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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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Ver
verschiedenen Arten derselben anzuzeigen, noch ihre
Würkungen zu erkennen.

Wir würden diese Sammlung etwa nach dieser
Eintheilung ordnen. 1. Versezungen, deren Wür-
kung sich blos auf Wolklang erstrekt. 2. Die zur
Deutlichkeit des Sinnes, oder zur Kürze dienen.
3. Die dem Ton der Rede einen gewissen Charakter
geben. 4. Die den Nachdruk verstärken, und das
Leidenschaftliche der Red fühlbarer machen.

Es ist offenbar, daß für redende Künste die
Sprach, die die meisten Vorzüge hat, zu allen
Arten der Versezungen die biegsamste ist. Wenn
unsre Sprache der Griechischen und Lateinischen
hierin nicht gleich kommt, so stehet sie doch nicht
leichte einer der izigen europäischen Sprachen nach.
Aber diese Materie ist an sich so schweer, so weit-
läuftig, und für unsre Sprache besonders so wenig
bearbeitet, daß ich mir nicht getraue ihre Behand-
lung hier vorzunehmen.

Versezungszeichen.
(Musik.)

Sind solche, die den Noten vorgesezt werden, wenn
sie höher oder tiefer, als ihre Stelle anzeigt, oder als
die Tonleiter des Tones, aus dem das Stük geht,
erfodert, genommen werden sollen. Jn unserm an-
genommenen Notensystem haben nur die Töne c d
e f g a h,
durch alle Octaven ihre eigenen Noten.
Alle übrige höhere oder tiefere Töne werden durch
Versezungszeichen, die diesen Noten vorgesezt wer-
den, angezeiget. Sie sind entweder zufällig und
stehen unmittelbar vor der Note, die erhöhet oder
erniedriget werden soll; in diesem Fall bestimmen
sie die veränderte Höhe oder Tiefe der einzigen Note,
vor welcher sie stehen, oder höchstens aller derer,
die in einem Takt auf der nämlichen Stufe stehen,
wenn nämlich kein anderes Zeichen, wodurch ihre
Geltung wieder aufgehoben wird, vorhergehet:
oder sie werden am Anfange des Stüks neben den
[Spaltenumbruch]

Ver
Schlüssel gestellet, und gelten alsdenn durchs ganze
Stük (*). Sie sind folgende:

a) Erhöhungszeichen.
1) , das Kreuz, oder Doppelkreuz, welches einen
halben Ton (+) erhöhet.
2) , das einfache Kreuz, welches die Stelle des
vorhergehenden bey solchen Tönen vertritt, bey
denen ein x vorausgesezet wird, oder die in
der Vorzeichnung schon ein x haben.
b) Erniedrigungszeichen.
1) b, das Be, oder das runde Be, welches einen
halben Ton erniedriget.
2) b, deutlicher bb, das große oder zweyfache Be,
welches statt des vorhergehenden b nur solche
Töne um einen halben Ton erniedriget, die schon
ein b in der Vorzeichnung haben.
c) Das Wiederherstellungs- oder Wie-
derrufungszeichen.

, das vierekigte Be, oder Be quadrat, welches
sowol die in der Vorzeichnung durch x erhöhten
Töne um einen halben Ton erniedriget, als auch
die durch b erniedrigten um einen halben Ton
erhöhet. Jn diesen Fällen zerstöhrt das bey
einer oder etlichen auf einander folgenden nämli-
chen Noten eines ganzen Takts die Vorzeichnung,
wenn seine Geltung nicht vorher durch das x
oder b derselben wieder aufgehoben wird. Es
wird aber auch vor solche Noten gesezt, die kurz
vorher ein x oder b, das nicht in der Vorzeich-
nung befindlich ist, gehabt haben, und hebt als-
denn die Geltung derselben wieder auf, indem
es den natürlichen Ton der Tonleiter wieder-
herstellet.

Es ist nicht gar lange, daß man sich in dieser
lezten Absicht des auch nach einem + oder b b be-
diente, und dadurch das x oder b der Vorzeichnung
wieder herstellete. Dieses war der Eigenschaft des

Wie-
(*) S.
Vorzeich-
nung.
(+) [Spaltenumbruch]
Meistentheils sollte dieses der kleine halbe Ton
seyn, nämlich der Unterschied zwischen der großen und
kleinen Terz. Auf unsern Clavieren und Orgeln, wo
dieser kleine halbe Ton in andern Umständen zu klein,
und daher unbrauchbar seyn würde, kommt statt dessen
oder vor. Die Erhöhung des einfachen Kreuzes sollte
ebenfalls nur betragen, weil bey diesem Krenz allezeit
ein durch x erhöhter Ton vorausgesezt wird: es ist daher
[Spaltenumbruch] falsch, wenn einige sagen, daß das + einen ganzen Ton
erhöhe, weil es unsinnig seyn würde von C in +Cis oder
von F in + Fis überzugehen. Gleiche Bewandniß hat es
mit den Erniedrigungszeichen. Von einem durch erhöh-
ten Ton zu seiner kleinen Secunde, wie von c nach d,
von f nach g etc. ist allezeit ein großer halber Ton; des-
gleichen von einem durch b erniedrigten Ton zu seiner klei-
nen Untersecunde, als von ba nach g, von bg nach f etc.
O o o o o o o 2

[Spaltenumbruch]

Ver
verſchiedenen Arten derſelben anzuzeigen, noch ihre
Wuͤrkungen zu erkennen.

Wir wuͤrden dieſe Sammlung etwa nach dieſer
Eintheilung ordnen. 1. Verſezungen, deren Wuͤr-
kung ſich blos auf Wolklang erſtrekt. 2. Die zur
Deutlichkeit des Sinnes, oder zur Kuͤrze dienen.
3. Die dem Ton der Rede einen gewiſſen Charakter
geben. 4. Die den Nachdruk verſtaͤrken, und das
Leidenſchaftliche der Red fuͤhlbarer machen.

Es iſt offenbar, daß fuͤr redende Kuͤnſte die
Sprach, die die meiſten Vorzuͤge hat, zu allen
Arten der Verſezungen die biegſamſte iſt. Wenn
unſre Sprache der Griechiſchen und Lateiniſchen
hierin nicht gleich kommt, ſo ſtehet ſie doch nicht
leichte einer der izigen europaͤiſchen Sprachen nach.
Aber dieſe Materie iſt an ſich ſo ſchweer, ſo weit-
laͤuftig, und fuͤr unſre Sprache beſonders ſo wenig
bearbeitet, daß ich mir nicht getraue ihre Behand-
lung hier vorzunehmen.

Verſezungszeichen.
(Muſik.)

Sind ſolche, die den Noten vorgeſezt werden, wenn
ſie hoͤher oder tiefer, als ihre Stelle anzeigt, oder als
die Tonleiter des Tones, aus dem das Stuͤk geht,
erfodert, genommen werden ſollen. Jn unſerm an-
genommenen Notenſyſtem haben nur die Toͤne c d
e f g a h,
durch alle Octaven ihre eigenen Noten.
Alle uͤbrige hoͤhere oder tiefere Toͤne werden durch
Verſezungszeichen, die dieſen Noten vorgeſezt wer-
den, angezeiget. Sie ſind entweder zufaͤllig und
ſtehen unmittelbar vor der Note, die erhoͤhet oder
erniedriget werden ſoll; in dieſem Fall beſtimmen
ſie die veraͤnderte Hoͤhe oder Tiefe der einzigen Note,
vor welcher ſie ſtehen, oder hoͤchſtens aller derer,
die in einem Takt auf der naͤmlichen Stufe ſtehen,
wenn naͤmlich kein anderes Zeichen, wodurch ihre
Geltung wieder aufgehoben wird, vorhergehet:
oder ſie werden am Anfange des Stuͤks neben den
[Spaltenumbruch]

Ver
Schluͤſſel geſtellet, und gelten alsdenn durchs ganze
Stuͤk (*). Sie ſind folgende:

a) Erhoͤhungszeichen.
1) 𝇏, das Kreuz, oder Doppelkreuz, welches einen
halben Ton (†) erhoͤhet.
2) 𝅄, das einfache Kreuz, welches die Stelle des
vorhergehenden bey ſolchen Toͤnen vertritt, bey
denen ein x vorausgeſezet wird, oder die in
der Vorzeichnung ſchon ein x haben.
b) Erniedrigungszeichen.
1) b, das Be, oder das runde Be, welches einen
halben Ton erniedriget.
2) b, deutlicher bb, das große oder zweyfache Be,
welches ſtatt des vorhergehenden b nur ſolche
Toͤne um einen halben Ton erniedriget, die ſchon
ein b in der Vorzeichnung haben.
c) Das Wiederherſtellungs- oder Wie-
derrufungszeichen.

♮, das vierekigte Be, oder Be quadrat, welches
ſowol die in der Vorzeichnung durch x erhoͤhten
Toͤne um einen halben Ton erniedriget, als auch
die durch b erniedrigten um einen halben Ton
erhoͤhet. Jn dieſen Faͤllen zerſtoͤhrt das ♮ bey
einer oder etlichen auf einander folgenden naͤmli-
chen Noten eines ganzen Takts die Vorzeichnung,
wenn ſeine Geltung nicht vorher durch das x
oder b derſelben wieder aufgehoben wird. Es
wird aber auch vor ſolche Noten geſezt, die kurz
vorher ein x oder b, das nicht in der Vorzeich-
nung befindlich iſt, gehabt haben, und hebt als-
denn die Geltung derſelben wieder auf, indem
es den natuͤrlichen Ton der Tonleiter wieder-
herſtellet.

Es iſt nicht gar lange, daß man ſich in dieſer
lezten Abſicht des ♮ auch nach einem + oder b b be-
diente, und dadurch das x oder b der Vorzeichnung
wieder herſtellete. Dieſes war der Eigenſchaft des

Wie-
(*) S.
Vorzeich-
nung.
(†) [Spaltenumbruch]
Meiſtentheils ſollte dieſes der kleine halbe Ton
ſeyn, naͤmlich der Unterſchied zwiſchen der großen und
kleinen Terz. Auf unſern Clavieren und Orgeln, wo
dieſer kleine halbe Ton in andern Umſtaͤnden zu klein,
und daher unbrauchbar ſeyn wuͤrde, kommt ſtatt deſſen
oder vor. Die Erhoͤhung des einfachen Kreuzes ſollte
ebenfalls nur betragen, weil bey dieſem Krenz allezeit
ein durch x erhoͤhter Ton vorausgeſezt wird: es iſt daher
[Spaltenumbruch] falſch, wenn einige ſagen, daß das + einen ganzen Ton
erhoͤhe, weil es unſinnig ſeyn wuͤrde von C in +Cis oder
von F in + Fis uͤberzugehen. Gleiche Bewandniß hat es
mit den Erniedrigungszeichen. Von einem durch 𝇏erhoͤh-
ten Ton zu ſeiner kleinen Secunde, wie von 𝇏c nach d,
von 𝇏f nach g ꝛc. iſt allezeit ein großer halber Ton; des-
gleichen von einem durch b erniedrigten Ton zu ſeiner klei-
nen Unterſecunde, als von ba nach g, von bg nach f ꝛc.
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[1229[1211]/0658] Ver Ver verſchiedenen Arten derſelben anzuzeigen, noch ihre Wuͤrkungen zu erkennen. Wir wuͤrden dieſe Sammlung etwa nach dieſer Eintheilung ordnen. 1. Verſezungen, deren Wuͤr- kung ſich blos auf Wolklang erſtrekt. 2. Die zur Deutlichkeit des Sinnes, oder zur Kuͤrze dienen. 3. Die dem Ton der Rede einen gewiſſen Charakter geben. 4. Die den Nachdruk verſtaͤrken, und das Leidenſchaftliche der Red fuͤhlbarer machen. Es iſt offenbar, daß fuͤr redende Kuͤnſte die Sprach, die die meiſten Vorzuͤge hat, zu allen Arten der Verſezungen die biegſamſte iſt. Wenn unſre Sprache der Griechiſchen und Lateiniſchen hierin nicht gleich kommt, ſo ſtehet ſie doch nicht leichte einer der izigen europaͤiſchen Sprachen nach. Aber dieſe Materie iſt an ſich ſo ſchweer, ſo weit- laͤuftig, und fuͤr unſre Sprache beſonders ſo wenig bearbeitet, daß ich mir nicht getraue ihre Behand- lung hier vorzunehmen. Verſezungszeichen. (Muſik.) Sind ſolche, die den Noten vorgeſezt werden, wenn ſie hoͤher oder tiefer, als ihre Stelle anzeigt, oder als die Tonleiter des Tones, aus dem das Stuͤk geht, erfodert, genommen werden ſollen. Jn unſerm an- genommenen Notenſyſtem haben nur die Toͤne c d e f g a h, durch alle Octaven ihre eigenen Noten. Alle uͤbrige hoͤhere oder tiefere Toͤne werden durch Verſezungszeichen, die dieſen Noten vorgeſezt wer- den, angezeiget. Sie ſind entweder zufaͤllig und ſtehen unmittelbar vor der Note, die erhoͤhet oder erniedriget werden ſoll; in dieſem Fall beſtimmen ſie die veraͤnderte Hoͤhe oder Tiefe der einzigen Note, vor welcher ſie ſtehen, oder hoͤchſtens aller derer, die in einem Takt auf der naͤmlichen Stufe ſtehen, wenn naͤmlich kein anderes Zeichen, wodurch ihre Geltung wieder aufgehoben wird, vorhergehet: oder ſie werden am Anfange des Stuͤks neben den Schluͤſſel geſtellet, und gelten alsdenn durchs ganze Stuͤk (*). Sie ſind folgende: a) Erhoͤhungszeichen. 1) 𝇏, das Kreuz, oder Doppelkreuz, welches einen halben Ton (†) erhoͤhet. 2) 𝅄, das einfache Kreuz, welches die Stelle des vorhergehenden bey ſolchen Toͤnen vertritt, bey denen ein x vorausgeſezet wird, oder die in der Vorzeichnung ſchon ein x haben. b) Erniedrigungszeichen. 1) b, das Be, oder das runde Be, welches einen halben Ton erniedriget. 2) b, deutlicher bb, das große oder zweyfache Be, welches ſtatt des vorhergehenden b nur ſolche Toͤne um einen halben Ton erniedriget, die ſchon ein b in der Vorzeichnung haben. c) Das Wiederherſtellungs- oder Wie- derrufungszeichen. ♮, das vierekigte Be, oder Be quadrat, welches ſowol die in der Vorzeichnung durch x erhoͤhten Toͤne um einen halben Ton erniedriget, als auch die durch b erniedrigten um einen halben Ton erhoͤhet. Jn dieſen Faͤllen zerſtoͤhrt das ♮ bey einer oder etlichen auf einander folgenden naͤmli- chen Noten eines ganzen Takts die Vorzeichnung, wenn ſeine Geltung nicht vorher durch das x oder b derſelben wieder aufgehoben wird. Es wird aber auch vor ſolche Noten geſezt, die kurz vorher ein x oder b, das nicht in der Vorzeich- nung befindlich iſt, gehabt haben, und hebt als- denn die Geltung derſelben wieder auf, indem es den natuͤrlichen Ton der Tonleiter wieder- herſtellet. Es iſt nicht gar lange, daß man ſich in dieſer lezten Abſicht des ♮ auch nach einem + oder b b be- diente, und dadurch das x oder b der Vorzeichnung wieder herſtellete. Dieſes war der Eigenſchaft des Wie- (*) S. Vorzeich- nung. (†) Meiſtentheils ſollte dieſes der kleine halbe Ton [FORMEL] ſeyn, naͤmlich der Unterſchied zwiſchen der großen und kleinen Terz. Auf unſern Clavieren und Orgeln, wo dieſer kleine halbe Ton in andern Umſtaͤnden zu klein, und daher unbrauchbar ſeyn wuͤrde, kommt ſtatt deſſen [FORMEL] oder [FORMEL] vor. Die Erhoͤhung des einfachen Kreuzes ſollte ebenfalls nur [FORMEL] betragen, weil bey dieſem Krenz allezeit ein durch x erhoͤhter Ton vorausgeſezt wird: es iſt daher falſch, wenn einige ſagen, daß das + einen ganzen Ton erhoͤhe, weil es unſinnig ſeyn wuͤrde von C in +Cis oder von F in + Fis uͤberzugehen. Gleiche Bewandniß hat es mit den Erniedrigungszeichen. Von einem durch 𝇏erhoͤh- ten Ton zu ſeiner kleinen Secunde, wie von 𝇏c nach d, von 𝇏f nach g ꝛc. iſt allezeit ein großer halber Ton; des- gleichen von einem durch b erniedrigten Ton zu ſeiner klei- nen Unterſecunde, als von ba nach g, von bg nach f ꝛc. O o o o o o o 2

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 1229[1211]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/658>, abgerufen am 24.11.2024.