564. Es giebt zweyerley Arten der Herrsch- begierde, die eine ist die Herrschbegierde der Liebe gegen den Nächsten, die andere ist die Herrschsucht der Eigenliebe; die zwey Arten der Herrschbegierde sind in ihrem Wesen ein- ander gänzlich entgegen: wer aus Liebe ge- gen den Nächsten herrschet, der will allen und jeden wohl, und liebet nichts mehr als die Nutzstiftungen, und also andern zu dienen, (andern dienen, dadurch verstehe ich, andern wohl wollen und Nutzen schaffen, es sey gleich der Kirche, oder dem Vaterland, oder der Ge- sellschaft, oder dem Mitbürger) das ist seine Liebe und seines Herzens Lust: um so viel ein solcher zu Ehrenstellen über andre erhoben wird, in so viel erfreuet er sich auch, aber nicht we- gen der Ehrenstellen, sondern wegen der Nutz- barkeiten, die er alsdenn in grösserer Menge und in höherem Grad leisten kann; so ist die Herrschbegierde in den Himmeln beschaffen: hingegen, wer aus der Eigenliebe herrschet, der will keinem einzigen wohl, sondern nur sich allein; bey den Nutzbarkeiten, die er schaffet, ist es ihm um seine selbsteigene Ehre und Ruhm zu thun, Ehre und Ruhm sind bey ihm lediglich die Nutzleistungen: dienet er ja an- dern, so geschiehts bey ihm nur aus der Absicht, damit man ihm wieder diene und Ehre erwei- sen, und er herrschen möge; er bestrebet sich um Ehrenstellen nicht um des Guten willen, das dem Vaterland und der Kirche zu leisten
ist,
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Von der Hoͤlle.
564. Es giebt zweyerley Arten der Herrſch- begierde, die eine iſt die Herrſchbegierde der Liebe gegen den Naͤchſten, die andere iſt die Herrſchſucht der Eigenliebe; die zwey Arten der Herrſchbegierde ſind in ihrem Weſen ein- ander gaͤnzlich entgegen: wer aus Liebe ge- gen den Naͤchſten herrſchet, der will allen und jeden wohl, und liebet nichts mehr als die Nutzſtiftungen, und alſo andern zu dienen, (andern dienen, dadurch verſtehe ich, andern wohl wollen und Nutzen ſchaffen, es ſey gleich der Kirche, oder dem Vaterland, oder der Ge- ſellſchaft, oder dem Mitbuͤrger) das iſt ſeine Liebe und ſeines Herzens Luſt: um ſo viel ein ſolcher zu Ehrenſtellen uͤber andre erhoben wird, in ſo viel erfreuet er ſich auch, aber nicht we- gen der Ehrenſtellen, ſondern wegen der Nutz- barkeiten, die er alsdenn in groͤſſerer Menge und in hoͤherem Grad leiſten kann; ſo iſt die Herrſchbegierde in den Himmeln beſchaffen: hingegen, wer aus der Eigenliebe herrſchet, der will keinem einzigen wohl, ſondern nur ſich allein; bey den Nutzbarkeiten, die er ſchaffet, iſt es ihm um ſeine ſelbſteigene Ehre und Ruhm zu thun, Ehre und Ruhm ſind bey ihm lediglich die Nutzleiſtungen: dienet er ja an- dern, ſo geſchiehts bey ihm nur aus der Abſicht, damit man ihm wieder diene und Ehre erwei- ſen, und er herrſchen moͤge; er beſtrebet ſich um Ehrenſtellen nicht um des Guten willen, das dem Vaterland und der Kirche zu leiſten
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Von der Hoͤlle.
564. Es giebt zweyerley Arten der Herrſch-
begierde, die eine iſt die Herrſchbegierde der
Liebe gegen den Naͤchſten, die andere iſt die
Herrſchſucht der Eigenliebe; die zwey Arten
der Herrſchbegierde ſind in ihrem Weſen ein-
ander gaͤnzlich entgegen: wer aus Liebe ge-
gen den Naͤchſten herrſchet, der will allen und
jeden wohl, und liebet nichts mehr als die
Nutzſtiftungen, und alſo andern zu dienen,
(andern dienen, dadurch verſtehe ich, andern
wohl wollen und Nutzen ſchaffen, es ſey gleich
der Kirche, oder dem Vaterland, oder der Ge-
ſellſchaft, oder dem Mitbuͤrger) das iſt ſeine
Liebe und ſeines Herzens Luſt: um ſo viel ein
ſolcher zu Ehrenſtellen uͤber andre erhoben wird,
in ſo viel erfreuet er ſich auch, aber nicht we-
gen der Ehrenſtellen, ſondern wegen der Nutz-
barkeiten, die er alsdenn in groͤſſerer Menge
und in hoͤherem Grad leiſten kann; ſo iſt die
Herrſchbegierde in den Himmeln beſchaffen:
hingegen, wer aus der Eigenliebe herrſchet, der
will keinem einzigen wohl, ſondern nur ſich
allein; bey den Nutzbarkeiten, die er ſchaffet,
iſt es ihm um ſeine ſelbſteigene Ehre und
Ruhm zu thun, Ehre und Ruhm ſind bey ihm
lediglich die Nutzleiſtungen: dienet er ja an-
dern, ſo geſchiehts bey ihm nur aus der Abſicht,
damit man ihm wieder diene und Ehre erwei-
ſen, und er herrſchen moͤge; er beſtrebet ſich
um Ehrenſtellen nicht um des Guten willen,
das dem Vaterland und der Kirche zu leiſten
iſt,
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Swedenborg, Emanuel: Auserlesene Schriften. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1776, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/swedenborg_schriften02_1776/390>, abgerufen am 23.11.2024.
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