Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Suppius, Christoph Eusebius: Oden und Lieder. Gotha, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite
Anakreontische Oden.


An den Schlaf.

Du Bruder von dem Blassen,
Dem Schrecken aller Leute!
Geschwinde komm herüber,
Jch warte mit Verlangen
Auf deine Schlummerkörner.
Hast du nicht hören rufen?
Als du bey unserm Nachbar
So lange schon vergebens
Jm Kalten klopfen müssen;
Der Geizhals will ja wachen
Bey fest verschlossnen Thüren
Auf seinen vollen Kasten
Und vor dem Zwang-Gewölbe,
Worinn er seine Mündel,
Das schöne blonde Mädchen,
Die tugendhafte Phillis
Aus blossem Neid verschlossen,
Dieweil sie dem Poeten
Jüngst einen Blick gegeben,
Wobey der Vormund dachte,
Sein Mädchen sey nun ärmer,
Dieweil sie was verschenket.
Drum laß den alten Narren
Doch bey den Thalern liegen,
Er
Y 5
Anakreontiſche Oden.


An den Schlaf.

Du Bruder von dem Blaſſen,
Dem Schrecken aller Leute!
Geſchwinde komm heruͤber,
Jch warte mit Verlangen
Auf deine Schlummerkoͤrner.
Haſt du nicht hoͤren rufen?
Als du bey unſerm Nachbar
So lange ſchon vergebens
Jm Kalten klopfen muͤſſen;
Der Geizhals will ja wachen
Bey feſt verſchloſſnen Thuͤren
Auf ſeinen vollen Kaſten
Und vor dem Zwang-Gewoͤlbe,
Worinn er ſeine Muͤndel,
Das ſchoͤne blonde Maͤdchen,
Die tugendhafte Phillis
Aus bloſſem Neid verſchloſſen,
Dieweil ſie dem Poeten
Juͤngſt einen Blick gegeben,
Wobey der Vormund dachte,
Sein Maͤdchen ſey nun aͤrmer,
Dieweil ſie was verſchenket.
Drum laß den alten Narren
Doch bey den Thalern liegen,
Er
Y 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0365" n="345"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Anakreonti&#x017F;che Oden.</hi> </fw><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">An den Schlaf.</hi> </head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#c">1745.</hi> </dateline><lb/>
          <lg type="poem">
            <l><hi rendition="#in">D</hi>u Bruder von dem Bla&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Dem Schrecken aller Leute!</l><lb/>
            <l>Ge&#x017F;chwinde komm heru&#x0364;ber,</l><lb/>
            <l>Jch warte mit Verlangen</l><lb/>
            <l>Auf deine Schlummerko&#x0364;rner.</l><lb/>
            <l>Ha&#x017F;t du nicht ho&#x0364;ren rufen?</l><lb/>
            <l>Als du bey un&#x017F;erm Nachbar</l><lb/>
            <l>So lange &#x017F;chon vergebens</l><lb/>
            <l>Jm Kalten klopfen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en;</l><lb/>
            <l>Der Geizhals will ja wachen</l><lb/>
            <l>Bey fe&#x017F;t ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;nen Thu&#x0364;ren</l><lb/>
            <l>Auf &#x017F;einen vollen Ka&#x017F;ten</l><lb/>
            <l>Und vor dem Zwang-Gewo&#x0364;lbe,</l><lb/>
            <l>Worinn er &#x017F;eine Mu&#x0364;ndel,</l><lb/>
            <l>Das &#x017F;cho&#x0364;ne blonde Ma&#x0364;dchen,</l><lb/>
            <l>Die tugendhafte Phillis</l><lb/>
            <l>Aus blo&#x017F;&#x017F;em Neid ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Dieweil &#x017F;ie dem Poeten</l><lb/>
            <l>Ju&#x0364;ng&#x017F;t einen Blick gegeben,</l><lb/>
            <l>Wobey der Vormund dachte,</l><lb/>
            <l>Sein Ma&#x0364;dchen &#x017F;ey nun a&#x0364;rmer,</l><lb/>
            <l>Dieweil &#x017F;ie was ver&#x017F;chenket.</l><lb/>
            <l>Drum laß den alten Narren</l><lb/>
            <l>Doch bey den Thalern liegen,</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">Y 5</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Er</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[345/0365] Anakreontiſche Oden. An den Schlaf. 1745. Du Bruder von dem Blaſſen, Dem Schrecken aller Leute! Geſchwinde komm heruͤber, Jch warte mit Verlangen Auf deine Schlummerkoͤrner. Haſt du nicht hoͤren rufen? Als du bey unſerm Nachbar So lange ſchon vergebens Jm Kalten klopfen muͤſſen; Der Geizhals will ja wachen Bey feſt verſchloſſnen Thuͤren Auf ſeinen vollen Kaſten Und vor dem Zwang-Gewoͤlbe, Worinn er ſeine Muͤndel, Das ſchoͤne blonde Maͤdchen, Die tugendhafte Phillis Aus bloſſem Neid verſchloſſen, Dieweil ſie dem Poeten Juͤngſt einen Blick gegeben, Wobey der Vormund dachte, Sein Maͤdchen ſey nun aͤrmer, Dieweil ſie was verſchenket. Drum laß den alten Narren Doch bey den Thalern liegen, Er Y 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/suppius_oden_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/suppius_oden_1749/365
Zitationshilfe: Suppius, Christoph Eusebius: Oden und Lieder. Gotha, 1749, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/suppius_oden_1749/365>, abgerufen am 24.11.2024.