Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite
L.


[Spaltenumbruch]
La.
(Musik.)

Mit dieser Sylbe wird nach der Aretinischen Sol-
misation der lezte oder sechste Ton des Hexachords
bezeichnet; folglich ist La immer die natürliche,
oder diatonische Sexte des angenommenen Grund-
tones. Nimmt man C für den Grundton an, so
bezeichnet La den Ton A; ist G der Grundton, so
wird der Ton E mit La bezeichnet. (*)

Labyrinth.
(Gartenkunst.)

Mit diesem Worte, das von ägyptischer Herkunft
zu seyn scheinet, bezeichnet man gegenwärtig in Lust-
gärten einen Plaz, in welchem vielerley Gänge so
seltsam durch einander laufen, daß man sich schwer-
lich aus denselben herausfinden kann. Vor ein
paar hundert Jahren waren die Labyrinthe in Lust-
gärten gemein; izt aber sind sie ziemlich in Verach-
tung gekommen.

Der Name kommt von einem uralten ägyptischen
Gebäude her, das so sehr weitläuftig und mit so
mannigfaltigen Gängen und Zimmern angelegt
war, daß man sich nicht wieder herausfinden konnte,
wenn man sich einmal darin zu weit vertieft hatte.
Der Labyrinth in Creta, der durch den Theseus so
berühmt worden, wird von den Alten auch für ein
Gebäud ausgegeben, das Dädalus nach dem Muster
des Aegyptischen soll aufgeführt haben. Es ist aber
wahrscheinlicher, daß es eine sehr weitläuftige Berg-
höle gewesen, wie die Baumannshöle in Deutsch-
land ist. Wär es ein so maßives Gebäude gewe-
sen, wie Plinius vorgiebt, so läßt sich nicht begrei-
fen, warum zu den Zeiten des Diodorus aus Sici-
lien keine Spuhr desselben mehr übrig gewesen.
Also gehört die Erzählung der Griechen von dem
von ihrem ersten Baumeister aufgeführten Labyrinth
in Creta, unter die Mährchen, dergleichen sie sehr
viele ausgebreitet haben, um ihrer Nation die Ehre
der Erfindung aller Künste zuzuschreiben. (*)

[Spaltenumbruch]
Lächerlich.
(Schöne Künste.)

Die Dinge, worüber wir lachen, haben allemal
nach unserm Urtheil etwas ungereimtes, oder etwas
unmögliches, und der seltsame Zustand des Gemüths
der das Lachen verursachet, entsteht aus der Unge-
wißheit unsers Urtheils, nach welchem zwey wieder-
sprechende Dinge gleich wahr scheinen. Jn dem
Augenblike, da wir urtheilen wollen, ein Ding sey
so, empfinden wir das Gegentheil davon; in dem
wir das Urtheil bilden, wird es auch wieder zerstöhrt.
Man lacht beym Küzeln, über die Ungewißheit, ob
man Schmerzen oder Wollust empfinde; bey seltsa-
men Taschenspielerkünsten, weil man nicht weiß, ob
das was man sieht, würklich, oder eingebildet ist.
Wenn ein Narr klug, ein junger Mensch alt, ein
furchtsamer Hase beherzt thut; oder wenn einer et-
was sucht, das er in der Hand hat; so fühlen wir
uns zum Lachen geneigt; weil wir Dinge beysam-
men zu sehen glauben, die unmöglich zugleich seyn
können. So lächelt jeder Anfänger der Geometrie,
wenn er den Beweis des enklidischen Sazes von
dem vermeinten Winkel, den die Tangente des Cir-
kels mit dem Bogen macht, gelesen hat: sein Aug
sieht einen Winkel, und fein Verstand sagt ihm,
daß keiner da sey. Nichts ist wunderbarer und über-
raschender, als daß man zwey einander gerad ent-
gegengesezte Handlungen zugleich thun, daß man
zugleich ja und nein sagen soll. Dieses scheint man
doch in erwähnten Fällen zu thun, und daher kommt
das Belustigende in der Sache, wenn sie blos als
ein Gegenstand der Neugierde betrachtet wird. Wa-
rum lacht bisweilen ein junges unschuldiges Mäd-
chen, wenn es seine Einwilligungen in eine Sache
geben soll, die es lebhaft verlanget? Eben des-
wegen, weil die Schamhaftigkeit Nein, und die
Liebe Ja sagt. Wie soll beydes zugleich statt haben
können?

Das Lachen hat seinen Grund blos in der Vor-
stellungskraft, in so fern sie die Beschaffenheit der
Sachen, als einen Gegenstand der Neugierde beur-
theilet: so bald das Herz Antheil daran nihmt, hört

das
(*) S Sol-
misation.
(*) S.
Künste.
L.


[Spaltenumbruch]
La.
(Muſik.)

Mit dieſer Sylbe wird nach der Aretiniſchen Sol-
miſation der lezte oder ſechste Ton des Hexachords
bezeichnet; folglich iſt La immer die natuͤrliche,
oder diatoniſche Sexte des angenommenen Grund-
tones. Nimmt man C fuͤr den Grundton an, ſo
bezeichnet La den Ton A; iſt G der Grundton, ſo
wird der Ton E mit La bezeichnet. (*)

Labyrinth.
(Gartenkunſt.)

Mit dieſem Worte, das von aͤgyptiſcher Herkunft
zu ſeyn ſcheinet, bezeichnet man gegenwaͤrtig in Luſt-
gaͤrten einen Plaz, in welchem vielerley Gaͤnge ſo
ſeltſam durch einander laufen, daß man ſich ſchwer-
lich aus denſelben herausfinden kann. Vor ein
paar hundert Jahren waren die Labyrinthe in Luſt-
gaͤrten gemein; izt aber ſind ſie ziemlich in Verach-
tung gekommen.

Der Name kommt von einem uralten aͤgyptiſchen
Gebaͤude her, das ſo ſehr weitlaͤuftig und mit ſo
mannigfaltigen Gaͤngen und Zimmern angelegt
war, daß man ſich nicht wieder herausfinden konnte,
wenn man ſich einmal darin zu weit vertieft hatte.
Der Labyrinth in Creta, der durch den Theſeus ſo
beruͤhmt worden, wird von den Alten auch fuͤr ein
Gebaͤud ausgegeben, das Daͤdalus nach dem Muſter
des Aegyptiſchen ſoll aufgefuͤhrt haben. Es iſt aber
wahrſcheinlicher, daß es eine ſehr weitlaͤuftige Berg-
hoͤle geweſen, wie die Baumannshoͤle in Deutſch-
land iſt. Waͤr es ein ſo maßives Gebaͤude gewe-
ſen, wie Plinius vorgiebt, ſo laͤßt ſich nicht begrei-
fen, warum zu den Zeiten des Diodorus aus Sici-
lien keine Spuhr deſſelben mehr uͤbrig geweſen.
Alſo gehoͤrt die Erzaͤhlung der Griechen von dem
von ihrem erſten Baumeiſter aufgefuͤhrten Labyrinth
in Creta, unter die Maͤhrchen, dergleichen ſie ſehr
viele ausgebreitet haben, um ihrer Nation die Ehre
der Erfindung aller Kuͤnſte zuzuſchreiben. (*)

[Spaltenumbruch]
Laͤcherlich.
(Schoͤne Kuͤnſte.)

Die Dinge, woruͤber wir lachen, haben allemal
nach unſerm Urtheil etwas ungereimtes, oder etwas
unmoͤgliches, und der ſeltſame Zuſtand des Gemuͤths
der das Lachen verurſachet, entſteht aus der Unge-
wißheit unſers Urtheils, nach welchem zwey wieder-
ſprechende Dinge gleich wahr ſcheinen. Jn dem
Augenblike, da wir urtheilen wollen, ein Ding ſey
ſo, empfinden wir das Gegentheil davon; in dem
wir das Urtheil bilden, wird es auch wieder zerſtoͤhrt.
Man lacht beym Kuͤzeln, uͤber die Ungewißheit, ob
man Schmerzen oder Wolluſt empfinde; bey ſeltſa-
men Taſchenſpielerkuͤnſten, weil man nicht weiß, ob
das was man ſieht, wuͤrklich, oder eingebildet iſt.
Wenn ein Narr klug, ein junger Menſch alt, ein
furchtſamer Haſe beherzt thut; oder wenn einer et-
was ſucht, das er in der Hand hat; ſo fuͤhlen wir
uns zum Lachen geneigt; weil wir Dinge beyſam-
men zu ſehen glauben, die unmoͤglich zugleich ſeyn
koͤnnen. So laͤchelt jeder Anfaͤnger der Geometrie,
wenn er den Beweis des enklidiſchen Sazes von
dem vermeinten Winkel, den die Tangente des Cir-
kels mit dem Bogen macht, geleſen hat: ſein Aug
ſieht einen Winkel, und fein Verſtand ſagt ihm,
daß keiner da ſey. Nichts iſt wunderbarer und uͤber-
raſchender, als daß man zwey einander gerad ent-
gegengeſezte Handlungen zugleich thun, daß man
zugleich ja und nein ſagen ſoll. Dieſes ſcheint man
doch in erwaͤhnten Faͤllen zu thun, und daher kommt
das Beluſtigende in der Sache, wenn ſie blos als
ein Gegenſtand der Neugierde betrachtet wird. Wa-
rum lacht bisweilen ein junges unſchuldiges Maͤd-
chen, wenn es ſeine Einwilligungen in eine Sache
geben ſoll, die es lebhaft verlanget? Eben des-
wegen, weil die Schamhaftigkeit Nein, und die
Liebe Ja ſagt. Wie ſoll beydes zugleich ſtatt haben
koͤnnen?

Das Lachen hat ſeinen Grund blos in der Vor-
ſtellungskraft, in ſo fern ſie die Beſchaffenheit der
Sachen, als einen Gegenſtand der Neugierde beur-
theilet: ſo bald das Herz Antheil daran nihmt, hoͤrt

das
(*) S Sol-
miſation.
(*) S.
Kuͤnſte.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0079" n="644"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">L.</hi> </head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <cb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">La.<lb/>
(Mu&#x017F;ik.)</hi> </head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">M</hi>it die&#x017F;er Sylbe wird nach der Aretini&#x017F;chen Sol-<lb/>
mi&#x017F;ation der lezte oder &#x017F;echste Ton des Hexachords<lb/>
bezeichnet; folglich i&#x017F;t La immer die natu&#x0364;rliche,<lb/>
oder diatoni&#x017F;che Sexte des angenommenen Grund-<lb/>
tones. Nimmt man <hi rendition="#aq">C</hi> fu&#x0364;r den Grundton an, &#x017F;o<lb/>
bezeichnet La den Ton <hi rendition="#aq">A;</hi> i&#x017F;t <hi rendition="#aq">G</hi> der Grundton, &#x017F;o<lb/>
wird der Ton <hi rendition="#aq">E</hi> mit La bezeichnet. <note place="foot" n="(*)">S Sol-<lb/>
mi&#x017F;ation.</note></p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Labyrinth.</hi><lb/>
(Gartenkun&#x017F;t.)</hi> </head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">M</hi>it die&#x017F;em Worte, das von a&#x0364;gypti&#x017F;cher Herkunft<lb/>
zu &#x017F;eyn &#x017F;cheinet, bezeichnet man gegenwa&#x0364;rtig in Lu&#x017F;t-<lb/>
ga&#x0364;rten einen Plaz, in welchem vielerley Ga&#x0364;nge &#x017F;o<lb/>
&#x017F;elt&#x017F;am durch einander laufen, daß man &#x017F;ich &#x017F;chwer-<lb/>
lich aus den&#x017F;elben herausfinden kann. Vor ein<lb/>
paar hundert Jahren waren die Labyrinthe in Lu&#x017F;t-<lb/>
ga&#x0364;rten gemein; izt aber &#x017F;ind &#x017F;ie ziemlich in Verach-<lb/>
tung gekommen.</p><lb/>
          <p>Der Name kommt von einem uralten a&#x0364;gypti&#x017F;chen<lb/>
Geba&#x0364;ude her, das &#x017F;o &#x017F;ehr weitla&#x0364;uftig und mit &#x017F;o<lb/>
mannigfaltigen Ga&#x0364;ngen und Zimmern angelegt<lb/>
war, daß man &#x017F;ich nicht wieder herausfinden konnte,<lb/>
wenn man &#x017F;ich einmal darin zu weit vertieft hatte.<lb/>
Der Labyrinth in Creta, der durch den The&#x017F;eus &#x017F;o<lb/>
beru&#x0364;hmt worden, wird von den Alten auch fu&#x0364;r ein<lb/>
Geba&#x0364;ud ausgegeben, das Da&#x0364;dalus nach dem Mu&#x017F;ter<lb/>
des Aegypti&#x017F;chen &#x017F;oll aufgefu&#x0364;hrt haben. Es i&#x017F;t aber<lb/>
wahr&#x017F;cheinlicher, daß es eine &#x017F;ehr weitla&#x0364;uftige Berg-<lb/>
ho&#x0364;le gewe&#x017F;en, wie die Baumannsho&#x0364;le in Deut&#x017F;ch-<lb/>
land i&#x017F;t. Wa&#x0364;r es ein &#x017F;o maßives Geba&#x0364;ude gewe-<lb/>
&#x017F;en, wie Plinius vorgiebt, &#x017F;o la&#x0364;ßt &#x017F;ich nicht begrei-<lb/>
fen, warum zu den Zeiten des Diodorus aus Sici-<lb/>
lien keine Spuhr de&#x017F;&#x017F;elben mehr u&#x0364;brig gewe&#x017F;en.<lb/>
Al&#x017F;o geho&#x0364;rt die Erza&#x0364;hlung der Griechen von dem<lb/>
von ihrem er&#x017F;ten Baumei&#x017F;ter aufgefu&#x0364;hrten Labyrinth<lb/>
in Creta, unter die Ma&#x0364;hrchen, dergleichen &#x017F;ie &#x017F;ehr<lb/>
viele ausgebreitet haben, um ihrer Nation die Ehre<lb/>
der Erfindung aller Ku&#x0364;n&#x017F;te zuzu&#x017F;chreiben. <note place="foot" n="(*)">S.<lb/>
Ku&#x0364;n&#x017F;te.</note></p><lb/>
          <cb/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">La&#x0364;cherlich.</hi><lb/>
(Scho&#x0364;ne Ku&#x0364;n&#x017F;te.)</hi> </head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">D</hi>ie Dinge, woru&#x0364;ber wir lachen, haben allemal<lb/>
nach un&#x017F;erm Urtheil etwas ungereimtes, oder etwas<lb/>
unmo&#x0364;gliches, und der &#x017F;elt&#x017F;ame Zu&#x017F;tand des Gemu&#x0364;ths<lb/>
der das Lachen verur&#x017F;achet, ent&#x017F;teht aus der Unge-<lb/>
wißheit un&#x017F;ers Urtheils, nach welchem zwey wieder-<lb/>
&#x017F;prechende Dinge gleich wahr &#x017F;cheinen. Jn dem<lb/>
Augenblike, da wir urtheilen wollen, ein Ding &#x017F;ey<lb/>
&#x017F;o, empfinden wir das Gegentheil davon; in dem<lb/>
wir das Urtheil bilden, wird es auch wieder zer&#x017F;to&#x0364;hrt.<lb/>
Man lacht beym Ku&#x0364;zeln, u&#x0364;ber die Ungewißheit, ob<lb/>
man Schmerzen oder Wollu&#x017F;t empfinde; bey &#x017F;elt&#x017F;a-<lb/>
men Ta&#x017F;chen&#x017F;pielerku&#x0364;n&#x017F;ten, weil man nicht weiß, ob<lb/>
das was man &#x017F;ieht, wu&#x0364;rklich, oder eingebildet i&#x017F;t.<lb/>
Wenn ein Narr klug, ein junger Men&#x017F;ch alt, ein<lb/>
furcht&#x017F;amer Ha&#x017F;e beherzt thut; oder wenn einer et-<lb/>
was &#x017F;ucht, das er in der Hand hat; &#x017F;o fu&#x0364;hlen wir<lb/>
uns zum Lachen geneigt; weil wir Dinge bey&#x017F;am-<lb/>
men zu &#x017F;ehen glauben, die unmo&#x0364;glich zugleich &#x017F;eyn<lb/>
ko&#x0364;nnen. So la&#x0364;chelt jeder Anfa&#x0364;nger der Geometrie,<lb/>
wenn er den Beweis des enklidi&#x017F;chen Sazes von<lb/>
dem vermeinten Winkel, den die Tangente des Cir-<lb/>
kels mit dem Bogen macht, gele&#x017F;en hat: &#x017F;ein Aug<lb/>
&#x017F;ieht einen Winkel, und fein Ver&#x017F;tand &#x017F;agt ihm,<lb/>
daß keiner da &#x017F;ey. Nichts i&#x017F;t wunderbarer und u&#x0364;ber-<lb/>
ra&#x017F;chender, als daß man zwey einander gerad ent-<lb/>
gegenge&#x017F;ezte Handlungen zugleich thun, daß man<lb/>
zugleich ja und nein &#x017F;agen &#x017F;oll. Die&#x017F;es &#x017F;cheint man<lb/>
doch in erwa&#x0364;hnten Fa&#x0364;llen zu thun, und daher kommt<lb/>
das Belu&#x017F;tigende in der Sache, wenn &#x017F;ie blos als<lb/>
ein Gegen&#x017F;tand der Neugierde betrachtet wird. Wa-<lb/>
rum lacht bisweilen ein junges un&#x017F;chuldiges Ma&#x0364;d-<lb/>
chen, wenn es &#x017F;eine Einwilligungen in eine Sache<lb/>
geben &#x017F;oll, die es lebhaft verlanget? Eben des-<lb/>
wegen, weil die Schamhaftigkeit Nein, und die<lb/>
Liebe Ja &#x017F;agt. Wie &#x017F;oll beydes zugleich &#x017F;tatt haben<lb/>
ko&#x0364;nnen?</p><lb/>
          <p>Das Lachen hat &#x017F;einen Grund blos in der Vor-<lb/>
&#x017F;tellungskraft, in &#x017F;o fern &#x017F;ie die Be&#x017F;chaffenheit der<lb/>
Sachen, als einen Gegen&#x017F;tand der Neugierde beur-<lb/>
theilet: &#x017F;o bald das Herz Antheil daran nihmt, ho&#x0364;rt<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">das</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[644/0079] L. La. (Muſik.) Mit dieſer Sylbe wird nach der Aretiniſchen Sol- miſation der lezte oder ſechste Ton des Hexachords bezeichnet; folglich iſt La immer die natuͤrliche, oder diatoniſche Sexte des angenommenen Grund- tones. Nimmt man C fuͤr den Grundton an, ſo bezeichnet La den Ton A; iſt G der Grundton, ſo wird der Ton E mit La bezeichnet. (*) Labyrinth. (Gartenkunſt.) Mit dieſem Worte, das von aͤgyptiſcher Herkunft zu ſeyn ſcheinet, bezeichnet man gegenwaͤrtig in Luſt- gaͤrten einen Plaz, in welchem vielerley Gaͤnge ſo ſeltſam durch einander laufen, daß man ſich ſchwer- lich aus denſelben herausfinden kann. Vor ein paar hundert Jahren waren die Labyrinthe in Luſt- gaͤrten gemein; izt aber ſind ſie ziemlich in Verach- tung gekommen. Der Name kommt von einem uralten aͤgyptiſchen Gebaͤude her, das ſo ſehr weitlaͤuftig und mit ſo mannigfaltigen Gaͤngen und Zimmern angelegt war, daß man ſich nicht wieder herausfinden konnte, wenn man ſich einmal darin zu weit vertieft hatte. Der Labyrinth in Creta, der durch den Theſeus ſo beruͤhmt worden, wird von den Alten auch fuͤr ein Gebaͤud ausgegeben, das Daͤdalus nach dem Muſter des Aegyptiſchen ſoll aufgefuͤhrt haben. Es iſt aber wahrſcheinlicher, daß es eine ſehr weitlaͤuftige Berg- hoͤle geweſen, wie die Baumannshoͤle in Deutſch- land iſt. Waͤr es ein ſo maßives Gebaͤude gewe- ſen, wie Plinius vorgiebt, ſo laͤßt ſich nicht begrei- fen, warum zu den Zeiten des Diodorus aus Sici- lien keine Spuhr deſſelben mehr uͤbrig geweſen. Alſo gehoͤrt die Erzaͤhlung der Griechen von dem von ihrem erſten Baumeiſter aufgefuͤhrten Labyrinth in Creta, unter die Maͤhrchen, dergleichen ſie ſehr viele ausgebreitet haben, um ihrer Nation die Ehre der Erfindung aller Kuͤnſte zuzuſchreiben. (*) Laͤcherlich. (Schoͤne Kuͤnſte.) Die Dinge, woruͤber wir lachen, haben allemal nach unſerm Urtheil etwas ungereimtes, oder etwas unmoͤgliches, und der ſeltſame Zuſtand des Gemuͤths der das Lachen verurſachet, entſteht aus der Unge- wißheit unſers Urtheils, nach welchem zwey wieder- ſprechende Dinge gleich wahr ſcheinen. Jn dem Augenblike, da wir urtheilen wollen, ein Ding ſey ſo, empfinden wir das Gegentheil davon; in dem wir das Urtheil bilden, wird es auch wieder zerſtoͤhrt. Man lacht beym Kuͤzeln, uͤber die Ungewißheit, ob man Schmerzen oder Wolluſt empfinde; bey ſeltſa- men Taſchenſpielerkuͤnſten, weil man nicht weiß, ob das was man ſieht, wuͤrklich, oder eingebildet iſt. Wenn ein Narr klug, ein junger Menſch alt, ein furchtſamer Haſe beherzt thut; oder wenn einer et- was ſucht, das er in der Hand hat; ſo fuͤhlen wir uns zum Lachen geneigt; weil wir Dinge beyſam- men zu ſehen glauben, die unmoͤglich zugleich ſeyn koͤnnen. So laͤchelt jeder Anfaͤnger der Geometrie, wenn er den Beweis des enklidiſchen Sazes von dem vermeinten Winkel, den die Tangente des Cir- kels mit dem Bogen macht, geleſen hat: ſein Aug ſieht einen Winkel, und fein Verſtand ſagt ihm, daß keiner da ſey. Nichts iſt wunderbarer und uͤber- raſchender, als daß man zwey einander gerad ent- gegengeſezte Handlungen zugleich thun, daß man zugleich ja und nein ſagen ſoll. Dieſes ſcheint man doch in erwaͤhnten Faͤllen zu thun, und daher kommt das Beluſtigende in der Sache, wenn ſie blos als ein Gegenſtand der Neugierde betrachtet wird. Wa- rum lacht bisweilen ein junges unſchuldiges Maͤd- chen, wenn es ſeine Einwilligungen in eine Sache geben ſoll, die es lebhaft verlanget? Eben des- wegen, weil die Schamhaftigkeit Nein, und die Liebe Ja ſagt. Wie ſoll beydes zugleich ſtatt haben koͤnnen? Das Lachen hat ſeinen Grund blos in der Vor- ſtellungskraft, in ſo fern ſie die Beſchaffenheit der Sachen, als einen Gegenſtand der Neugierde beur- theilet: ſo bald das Herz Antheil daran nihmt, hoͤrt das (*) S Sol- miſation. (*) S. Kuͤnſte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/79
Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 644. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/79>, abgerufen am 28.11.2024.