Hauptsaz im Niederschlag gewesen, bey der Nach- ahmung im Aufschlag komme, oder umgekehrt.
Dieser Theilung einer Note in mehrere ist die Verlängerung einer Note (Augmentatio) entgegen gesezt, da statt zwey, drey, oder vier Töne, die auf einem Takt stehen sollten, nur ein einziger angebracht wird, um ihm desto größeres Gewicht zu geben.
Theilnehmung. (Schöne Künste.)
Die gute Würkung der wichtigsten Werke des Ge- schmaks gründet sich auf die Eigenschaft des mensch- lichen Gemüthes, der zufolge wir gar ofte von dem Guten und Bösen, das andern Menschen begegnet, wie von unserm eigenen gerührt werden, und des- wegen einen wahren und herzlichen Antheil daran nehmen. Erzählungen solcher Begebenheiten, oder Vorstellungen solcher Handlungen, bey denen die intereßirten Personen in starke Leidenschaften gera- then, sezen auch die unsrigen in merkliche Würksam- keit, auch so gar in dem Falle, da wir wissen, daß alles blos erdichtet ist. Das schon so lange ver- gangene, oder vieleicht gar erdichtete große Leiden des Priamus, oder Philoktets, preßt uns Thränen aus, wenn wir die Schilderung derselben in der Jlias, oder beym Sophokles lesen; und so fühlen wir Zorn und Unwille, wenn uns Tacitus die ver- fluchte Tyranney einiger der ersten Cäsare in seiner Erzählung schildert, obgleich ihre Würkung schon so viel Jahrhunderte lang aufgehört hat. Wir er- warten dabey den gewaltsamen und wolverdienten Tod eines solchen Tyrannen bald mit eben der Un- geduld, als wenn wir selbst noch unter dem Druk seiner so schändlich gemißbrauchten Gewalt lebten.
Es ist hier der Ort nicht den Grund dieser Theil- nehmung zu erforschen; wir können die Sache selbst, als gewiß, voraussezen, um zu sehen, wie die schönen Künste sich derselben mit Vortheil zu bedie- nen haben. Jndessen haben wir bereits an ein paar Orten dieses Werks, die eigentliche Quelle, woraus sie entstehet, deutlich angezeiget. (*)
Dieser glükliche Hang an fremden Jnteresse Theil zu nehmen, und, selbst erdichtetes Gutes und Bö- ses sich gleichsam zuzueignen, können die schönen Künste sich mit großem Vortheile zu Nuze machen. Jndem Horaz von den Dichtern sagt: Aut prodesse volunt aut delectare poetae Aut simul et jucunda et idonea dicere vitae. [Spaltenumbruch]
Thü
zeiget er das doppelte Hauptinteresse aller Künstler an. Wollen sie uns angenehm unterhalten, so kön- nen sie ihren Zwek nicht besser erreichen, als wenn sie uns Scenen schildern, die vermöge der Theilneh- mung unsre Neigungen und Leidenschaften in lebhaf- tes Spiehl sezen; und wenn sie nüzlich und lehrreich seyn wollen, so können sie es eben dadurch auf eine vorzügliche Weise seyn. Dieses ist aber bereits an andern Orten hinlänglich gezeiget worden. (*)
Die Theilnehmung beruhet hauptsächlich auf der Aufmerksamkeit, die wir auf die vorgeschilderte Ge- genstände richten. Je größer sie ist, je mehr verges- sen wir unsern würklichen Zustand, und je stärker fühlen wir den eingebildeten, in dem wir uns bey Gelegenheit dessen, was uns vorgestellt wird, sezen. Deswegen muß der Künstler sehr besorget seyn, daß die Aufmerksamkeit auf den vorgestellten Gegenstand durch nichts geschwächt, oder gar unterbrochen werde. Alles was die Täuschung befördert, oder hindert, ist auch der Theilnehmung beförderlich, oder hinderlich: darum haben wir nicht nöthig das, was bereits hierüber gesagt worden, (*) zu wiederholen.
Thür. (Baukunst.)
Unter diesem allgemeinen Namen begreifen wir alle Arten der Oefnungen an den Wänden der Ge- bäude, die zum Heraus- oder Hereingehen, oder Fahren gemacht sind; folglich außer dem, was man im eigentlichen Verstand Thüren nennt, die Portale und Thorwege.
Der Baumeister hat in Ansehung der Thüren verschiedenes zu überlegen, das er nicht versäumen darf; besonders den Ort, wo er sie anbringt, ihre Gestalt und Größe. Die Natur der Sache bringt es mit, daß sie müssen in die Augen fallen. Haus- thüren müssen mitten an den Außenseiten seyn, weil sie einzele Stüke sind, (*) und weil auch der Be- quämlichkeit halber dieses der beste Plaz ist. Die Thüren der Zimmer müssen so angebracht werden, daß dadurch nichts unregelmäßiges entsteht. Sind sie an einer den Fenstern gegen überstehenden Wand, so müssen sie entweder auf einen Pfeiler oder auf ein Fenster treffen. Ueberhaupt wird ein nachdenken- der Baumeister sie allemal so anzubringen suchen, daß weder von außen noch von innen die Regelmäßig- keit noch die Eurythmie gestöhrt wird.
Die
(*) S. Lei- denschaft. S. 700. 70 und Täuschung
(*) S. Empfin- dung; Lei- denschaft.
(*) S. Täuschung
(*) S. Symme- trie.
Zweyter Theil. E e e e e e e
[Spaltenumbruch]
The
Hauptſaz im Niederſchlag geweſen, bey der Nach- ahmung im Aufſchlag komme, oder umgekehrt.
Dieſer Theilung einer Note in mehrere iſt die Verlaͤngerung einer Note (Augmentatio) entgegen geſezt, da ſtatt zwey, drey, oder vier Toͤne, die auf einem Takt ſtehen ſollten, nur ein einziger angebracht wird, um ihm deſto groͤßeres Gewicht zu geben.
Theilnehmung. (Schoͤne Kuͤnſte.)
Die gute Wuͤrkung der wichtigſten Werke des Ge- ſchmaks gruͤndet ſich auf die Eigenſchaft des menſch- lichen Gemuͤthes, der zufolge wir gar ofte von dem Guten und Boͤſen, das andern Menſchen begegnet, wie von unſerm eigenen geruͤhrt werden, und des- wegen einen wahren und herzlichen Antheil daran nehmen. Erzaͤhlungen ſolcher Begebenheiten, oder Vorſtellungen ſolcher Handlungen, bey denen die intereßirten Perſonen in ſtarke Leidenſchaften gera- then, ſezen auch die unſrigen in merkliche Wuͤrkſam- keit, auch ſo gar in dem Falle, da wir wiſſen, daß alles blos erdichtet iſt. Das ſchon ſo lange ver- gangene, oder vieleicht gar erdichtete große Leiden des Priamus, oder Philoktets, preßt uns Thraͤnen aus, wenn wir die Schilderung derſelben in der Jlias, oder beym Sophokles leſen; und ſo fuͤhlen wir Zorn und Unwille, wenn uns Tacitus die ver- fluchte Tyranney einiger der erſten Caͤſare in ſeiner Erzaͤhlung ſchildert, obgleich ihre Wuͤrkung ſchon ſo viel Jahrhunderte lang aufgehoͤrt hat. Wir er- warten dabey den gewaltſamen und wolverdienten Tod eines ſolchen Tyrannen bald mit eben der Un- geduld, als wenn wir ſelbſt noch unter dem Druk ſeiner ſo ſchaͤndlich gemißbrauchten Gewalt lebten.
Es iſt hier der Ort nicht den Grund dieſer Theil- nehmung zu erforſchen; wir koͤnnen die Sache ſelbſt, als gewiß, vorausſezen, um zu ſehen, wie die ſchoͤnen Kuͤnſte ſich derſelben mit Vortheil zu bedie- nen haben. Jndeſſen haben wir bereits an ein paar Orten dieſes Werks, die eigentliche Quelle, woraus ſie entſtehet, deutlich angezeiget. (*)
Dieſer gluͤkliche Hang an fremden Jntereſſe Theil zu nehmen, und, ſelbſt erdichtetes Gutes und Boͤ- ſes ſich gleichſam zuzueignen, koͤnnen die ſchoͤnen Kuͤnſte ſich mit großem Vortheile zu Nuze machen. Jndem Horaz von den Dichtern ſagt: Aut prodeſſe volunt aut delectare poetæ Aut ſimul et jucunda et idonea dicere vitæ. [Spaltenumbruch]
Thuͤ
zeiget er das doppelte Hauptintereſſe aller Kuͤnſtler an. Wollen ſie uns angenehm unterhalten, ſo koͤn- nen ſie ihren Zwek nicht beſſer erreichen, als wenn ſie uns Scenen ſchildern, die vermoͤge der Theilneh- mung unſre Neigungen und Leidenſchaften in lebhaf- tes Spiehl ſezen; und wenn ſie nuͤzlich und lehrreich ſeyn wollen, ſo koͤnnen ſie es eben dadurch auf eine vorzuͤgliche Weiſe ſeyn. Dieſes iſt aber bereits an andern Orten hinlaͤnglich gezeiget worden. (*)
Die Theilnehmung beruhet hauptſaͤchlich auf der Aufmerkſamkeit, die wir auf die vorgeſchilderte Ge- genſtaͤnde richten. Je groͤßer ſie iſt, je mehr vergeſ- ſen wir unſern wuͤrklichen Zuſtand, und je ſtaͤrker fuͤhlen wir den eingebildeten, in dem wir uns bey Gelegenheit deſſen, was uns vorgeſtellt wird, ſezen. Deswegen muß der Kuͤnſtler ſehr beſorget ſeyn, daß die Aufmerkſamkeit auf den vorgeſtellten Gegenſtand durch nichts geſchwaͤcht, oder gar unterbrochen werde. Alles was die Taͤuſchung befoͤrdert, oder hindert, iſt auch der Theilnehmung befoͤrderlich, oder hinderlich: darum haben wir nicht noͤthig das, was bereits hieruͤber geſagt worden, (*) zu wiederholen.
Thuͤr. (Baukunſt.)
Unter dieſem allgemeinen Namen begreifen wir alle Arten der Oefnungen an den Waͤnden der Ge- baͤude, die zum Heraus- oder Hereingehen, oder Fahren gemacht ſind; folglich außer dem, was man im eigentlichen Verſtand Thuͤren nennt, die Portale und Thorwege.
Der Baumeiſter hat in Anſehung der Thuͤren verſchiedenes zu uͤberlegen, das er nicht verſaͤumen darf; beſonders den Ort, wo er ſie anbringt, ihre Geſtalt und Groͤße. Die Natur der Sache bringt es mit, daß ſie muͤſſen in die Augen fallen. Haus- thuͤren muͤſſen mitten an den Außenſeiten ſeyn, weil ſie einzele Stuͤke ſind, (*) und weil auch der Be- quaͤmlichkeit halber dieſes der beſte Plaz iſt. Die Thuͤren der Zimmer muͤſſen ſo angebracht werden, daß dadurch nichts unregelmaͤßiges entſteht. Sind ſie an einer den Fenſtern gegen uͤberſtehenden Wand, ſo muͤſſen ſie entweder auf einen Pfeiler oder auf ein Fenſter treffen. Ueberhaupt wird ein nachdenken- der Baumeiſter ſie allemal ſo anzubringen ſuchen, daß weder von außen noch von innen die Regelmaͤßig- keit noch die Eurythmie geſtoͤhrt wird.
Die
(*) S. Lei- denſchaft. S. 700. 70 und Taͤuſchung
(*) S. Empfin- dung; Lei- denſchaft.
(*) S. Taͤuſchung
(*) S. Symme- trie.
Zweyter Theil. E e e e e e e
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0584"n="1155[1137]"/><cb/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">The</hi></fw><lb/>
Hauptſaz im Niederſchlag geweſen, bey der Nach-<lb/>
ahmung im Aufſchlag komme, oder umgekehrt.</p><lb/><p>Dieſer Theilung einer Note in mehrere iſt die<lb/>
Verlaͤngerung einer Note (<hirendition="#aq">Augmentatio</hi>) entgegen<lb/>
geſezt, da ſtatt zwey, drey, oder vier Toͤne, die auf<lb/>
einem Takt ſtehen ſollten, nur ein einziger angebracht<lb/>
wird, um ihm deſto groͤßeres Gewicht zu geben.</p></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Theilnehmung.</hi></hi><lb/>
(Schoͤne Kuͤnſte.)</head><lb/><p><hirendition="#in">D</hi>ie gute Wuͤrkung der wichtigſten Werke des Ge-<lb/>ſchmaks gruͤndet ſich auf die Eigenſchaft des menſch-<lb/>
lichen Gemuͤthes, der zufolge wir gar ofte von dem<lb/>
Guten und Boͤſen, das andern Menſchen begegnet,<lb/>
wie von unſerm eigenen geruͤhrt werden, und des-<lb/>
wegen einen wahren und herzlichen Antheil daran<lb/>
nehmen. Erzaͤhlungen ſolcher Begebenheiten, oder<lb/>
Vorſtellungen ſolcher Handlungen, bey denen die<lb/>
intereßirten Perſonen in ſtarke Leidenſchaften gera-<lb/>
then, ſezen auch die unſrigen in merkliche Wuͤrkſam-<lb/>
keit, auch ſo gar in dem Falle, da wir wiſſen, daß<lb/>
alles blos erdichtet iſt. Das ſchon ſo lange ver-<lb/>
gangene, oder vieleicht gar erdichtete große Leiden<lb/>
des Priamus, oder Philoktets, preßt uns Thraͤnen<lb/>
aus, wenn wir die Schilderung derſelben in der<lb/>
Jlias, oder beym Sophokles leſen; und ſo fuͤhlen<lb/>
wir Zorn und Unwille, wenn uns Tacitus die ver-<lb/>
fluchte Tyranney einiger der erſten Caͤſare in ſeiner<lb/>
Erzaͤhlung ſchildert, obgleich ihre Wuͤrkung ſchon<lb/>ſo viel Jahrhunderte lang aufgehoͤrt hat. Wir er-<lb/>
warten dabey den gewaltſamen und wolverdienten<lb/>
Tod eines ſolchen Tyrannen bald mit eben der Un-<lb/>
geduld, als wenn wir ſelbſt noch unter dem Druk<lb/>ſeiner ſo ſchaͤndlich gemißbrauchten Gewalt lebten.</p><lb/><p>Es iſt hier der Ort nicht den Grund dieſer Theil-<lb/>
nehmung zu erforſchen; wir koͤnnen die Sache ſelbſt,<lb/>
als gewiß, vorausſezen, um zu ſehen, wie die<lb/>ſchoͤnen Kuͤnſte ſich derſelben mit Vortheil zu bedie-<lb/>
nen haben. Jndeſſen haben wir bereits an ein paar<lb/>
Orten dieſes Werks, die eigentliche Quelle, woraus<lb/>ſie entſtehet, deutlich angezeiget. <noteplace="foot"n="(*)">S. Lei-<lb/>
denſchaft.<lb/>
S. 700.<lb/>
70 und<lb/>
Taͤuſchung</note></p><lb/><p>Dieſer gluͤkliche Hang an fremden Jntereſſe Theil<lb/>
zu nehmen, und, ſelbſt erdichtetes Gutes und Boͤ-<lb/>ſes ſich gleichſam zuzueignen, koͤnnen die ſchoͤnen<lb/>
Kuͤnſte ſich mit großem Vortheile zu Nuze machen.<lb/>
Jndem Horaz von den Dichtern ſagt:<lb/><cit><quote><hirendition="#aq">Aut prodeſſe volunt aut delectare poetæ<lb/>
Aut ſimul et jucunda et idonea dicere vitæ.</hi></quote></cit><lb/><cb/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Thuͤ</hi></fw><lb/>
zeiget er das doppelte Hauptintereſſe aller Kuͤnſtler<lb/>
an. Wollen ſie uns angenehm unterhalten, ſo koͤn-<lb/>
nen ſie ihren Zwek nicht beſſer erreichen, als wenn<lb/>ſie uns Scenen ſchildern, die vermoͤge der Theilneh-<lb/>
mung unſre Neigungen und Leidenſchaften in lebhaf-<lb/>
tes Spiehl ſezen; und wenn ſie nuͤzlich und lehrreich<lb/>ſeyn wollen, ſo koͤnnen ſie es eben dadurch auf eine<lb/>
vorzuͤgliche Weiſe ſeyn. Dieſes iſt aber bereits an<lb/>
andern Orten hinlaͤnglich gezeiget worden. <noteplace="foot"n="(*)">S.<lb/>
Empfin-<lb/>
dung; Lei-<lb/>
denſchaft.</note></p><lb/><p>Die Theilnehmung beruhet hauptſaͤchlich auf der<lb/>
Aufmerkſamkeit, die wir auf die vorgeſchilderte Ge-<lb/>
genſtaͤnde richten. Je groͤßer ſie iſt, je mehr vergeſ-<lb/>ſen wir unſern wuͤrklichen Zuſtand, und je ſtaͤrker<lb/>
fuͤhlen wir den eingebildeten, in dem wir uns bey<lb/>
Gelegenheit deſſen, was uns vorgeſtellt wird, ſezen.<lb/>
Deswegen muß der Kuͤnſtler ſehr beſorget ſeyn, daß<lb/>
die Aufmerkſamkeit auf den vorgeſtellten Gegenſtand<lb/>
durch nichts geſchwaͤcht, oder gar unterbrochen<lb/>
werde. Alles was die Taͤuſchung befoͤrdert, oder<lb/>
hindert, iſt auch der Theilnehmung befoͤrderlich, oder<lb/>
hinderlich: darum haben wir nicht noͤthig das, was<lb/>
bereits hieruͤber geſagt worden, <noteplace="foot"n="(*)">S.<lb/>
Taͤuſchung</note> zu wiederholen.</p></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Thuͤr.</hi></hi><lb/>
(Baukunſt.)</head><lb/><p><hirendition="#in">U</hi>nter dieſem allgemeinen Namen begreifen wir<lb/>
alle Arten der Oefnungen an den Waͤnden der Ge-<lb/>
baͤude, die zum Heraus- oder Hereingehen, oder<lb/>
Fahren gemacht ſind; folglich außer dem, was<lb/>
man im eigentlichen Verſtand Thuͤren nennt, die<lb/>
Portale und Thorwege.</p><lb/><p>Der Baumeiſter hat in Anſehung der Thuͤren<lb/>
verſchiedenes zu uͤberlegen, das er nicht verſaͤumen<lb/>
darf; beſonders den Ort, wo er ſie anbringt, ihre<lb/>
Geſtalt und Groͤße. Die Natur der Sache bringt<lb/>
es mit, daß ſie muͤſſen in die Augen fallen. Haus-<lb/>
thuͤren muͤſſen mitten an den Außenſeiten ſeyn, weil<lb/>ſie einzele Stuͤke ſind, <noteplace="foot"n="(*)">S.<lb/>
Symme-<lb/>
trie.</note> und weil auch der Be-<lb/>
quaͤmlichkeit halber dieſes der beſte Plaz iſt. Die<lb/>
Thuͤren der Zimmer muͤſſen ſo angebracht werden,<lb/>
daß dadurch nichts unregelmaͤßiges entſteht. Sind<lb/>ſie an einer den Fenſtern gegen uͤberſtehenden Wand,<lb/>ſo muͤſſen ſie entweder auf einen Pfeiler oder auf ein<lb/>
Fenſter treffen. Ueberhaupt wird ein nachdenken-<lb/>
der Baumeiſter ſie allemal ſo anzubringen ſuchen,<lb/>
daß weder von außen noch von innen die Regelmaͤßig-<lb/>
keit noch die Eurythmie geſtoͤhrt wird.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#fr">Zweyter Theil.</hi> E e e e e e e</fw><fwplace="bottom"type="catch">Die</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[1155[1137]/0584]
The
Thuͤ
Hauptſaz im Niederſchlag geweſen, bey der Nach-
ahmung im Aufſchlag komme, oder umgekehrt.
Dieſer Theilung einer Note in mehrere iſt die
Verlaͤngerung einer Note (Augmentatio) entgegen
geſezt, da ſtatt zwey, drey, oder vier Toͤne, die auf
einem Takt ſtehen ſollten, nur ein einziger angebracht
wird, um ihm deſto groͤßeres Gewicht zu geben.
Theilnehmung.
(Schoͤne Kuͤnſte.)
Die gute Wuͤrkung der wichtigſten Werke des Ge-
ſchmaks gruͤndet ſich auf die Eigenſchaft des menſch-
lichen Gemuͤthes, der zufolge wir gar ofte von dem
Guten und Boͤſen, das andern Menſchen begegnet,
wie von unſerm eigenen geruͤhrt werden, und des-
wegen einen wahren und herzlichen Antheil daran
nehmen. Erzaͤhlungen ſolcher Begebenheiten, oder
Vorſtellungen ſolcher Handlungen, bey denen die
intereßirten Perſonen in ſtarke Leidenſchaften gera-
then, ſezen auch die unſrigen in merkliche Wuͤrkſam-
keit, auch ſo gar in dem Falle, da wir wiſſen, daß
alles blos erdichtet iſt. Das ſchon ſo lange ver-
gangene, oder vieleicht gar erdichtete große Leiden
des Priamus, oder Philoktets, preßt uns Thraͤnen
aus, wenn wir die Schilderung derſelben in der
Jlias, oder beym Sophokles leſen; und ſo fuͤhlen
wir Zorn und Unwille, wenn uns Tacitus die ver-
fluchte Tyranney einiger der erſten Caͤſare in ſeiner
Erzaͤhlung ſchildert, obgleich ihre Wuͤrkung ſchon
ſo viel Jahrhunderte lang aufgehoͤrt hat. Wir er-
warten dabey den gewaltſamen und wolverdienten
Tod eines ſolchen Tyrannen bald mit eben der Un-
geduld, als wenn wir ſelbſt noch unter dem Druk
ſeiner ſo ſchaͤndlich gemißbrauchten Gewalt lebten.
Es iſt hier der Ort nicht den Grund dieſer Theil-
nehmung zu erforſchen; wir koͤnnen die Sache ſelbſt,
als gewiß, vorausſezen, um zu ſehen, wie die
ſchoͤnen Kuͤnſte ſich derſelben mit Vortheil zu bedie-
nen haben. Jndeſſen haben wir bereits an ein paar
Orten dieſes Werks, die eigentliche Quelle, woraus
ſie entſtehet, deutlich angezeiget. (*)
Dieſer gluͤkliche Hang an fremden Jntereſſe Theil
zu nehmen, und, ſelbſt erdichtetes Gutes und Boͤ-
ſes ſich gleichſam zuzueignen, koͤnnen die ſchoͤnen
Kuͤnſte ſich mit großem Vortheile zu Nuze machen.
Jndem Horaz von den Dichtern ſagt:
Aut prodeſſe volunt aut delectare poetæ
Aut ſimul et jucunda et idonea dicere vitæ.
zeiget er das doppelte Hauptintereſſe aller Kuͤnſtler
an. Wollen ſie uns angenehm unterhalten, ſo koͤn-
nen ſie ihren Zwek nicht beſſer erreichen, als wenn
ſie uns Scenen ſchildern, die vermoͤge der Theilneh-
mung unſre Neigungen und Leidenſchaften in lebhaf-
tes Spiehl ſezen; und wenn ſie nuͤzlich und lehrreich
ſeyn wollen, ſo koͤnnen ſie es eben dadurch auf eine
vorzuͤgliche Weiſe ſeyn. Dieſes iſt aber bereits an
andern Orten hinlaͤnglich gezeiget worden. (*)
Die Theilnehmung beruhet hauptſaͤchlich auf der
Aufmerkſamkeit, die wir auf die vorgeſchilderte Ge-
genſtaͤnde richten. Je groͤßer ſie iſt, je mehr vergeſ-
ſen wir unſern wuͤrklichen Zuſtand, und je ſtaͤrker
fuͤhlen wir den eingebildeten, in dem wir uns bey
Gelegenheit deſſen, was uns vorgeſtellt wird, ſezen.
Deswegen muß der Kuͤnſtler ſehr beſorget ſeyn, daß
die Aufmerkſamkeit auf den vorgeſtellten Gegenſtand
durch nichts geſchwaͤcht, oder gar unterbrochen
werde. Alles was die Taͤuſchung befoͤrdert, oder
hindert, iſt auch der Theilnehmung befoͤrderlich, oder
hinderlich: darum haben wir nicht noͤthig das, was
bereits hieruͤber geſagt worden, (*) zu wiederholen.
Thuͤr.
(Baukunſt.)
Unter dieſem allgemeinen Namen begreifen wir
alle Arten der Oefnungen an den Waͤnden der Ge-
baͤude, die zum Heraus- oder Hereingehen, oder
Fahren gemacht ſind; folglich außer dem, was
man im eigentlichen Verſtand Thuͤren nennt, die
Portale und Thorwege.
Der Baumeiſter hat in Anſehung der Thuͤren
verſchiedenes zu uͤberlegen, das er nicht verſaͤumen
darf; beſonders den Ort, wo er ſie anbringt, ihre
Geſtalt und Groͤße. Die Natur der Sache bringt
es mit, daß ſie muͤſſen in die Augen fallen. Haus-
thuͤren muͤſſen mitten an den Außenſeiten ſeyn, weil
ſie einzele Stuͤke ſind, (*) und weil auch der Be-
quaͤmlichkeit halber dieſes der beſte Plaz iſt. Die
Thuͤren der Zimmer muͤſſen ſo angebracht werden,
daß dadurch nichts unregelmaͤßiges entſteht. Sind
ſie an einer den Fenſtern gegen uͤberſtehenden Wand,
ſo muͤſſen ſie entweder auf einen Pfeiler oder auf ein
Fenſter treffen. Ueberhaupt wird ein nachdenken-
der Baumeiſter ſie allemal ſo anzubringen ſuchen,
daß weder von außen noch von innen die Regelmaͤßig-
keit noch die Eurythmie geſtoͤhrt wird.
Die
(*) S. Lei-
denſchaft.
S. 700.
70 und
Taͤuſchung
(*) S.
Empfin-
dung; Lei-
denſchaft.
(*) S.
Taͤuſchung
(*) S.
Symme-
trie.
Zweyter Theil. E e e e e e e
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 1155[1137]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/584>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.