit die nur in ſehr
großen Staͤdten vorkaͤme, iſt da ſo leicht abzuhelfen,
daß wir uns dabey nicht aufhalten.

Kein Stuͤk muͤßte auf die Schaubuͤhne kommen,
das nicht vorher von verſtaͤndigen, redlichen und
oͤffentlich dazu beſtellten Maͤnnern, dazu fuͤr wuͤrdig,
oder ſchiklich gehalten worden. Auch uͤber dieſen
Punkt ſehe ich keine Schwierigkeit, beſonders, wenn
dieſe Maͤnner angewieſen waͤren, nicht zu entſchei-
den, was vorgeſtellt, ſondern was nicht vorgeſtellt
werden ſoll. Die einzige Schwierigkeit, die aber
wol zu heben waͤre, beſteht darin, daß dieſen Maͤn-
nern einige wahrhaftig gruͤndliche Maximen, der
Beurtheilung halber vorgeſchrieben wuͤrden. Es
laͤßt ſich doch wol, ohne ein Solon, oder Lykurgus
zu ſeyn, einſehen, was hier ſchaͤdlich iſt, oder nicht.
Eben dieſe Maͤnner muͤßten die Aufſicht auf die Po-
licey des Schauſpiehles haben, und die Schauſpieh-
ler unter ihnen, als ihrer beſondern Obrigkeit, in
Sachen die zum Schauſpiehl gehoͤren, ſtehen.

Die Dichter, die das Gluͤk haͤtten, Stuͤke, die
die Erlaubenis der Vorſtellung erhalten, gemacht zu
haben, muͤßten, ſo wie es in Frankreich geſchieht,
nach Maaßgebung des Beyfalles, den ihre Werke
erhalten, aus den Einkuͤnften der Schaubuͤhne hin-
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laͤnglich belohnet werden. An der Moͤglicheit dieſer
Belohnung wird wol Niemand zweifeln. Die vor-
geſchlagenen Einrichtungen werden begreiflich ma-
chen, daß der Zulauf zum Schauſpiehl groß ſey,
daß folglich der Preis der Plaͤze ſehr gering, und
die Einnahm dennoch hinlaͤnglich ſeyn wuͤrde, Dich-
ter und Schauſpiehler reichlich zu belohnen, ohne
dem Zuſchauer beſchwerlich zu fallen.

Jch halte dafuͤr, daß dieſe Vorſchlaͤge allein ſchon
hinlaͤnglich waͤren, nicht nur die Schaubuͤhne von
der ihr izt anklebenden Schaͤdlichkeit zu reinigen, ſon-
dern ſie in der That zu ganz wichtigen Anordnun-
gen zu machen. Laͤnder und Staͤdte, die nicht voͤl-
lig unter dem Druk der Armuth ſchmachten, haͤt-
ten immer noch Vermoͤgen genug, den dazu erfo-
derlichen Aufwand zu beſtreiten. Aber es ſcheinet
unnoͤthig, ſich uͤber dieſen Punkt ausfuͤhrlicher ein-
zulaſſen.

Der allgemeine Charakter des guten Schauſpieh-
les beſtehet darin, daß ſehenswuͤrdige Sachen einer
Menge Menſchen zugleich vorgeſtellt werden, damit
dieſe nicht nur einen ſehr vergnuͤgten, ſondern auch
zugleich in andern Abſichten nuͤzlichen Zeitvertreib
dabey genießen. Was auf der Schaubuͤhne vorge-
ſtellt wird, muß der Menge verſtaͤndlich und faßlich
ſeyn; muß nicht blos wenige Menſchen von beſon-
dern Stand uud Lebensart, ſondern das ganze Pu-
blicum intereßiren; muß ſchon durch das Aeußer-
liche die Sinnen ſtark ruͤhren, und ſchon dadurch
intereſſant ſeyn. Was man ſieht, muß hoͤchſt na-
tuͤrlich, aber auch lebhaft, das Aug weder verwir-
rend, noch ermuͤdend, folglich einfach und genau
beſtimmt ſeyn, damit man es ſchnell faſſe, und der
Eindruk davon nicht erſt bey laͤngerm Nachdenken
empfunden werde.

Die erwaͤhnten nothwendigen Eigenſchaften, muß
man bey Verfertigung und Anordnung der Schau-
ſpiehle nothwendig vor Augen haben. Man muß
die verſammelte Menge, fuͤr welche man arbeitet,
nicht einen Augenblik aus dem Geſichte verliehren,
ſich beſtaͤndig an ihren Plaz, und in ihre ganze Lage
ſtellen, um zu beurtheilen, ob alles, was vor-
kommt, die gehoͤrige Wuͤrkung thun werde. Ein
Dichter, der fuͤr einſame Leſer ſchreibt, kann fuͤr-
trefliche Dinge ſagen, und einen Ausdruk dazu waͤh-
len, der hoͤchſt ſchiklich waͤre, und beydes koͤnnte in
einem Schauſpiehle ſehr unſchiklich ſeyn. So ann
eine Handlung fuͤr den, der ſie epiſch oder hiſtoriſch

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[1023[1005]/0452] Scha Scha Zuerſt waͤre noͤthig, daß die Schauſpiehle von der geſezgebenden Macht nicht blos, als Privatan- ſtalten geduldet, oder geſchuͤzt, ſondern als wuͤrklich wichtige oͤffentliche Einrichtungen beſorgt, und durch Geſeze gehoͤrig eingeſchraͤnkt wuͤrden. Dieſer Vor- ſchlag hat keine Schwierigkeit; weil er keinen, oder doch nicht zu achtenden Aufwand erfodert, als etwa ein oͤffentliches Gebaͤude zu Schauſpiehlen, wozu ſich allemal leicht Rath faͤnde. Verſtaͤndige und redliche Maͤnner, die die Aufſicht, wenigſtens wech- felsweiſe, und auf eine Zeit, ohne Belohnung dafuͤr zu fodern, auf ſich naͤhmen, wuͤrden ſich wol finden. Die oͤffentlichen Schauſpiehle muͤßten nur auf gewiſſe Tage eingeſchraͤnkt werden: (die taͤglichen Vorſtellungen fuͤr die Menge reicher Muͤßiggaͤnger in großen Staͤdten, laſſen wir hier aus der Acht) und vorzuͤglich auf Tage der Feyer und Erholung, da ohnedem die wenigſten Einwohner Geſchaͤfte trei- ben. Und ich wuͤrde es fuͤr nichts weniger, als gottlos halten, wenn ſelbſt einige gottesdtenſtliche Feyertage mit dazu genommen wuͤrden. Hiebey zeigen ſich keine Schwierigkeiten; es ſey denn, daß man befuͤrchten wollte, der Zulauf moͤchte zu groß ſeyn. Aber dieſer Schwierigkeit die nur in ſehr großen Staͤdten vorkaͤme, iſt da ſo leicht abzuhelfen, daß wir uns dabey nicht aufhalten. Kein Stuͤk muͤßte auf die Schaubuͤhne kommen, das nicht vorher von verſtaͤndigen, redlichen und oͤffentlich dazu beſtellten Maͤnnern, dazu fuͤr wuͤrdig, oder ſchiklich gehalten worden. Auch uͤber dieſen Punkt ſehe ich keine Schwierigkeit, beſonders, wenn dieſe Maͤnner angewieſen waͤren, nicht zu entſchei- den, was vorgeſtellt, ſondern was nicht vorgeſtellt werden ſoll. Die einzige Schwierigkeit, die aber wol zu heben waͤre, beſteht darin, daß dieſen Maͤn- nern einige wahrhaftig gruͤndliche Maximen, der Beurtheilung halber vorgeſchrieben wuͤrden. Es laͤßt ſich doch wol, ohne ein Solon, oder Lykurgus zu ſeyn, einſehen, was hier ſchaͤdlich iſt, oder nicht. Eben dieſe Maͤnner muͤßten die Aufſicht auf die Po- licey des Schauſpiehles haben, und die Schauſpieh- ler unter ihnen, als ihrer beſondern Obrigkeit, in Sachen die zum Schauſpiehl gehoͤren, ſtehen. Die Dichter, die das Gluͤk haͤtten, Stuͤke, die die Erlaubenis der Vorſtellung erhalten, gemacht zu haben, muͤßten, ſo wie es in Frankreich geſchieht, nach Maaßgebung des Beyfalles, den ihre Werke erhalten, aus den Einkuͤnften der Schaubuͤhne hin- laͤnglich belohnet werden. An der Moͤglicheit dieſer Belohnung wird wol Niemand zweifeln. Die vor- geſchlagenen Einrichtungen werden begreiflich ma- chen, daß der Zulauf zum Schauſpiehl groß ſey, daß folglich der Preis der Plaͤze ſehr gering, und die Einnahm dennoch hinlaͤnglich ſeyn wuͤrde, Dich- ter und Schauſpiehler reichlich zu belohnen, ohne dem Zuſchauer beſchwerlich zu fallen. Jch halte dafuͤr, daß dieſe Vorſchlaͤge allein ſchon hinlaͤnglich waͤren, nicht nur die Schaubuͤhne von der ihr izt anklebenden Schaͤdlichkeit zu reinigen, ſon- dern ſie in der That zu ganz wichtigen Anordnun- gen zu machen. Laͤnder und Staͤdte, die nicht voͤl- lig unter dem Druk der Armuth ſchmachten, haͤt- ten immer noch Vermoͤgen genug, den dazu erfo- derlichen Aufwand zu beſtreiten. Aber es ſcheinet unnoͤthig, ſich uͤber dieſen Punkt ausfuͤhrlicher ein- zulaſſen. Der allgemeine Charakter des guten Schauſpieh- les beſtehet darin, daß ſehenswuͤrdige Sachen einer Menge Menſchen zugleich vorgeſtellt werden, damit dieſe nicht nur einen ſehr vergnuͤgten, ſondern auch zugleich in andern Abſichten nuͤzlichen Zeitvertreib dabey genießen. Was auf der Schaubuͤhne vorge- ſtellt wird, muß der Menge verſtaͤndlich und faßlich ſeyn; muß nicht blos wenige Menſchen von beſon- dern Stand uud Lebensart, ſondern das ganze Pu- blicum intereßiren; muß ſchon durch das Aeußer- liche die Sinnen ſtark ruͤhren, und ſchon dadurch intereſſant ſeyn. Was man ſieht, muß hoͤchſt na- tuͤrlich, aber auch lebhaft, das Aug weder verwir- rend, noch ermuͤdend, folglich einfach und genau beſtimmt ſeyn, damit man es ſchnell faſſe, und der Eindruk davon nicht erſt bey laͤngerm Nachdenken empfunden werde. Die erwaͤhnten nothwendigen Eigenſchaften, muß man bey Verfertigung und Anordnung der Schau- ſpiehle nothwendig vor Augen haben. Man muß die verſammelte Menge, fuͤr welche man arbeitet, nicht einen Augenblik aus dem Geſichte verliehren, ſich beſtaͤndig an ihren Plaz, und in ihre ganze Lage ſtellen, um zu beurtheilen, ob alles, was vor- kommt, die gehoͤrige Wuͤrkung thun werde. Ein Dichter, der fuͤr einſame Leſer ſchreibt, kann fuͤr- trefliche Dinge ſagen, und einen Ausdruk dazu waͤh- len, der hoͤchſt ſchiklich waͤre, und beydes koͤnnte in einem Schauſpiehle ſehr unſchiklich ſeyn. So ann eine Handlung fuͤr den, der ſie epiſch oder hiſtoriſch be- L l l l l l 3

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 1023[1005]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/452>, abgerufen am 16.07.2024.