Swift, Jonathan: Des Herrn Dr. Jonathan Swifts wo nicht unverbesserlicher doch wohlgemeynter Unterricht für alle Arten unerfahrner Bedienten, aus vieljähriger sorgfältiger Aufmerksamkeit und Erfahrung zusammengetragen [Übers.]. Frankfurt u. a., 1748.Das arme Mädgen hatte einen großen japanischen Spiegel durch einen Besenstoß zerbrochen. Sie bedachte sich nicht lange, faßte einen bewundernswürdigen kurzen Entschluß, schloß die Thüre zu, schlich sich in den Hof, brachte aus demselben einen großen Stein drey Pfund schwer in die Kammer, legte ihn auf den Caminheerd recht unter den Spiegel, zerbrach eine Scheibe eines Fensters, das nach dem Hofe hinausgieng, verschloß die Thür, und gieng zu ihren andern Verrichtungen. Zwo Stunden darnach gieng die Lady in die Kammer, sahe den Spiegel zerbrochen, den Stein darunter liegen, und eine ganze Scheibe im Fenster eingeschmissen. Aus allen diesen Umständen machte sie den Schluß, den das Mädgen gewünschet hatte, daß nämlich ein Müßiggänger aus der Nachbarschaft, oder vielleicht ein fremder Bedienter, aus Bosheit, oder von ohngefehr, oder aus Unachtsamkeit den Stein hineingeworfen, und den Schaden angerichtet hätte. Bis so weit gieng alles gut, und das Mädgen glaubte ausser aller Gefahr zu seyn. Zu ihrem Unglücke aber mußte der Henker einige Stunden hernach den Pfarrer des Kirchspiels in das Haus hineinführen. Die Dame erzählte ihm natürlicher Weise den Zufall, der sie, wie ihr leicht gedenken könnet, ganz unruhig gemacht hatte. Der Pfaffe, der eben mehr priesterliche Eigenschaften als eine Ochsenstimme besitzen, und gar die Mathematik verstehen mußte, untersuchte die Das arme Mädgen hatte einen großen japanischen Spiegel durch einen Besenstoß zerbrochen. Sie bedachte sich nicht lange, faßte einen bewundernswürdigen kurzen Entschluß, schloß die Thüre zu, schlich sich in den Hof, brachte aus demselben einen großen Stein drey Pfund schwer in die Kammer, legte ihn auf den Caminheerd recht unter den Spiegel, zerbrach eine Scheibe eines Fensters, das nach dem Hofe hinausgieng, verschloß die Thür, und gieng zu ihren andern Verrichtungen. Zwo Stunden darnach gieng die Lady in die Kammer, sahe den Spiegel zerbrochen, den Stein darunter liegen, und eine ganze Scheibe im Fenster eingeschmissen. Aus allen diesen Umständen machte sie den Schluß, den das Mädgen gewünschet hatte, daß nämlich ein Müßiggänger aus der Nachbarschaft, oder vielleicht ein fremder Bedienter, aus Bosheit, oder von ohngefehr, oder aus Unachtsamkeit den Stein hineingeworfen, und den Schaden angerichtet hätte. Bis so weit gieng alles gut, und das Mädgen glaubte ausser aller Gefahr zu seyn. Zu ihrem Unglücke aber mußte der Henker einige Stunden hernach den Pfarrer des Kirchspiels in das Haus hineinführen. Die Dame erzählte ihm natürlicher Weise den Zufall, der sie, wie ihr leicht gedenken könnet, ganz unruhig gemacht hatte. Der Pfaffe, der eben mehr priesterliche Eigenschaften als eine Ochsenstimme besitzen, und gar die Mathematik verstehen mußte, untersuchte die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0109" n="93"/> Das arme Mädgen hatte einen großen japanischen Spiegel durch einen Besenstoß zerbrochen. Sie bedachte sich nicht lange, faßte einen bewundernswürdigen kurzen Entschluß, schloß die Thüre zu, schlich sich in den Hof, brachte aus demselben einen großen Stein drey Pfund schwer in die Kammer, legte ihn auf den Caminheerd recht unter den Spiegel, zerbrach eine Scheibe eines Fensters, das nach dem Hofe hinausgieng, verschloß die Thür, und gieng zu ihren andern Verrichtungen. Zwo Stunden darnach gieng die Lady in die Kammer, sahe den Spiegel zerbrochen, den Stein darunter liegen, und eine ganze Scheibe im Fenster eingeschmissen. Aus allen diesen Umständen machte sie den Schluß, den das Mädgen gewünschet hatte, daß nämlich ein Müßiggänger aus der Nachbarschaft, oder vielleicht ein fremder Bedienter, aus Bosheit, oder von ohngefehr, oder aus Unachtsamkeit den Stein hineingeworfen, und den Schaden angerichtet hätte. Bis so weit gieng alles gut, und das Mädgen glaubte ausser aller Gefahr zu seyn. Zu ihrem Unglücke aber mußte der Henker einige Stunden hernach den Pfarrer des Kirchspiels in das Haus hineinführen. Die Dame erzählte ihm natürlicher Weise den Zufall, der sie, wie ihr leicht gedenken könnet, ganz unruhig gemacht hatte. Der Pfaffe, der eben mehr priesterliche Eigenschaften als eine Ochsenstimme besitzen, und gar die Mathematik verstehen mußte, untersuchte die </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [93/0109]
Das arme Mädgen hatte einen großen japanischen Spiegel durch einen Besenstoß zerbrochen. Sie bedachte sich nicht lange, faßte einen bewundernswürdigen kurzen Entschluß, schloß die Thüre zu, schlich sich in den Hof, brachte aus demselben einen großen Stein drey Pfund schwer in die Kammer, legte ihn auf den Caminheerd recht unter den Spiegel, zerbrach eine Scheibe eines Fensters, das nach dem Hofe hinausgieng, verschloß die Thür, und gieng zu ihren andern Verrichtungen. Zwo Stunden darnach gieng die Lady in die Kammer, sahe den Spiegel zerbrochen, den Stein darunter liegen, und eine ganze Scheibe im Fenster eingeschmissen. Aus allen diesen Umständen machte sie den Schluß, den das Mädgen gewünschet hatte, daß nämlich ein Müßiggänger aus der Nachbarschaft, oder vielleicht ein fremder Bedienter, aus Bosheit, oder von ohngefehr, oder aus Unachtsamkeit den Stein hineingeworfen, und den Schaden angerichtet hätte. Bis so weit gieng alles gut, und das Mädgen glaubte ausser aller Gefahr zu seyn. Zu ihrem Unglücke aber mußte der Henker einige Stunden hernach den Pfarrer des Kirchspiels in das Haus hineinführen. Die Dame erzählte ihm natürlicher Weise den Zufall, der sie, wie ihr leicht gedenken könnet, ganz unruhig gemacht hatte. Der Pfaffe, der eben mehr priesterliche Eigenschaften als eine Ochsenstimme besitzen, und gar die Mathematik verstehen mußte, untersuchte die
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