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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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Lag

Die Lagen, da die handelnden Personen in einem
völligen Jrrthum und in falschen Erwartungen sind,
oder wo überhaupt etwas wiedersprechendes in den
Sachen ist; wo man einen starken Contrast gewahr
wird, gehören unter die Jntressantesten, und können
nach Beschaffenheit der Sachen sehr tragisch, oder
sehr comisch seyn. Das Jntressante dieser Lagen
liegt vornehmlich in der Art des Wunderbaren, der
entgegengesezten Dinge. Unser Gemüth ist alsdenn in
der lebhaftesten Fassung, wenn alles, was zu Hervor-
bringung eines Zustandes erfodert wird, vorhanden
zu seyn scheinet, ohne daß dieser Zustand erfolget.
Wenn wir Zuschauer eines wichtigen Unternehmens
sind, an dessen guten oder schlechten Erfolg wir star-
ken Antheil nehmen; so sind wir auf das Lebhafteste in
den Augenbliken intreßirt, da wir die Entscheidung
der Sache für gewiß halten. Dauert dieser Zustand
eine Zeitlang, oder erfolget das Gegentheil dessen,
was wir erwarteten, so entsteht eine Erschütterung
im Gemüthe, deren Andenken beynahe unauslösch-
lich bleibet. Wenn das Unternehmen auf dem
Punkt ist zu gelingen oder zu mißlingen, so ent-
steht eine ausnehmend lebhafte Hofnung oder Furcht;
fürnehmlich alsdenn, wenn wir sehen, daß die Per-
sonen, denen am meisten an einem gewissen Erfolg
gelegen ist, das Gegentheil von dem thun, was sie
thun sollten. Man kann sich in solchen Umständen
kaum enthalten mitzureden, oder mitzuwürken.
Wenn wir sehen, daß ein Mensch, das, was er am
sorgfältigsten verbergen sollte, selbst verräth; wenn
er gerade das Gegentheil von dem thut, was er un-
serm Wunsche nach thun sollte, oder wenn er sonst
in einem großen und wichtigen Jrrthum ist; so füh-
len wir eine starke Begierde ihn zurecht zu weisen.
Wenn wir sehen, daß Ulyffes das Geheimnis seiner
Ankunft beym Philoktet nothwendig verbergen muß,
und es doch selbst verräth; so entstehet in uns eine
lebhafte Besorgnis. Wir sind in der größten Verle-
genheit, wenn wir die Clytemnestra bey ihrer An-
kunft in Aulis so vergnügt sehen, da wir doch wis-
sen, wie sehr sie sich betrügt; und wir fühlen ein
ausnehmendes Vergnügen, wenn wir einen Böß-
wicht, wie Aegysth ist, über seine vermeinte Glüksee-
ligkeit in dem Augenblik frohloken sehen, da der Dolch
ihn zu ermorden, schon gezogen ist. Ueberhaupt
sind solche Lagen, wo der Zuschauer die handeln-
den Personen über Hauptangelegenheiten im Jrr-
thum sieht, der ihnen bald wird benommen wer-
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den, höchst intressant. Was kann die Reugierd
und Erwartung lebhafter reizen, als wenn wir die
Elektra beym Sophokles den Orestes, der vor ihr
steht, als todt beweinen sehen, da wir wissen, daß
er auf dem Punkt steht, sich erkennen zu geben?

Es giebt Lagen, die blos den Verstand und die
Neugierd intreßiren, da man äußerst begierig ist
zu sehen, wie die Sachen laufen werden; wie
sich eine Person aus einer großen Verlegenheit her-
aushelfen, oder zum Zwek kommen wird; wie hier
die Unschuld, dort das Verbrechen an den Tag kom-
men wird, wo wir gar keine Möglichkeit dazu se-
hen. Solche Lagen sind allemal, als sittliche oder
politische Aufgaben anzusehen, deren Auflösung wir
von dem Dichter zu erwarten haben. Versteht er
die Kunst, sie natürlich, ohne erzwungene Maschie-
nen, ohne Hülfe völlig unwahrscheinlicher ohnge-
fährer Zufälle aufzulösen, so hat er dadurch unsre
Erkenntniß erweitert. Also können solche, blos für
die Neugierd intressante Lagen, ihren guten Nutzen
haben. Es kommen in den menschlichen Geschäf-
ten unzählige Lagen vor, wo es außerst schweer ist,
mit einiger Zuversicht eine Parthie zu nehmen. Je
mehr Fälle von solchen Lagen, und deren Entwiklung
uns bekannt sind, je mehr Fertigkeit müssen wir
auch haben, uns selbst in ähnlichen Fällen zu ent-
schließen. Und dieses ist einer der Vortheile, die
wir aus der epischen und dramatischen Dichtkunst
ziehen können, wenn nur die Dichter eben so viel
Verstand und Kenntniß des Menschen, als Genie
und Einbildungskraft haben.

Andre Lagen sind mehr leidenschaftlich, und die-
nen hauptsächlich unser Herz zu prüfen, und jede
Empfindung, der es fähig ist, darin rege zu ma-
chen. Man kann sich in traurigen, fürchterlichen,
verzweifelnden, auch in schmeichelhaften, hofnungs-
vollen, fröhlichen Lagen befinden. Alsdenn ist die
ganze empfindende Seele in ihrer größten Lebhaftig-
keit. Man lernet sein eigenes Herz nie besser ken-
nen, als wenn man Gelegenheit hat, sich in Lagen
zu finden, die auf das Glük des Lebens starken Ein-
fluß haben.

Die Dichter müssen demnach keine Gelegenheit
versäumen, uns, wenigstens als Zuschauer, oder
Zeugen in solche Lagen zu setzen. Die epischen und
dramatischen Dichter haben die besten Gelegenhei-
ten hiezu; und müssen dieses für eine ihre wichtig-

sten
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Lag

Die Lagen, da die handelnden Perſonen in einem
voͤlligen Jrrthum und in falſchen Erwartungen ſind,
oder wo uͤberhaupt etwas wiederſprechendes in den
Sachen iſt; wo man einen ſtarken Contraſt gewahr
wird, gehoͤren unter die Jntreſſanteſten, und koͤnnen
nach Beſchaffenheit der Sachen ſehr tragiſch, oder
ſehr comiſch ſeyn. Das Jntreſſante dieſer Lagen
liegt vornehmlich in der Art des Wunderbaren, der
entgegengeſezten Dinge. Unſer Gemuͤth iſt alsdenn in
der lebhafteſten Faſſung, wenn alles, was zu Hervor-
bringung eines Zuſtandes erfodert wird, vorhanden
zu ſeyn ſcheinet, ohne daß dieſer Zuſtand erfolget.
Wenn wir Zuſchauer eines wichtigen Unternehmens
ſind, an deſſen guten oder ſchlechten Erfolg wir ſtar-
ken Antheil nehmen; ſo ſind wir auf das Lebhafteſte in
den Augenbliken intreßirt, da wir die Entſcheidung
der Sache fuͤr gewiß halten. Dauert dieſer Zuſtand
eine Zeitlang, oder erfolget das Gegentheil deſſen,
was wir erwarteten, ſo entſteht eine Erſchuͤtterung
im Gemuͤthe, deren Andenken beynahe unausloͤſch-
lich bleibet. Wenn das Unternehmen auf dem
Punkt iſt zu gelingen oder zu mißlingen, ſo ent-
ſteht eine ausnehmend lebhafte Hofnung oder Furcht;
fuͤrnehmlich alsdenn, wenn wir ſehen, daß die Per-
ſonen, denen am meiſten an einem gewiſſen Erfolg
gelegen iſt, das Gegentheil von dem thun, was ſie
thun ſollten. Man kann ſich in ſolchen Umſtaͤnden
kaum enthalten mitzureden, oder mitzuwuͤrken.
Wenn wir ſehen, daß ein Menſch, das, was er am
ſorgfaͤltigſten verbergen ſollte, ſelbſt verraͤth; wenn
er gerade das Gegentheil von dem thut, was er un-
ſerm Wunſche nach thun ſollte, oder wenn er ſonſt
in einem großen und wichtigen Jrrthum iſt; ſo fuͤh-
len wir eine ſtarke Begierde ihn zurecht zu weiſen.
Wenn wir ſehen, daß Ulyffes das Geheimnis ſeiner
Ankunft beym Philoktet nothwendig verbergen muß,
und es doch ſelbſt verraͤth; ſo entſtehet in uns eine
lebhafte Beſorgnis. Wir ſind in der groͤßten Verle-
genheit, wenn wir die Clytemneſtra bey ihrer An-
kunft in Aulis ſo vergnuͤgt ſehen, da wir doch wiſ-
ſen, wie ſehr ſie ſich betruͤgt; und wir fuͤhlen ein
ausnehmendes Vergnuͤgen, wenn wir einen Boͤß-
wicht, wie Aegyſth iſt, uͤber ſeine vermeinte Gluͤkſee-
ligkeit in dem Augenblik frohloken ſehen, da der Dolch
ihn zu ermorden, ſchon gezogen iſt. Ueberhaupt
ſind ſolche Lagen, wo der Zuſchauer die handeln-
den Perſonen uͤber Hauptangelegenheiten im Jrr-
thum ſieht, der ihnen bald wird benommen wer-
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Lag
den, hoͤchſt intreſſant. Was kann die Reugierd
und Erwartung lebhafter reizen, als wenn wir die
Elektra beym Sophokles den Oreſtes, der vor ihr
ſteht, als todt beweinen ſehen, da wir wiſſen, daß
er auf dem Punkt ſteht, ſich erkennen zu geben?

Es giebt Lagen, die blos den Verſtand und die
Neugierd intreßiren, da man aͤußerſt begierig iſt
zu ſehen, wie die Sachen laufen werden; wie
ſich eine Perſon aus einer großen Verlegenheit her-
aushelfen, oder zum Zwek kommen wird; wie hier
die Unſchuld, dort das Verbrechen an den Tag kom-
men wird, wo wir gar keine Moͤglichkeit dazu ſe-
hen. Solche Lagen ſind allemal, als ſittliche oder
politiſche Aufgaben anzuſehen, deren Aufloͤſung wir
von dem Dichter zu erwarten haben. Verſteht er
die Kunſt, ſie natuͤrlich, ohne erzwungene Maſchie-
nen, ohne Huͤlfe voͤllig unwahrſcheinlicher ohnge-
faͤhrer Zufaͤlle aufzuloͤſen, ſo hat er dadurch unſre
Erkenntniß erweitert. Alſo koͤnnen ſolche, blos fuͤr
die Neugierd intreſſante Lagen, ihren guten Nutzen
haben. Es kommen in den menſchlichen Geſchaͤf-
ten unzaͤhlige Lagen vor, wo es außerſt ſchweer iſt,
mit einiger Zuverſicht eine Parthie zu nehmen. Je
mehr Faͤlle von ſolchen Lagen, und deren Entwiklung
uns bekannt ſind, je mehr Fertigkeit muͤſſen wir
auch haben, uns ſelbſt in aͤhnlichen Faͤllen zu ent-
ſchließen. Und dieſes iſt einer der Vortheile, die
wir aus der epiſchen und dramatiſchen Dichtkunſt
ziehen koͤnnen, wenn nur die Dichter eben ſo viel
Verſtand und Kenntniß des Menſchen, als Genie
und Einbildungskraft haben.

Andre Lagen ſind mehr leidenſchaftlich, und die-
nen hauptſaͤchlich unſer Herz zu pruͤfen, und jede
Empfindung, der es faͤhig iſt, darin rege zu ma-
chen. Man kann ſich in traurigen, fuͤrchterlichen,
verzweifelnden, auch in ſchmeichelhaften, hofnungs-
vollen, froͤhlichen Lagen befinden. Alsdenn iſt die
ganze empfindende Seele in ihrer groͤßten Lebhaftig-
keit. Man lernet ſein eigenes Herz nie beſſer ken-
nen, als wenn man Gelegenheit hat, ſich in Lagen
zu finden, die auf das Gluͤk des Lebens ſtarken Ein-
fluß haben.

Die Dichter muͤſſen demnach keine Gelegenheit
verſaͤumen, uns, wenigſtens als Zuſchauer, oder
Zeugen in ſolche Lagen zu ſetzen. Die epiſchen und
dramatiſchen Dichter haben die beſten Gelegenhei-
ten hiezu; und muͤſſen dieſes fuͤr eine ihre wichtig-

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[652/0087] Lag Lag Die Lagen, da die handelnden Perſonen in einem voͤlligen Jrrthum und in falſchen Erwartungen ſind, oder wo uͤberhaupt etwas wiederſprechendes in den Sachen iſt; wo man einen ſtarken Contraſt gewahr wird, gehoͤren unter die Jntreſſanteſten, und koͤnnen nach Beſchaffenheit der Sachen ſehr tragiſch, oder ſehr comiſch ſeyn. Das Jntreſſante dieſer Lagen liegt vornehmlich in der Art des Wunderbaren, der entgegengeſezten Dinge. Unſer Gemuͤth iſt alsdenn in der lebhafteſten Faſſung, wenn alles, was zu Hervor- bringung eines Zuſtandes erfodert wird, vorhanden zu ſeyn ſcheinet, ohne daß dieſer Zuſtand erfolget. Wenn wir Zuſchauer eines wichtigen Unternehmens ſind, an deſſen guten oder ſchlechten Erfolg wir ſtar- ken Antheil nehmen; ſo ſind wir auf das Lebhafteſte in den Augenbliken intreßirt, da wir die Entſcheidung der Sache fuͤr gewiß halten. Dauert dieſer Zuſtand eine Zeitlang, oder erfolget das Gegentheil deſſen, was wir erwarteten, ſo entſteht eine Erſchuͤtterung im Gemuͤthe, deren Andenken beynahe unausloͤſch- lich bleibet. Wenn das Unternehmen auf dem Punkt iſt zu gelingen oder zu mißlingen, ſo ent- ſteht eine ausnehmend lebhafte Hofnung oder Furcht; fuͤrnehmlich alsdenn, wenn wir ſehen, daß die Per- ſonen, denen am meiſten an einem gewiſſen Erfolg gelegen iſt, das Gegentheil von dem thun, was ſie thun ſollten. Man kann ſich in ſolchen Umſtaͤnden kaum enthalten mitzureden, oder mitzuwuͤrken. Wenn wir ſehen, daß ein Menſch, das, was er am ſorgfaͤltigſten verbergen ſollte, ſelbſt verraͤth; wenn er gerade das Gegentheil von dem thut, was er un- ſerm Wunſche nach thun ſollte, oder wenn er ſonſt in einem großen und wichtigen Jrrthum iſt; ſo fuͤh- len wir eine ſtarke Begierde ihn zurecht zu weiſen. Wenn wir ſehen, daß Ulyffes das Geheimnis ſeiner Ankunft beym Philoktet nothwendig verbergen muß, und es doch ſelbſt verraͤth; ſo entſtehet in uns eine lebhafte Beſorgnis. Wir ſind in der groͤßten Verle- genheit, wenn wir die Clytemneſtra bey ihrer An- kunft in Aulis ſo vergnuͤgt ſehen, da wir doch wiſ- ſen, wie ſehr ſie ſich betruͤgt; und wir fuͤhlen ein ausnehmendes Vergnuͤgen, wenn wir einen Boͤß- wicht, wie Aegyſth iſt, uͤber ſeine vermeinte Gluͤkſee- ligkeit in dem Augenblik frohloken ſehen, da der Dolch ihn zu ermorden, ſchon gezogen iſt. Ueberhaupt ſind ſolche Lagen, wo der Zuſchauer die handeln- den Perſonen uͤber Hauptangelegenheiten im Jrr- thum ſieht, der ihnen bald wird benommen wer- den, hoͤchſt intreſſant. Was kann die Reugierd und Erwartung lebhafter reizen, als wenn wir die Elektra beym Sophokles den Oreſtes, der vor ihr ſteht, als todt beweinen ſehen, da wir wiſſen, daß er auf dem Punkt ſteht, ſich erkennen zu geben? Es giebt Lagen, die blos den Verſtand und die Neugierd intreßiren, da man aͤußerſt begierig iſt zu ſehen, wie die Sachen laufen werden; wie ſich eine Perſon aus einer großen Verlegenheit her- aushelfen, oder zum Zwek kommen wird; wie hier die Unſchuld, dort das Verbrechen an den Tag kom- men wird, wo wir gar keine Moͤglichkeit dazu ſe- hen. Solche Lagen ſind allemal, als ſittliche oder politiſche Aufgaben anzuſehen, deren Aufloͤſung wir von dem Dichter zu erwarten haben. Verſteht er die Kunſt, ſie natuͤrlich, ohne erzwungene Maſchie- nen, ohne Huͤlfe voͤllig unwahrſcheinlicher ohnge- faͤhrer Zufaͤlle aufzuloͤſen, ſo hat er dadurch unſre Erkenntniß erweitert. Alſo koͤnnen ſolche, blos fuͤr die Neugierd intreſſante Lagen, ihren guten Nutzen haben. Es kommen in den menſchlichen Geſchaͤf- ten unzaͤhlige Lagen vor, wo es außerſt ſchweer iſt, mit einiger Zuverſicht eine Parthie zu nehmen. Je mehr Faͤlle von ſolchen Lagen, und deren Entwiklung uns bekannt ſind, je mehr Fertigkeit muͤſſen wir auch haben, uns ſelbſt in aͤhnlichen Faͤllen zu ent- ſchließen. Und dieſes iſt einer der Vortheile, die wir aus der epiſchen und dramatiſchen Dichtkunſt ziehen koͤnnen, wenn nur die Dichter eben ſo viel Verſtand und Kenntniß des Menſchen, als Genie und Einbildungskraft haben. Andre Lagen ſind mehr leidenſchaftlich, und die- nen hauptſaͤchlich unſer Herz zu pruͤfen, und jede Empfindung, der es faͤhig iſt, darin rege zu ma- chen. Man kann ſich in traurigen, fuͤrchterlichen, verzweifelnden, auch in ſchmeichelhaften, hofnungs- vollen, froͤhlichen Lagen befinden. Alsdenn iſt die ganze empfindende Seele in ihrer groͤßten Lebhaftig- keit. Man lernet ſein eigenes Herz nie beſſer ken- nen, als wenn man Gelegenheit hat, ſich in Lagen zu finden, die auf das Gluͤk des Lebens ſtarken Ein- fluß haben. Die Dichter muͤſſen demnach keine Gelegenheit verſaͤumen, uns, wenigſtens als Zuſchauer, oder Zeugen in ſolche Lagen zu ſetzen. Die epiſchen und dramatiſchen Dichter haben die beſten Gelegenhei- ten hiezu; und muͤſſen dieſes fuͤr eine ihre wichtig- ſten

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 652. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/87>, abgerufen am 28.11.2024.