Swift, Jonathan: Des Herrn Dr. Jonathan Swifts wo nicht unverbesserlicher doch wohlgemeynter Unterricht für alle Arten unerfahrner Bedienten, aus vieljähriger sorgfältiger Aufmerksamkeit und Erfahrung zusammengetragen [Übers.]. Frankfurt u. a., 1748.zum mindesten ein Bein weniger, als die Tische und Stühle ihrer Herrschaft, haben. Ich gebe es zu, daß diese Regel in Ansehung der Köchinn gemeiniglich eine Ausnahme gehabt habe, der durch die alte Gewohnheit ein bequemer Stuhl zugelassen worden, um nach der Mahlzeit darinn zu schlafen; und dennoch habe ich selten gesehen, daß solche Stühle mehr als drey Beine gehabt haben. Es wird aber diese ansteckende Lähmung der Bedientenstühle von den Philosophen zwoen Ursachen zugeschrieben, von welchen man bemerket, daß sie in Staaten und Reichen die größten Unruhen verursachen. Ich meyne die Liebe und den Krieg. Ein Stuhl, eine Bank oder ein Tisch ist das erste Gewehr, so in einem allgemeinen Streite oder Scharmützel aufgenommen wird. Und wenn wieder Friede gemacht ist: so müssen die Stühle, wenn sie nicht stark genug sind, in einem Liebeshandel gemeiniglich am meisten darunter leiden; denn die Köchinn ist mehrentheils stark bey Leibe und schwer, und der Kellner fällt den Stühlen durch sein Trinken beschwerlich. Es ist mir allezeit ärgerlich gewesen, wenn ich gesehen habe, daß Dienstmädgen so unartig gewest, daß sie, wenn sie auf der Straße zum mindesten ein Bein weniger, als die Tische und Stühle ihrer Herrschaft, haben. Ich gebe es zu, daß diese Regel in Ansehung der Köchinn gemeiniglich eine Ausnahme gehabt habe, der durch die alte Gewohnheit ein bequemer Stuhl zugelassen worden, um nach der Mahlzeit darinn zu schlafen; und dennoch habe ich selten gesehen, daß solche Stühle mehr als drey Beine gehabt haben. Es wird aber diese ansteckende Lähmung der Bedientenstühle von den Philosophen zwoen Ursachen zugeschrieben, von welchen man bemerket, daß sie in Staaten und Reichen die größten Unruhen verursachen. Ich meyne die Liebe und den Krieg. Ein Stuhl, eine Bank oder ein Tisch ist das erste Gewehr, so in einem allgemeinen Streite oder Scharmützel aufgenommen wird. Und wenn wieder Friede gemacht ist: so müssen die Stühle, wenn sie nicht stark genug sind, in einem Liebeshandel gemeiniglich am meisten darunter leiden; denn die Köchinn ist mehrentheils stark bey Leibe und schwer, und der Kellner fällt den Stühlen durch sein Trinken beschwerlich. Es ist mir allezeit ärgerlich gewesen, wenn ich gesehen habe, daß Dienstmädgen so unartig gewest, daß sie, wenn sie auf der Straße <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0026" n="10"/> zum mindesten ein Bein weniger, als die Tische und Stühle ihrer Herrschaft, haben. Ich gebe es zu, daß diese Regel in Ansehung der Köchinn gemeiniglich eine Ausnahme gehabt habe, der durch die alte Gewohnheit ein bequemer Stuhl zugelassen worden, um nach der Mahlzeit darinn zu schlafen; und dennoch habe ich selten gesehen, daß solche Stühle mehr als drey Beine gehabt haben. Es wird aber diese ansteckende Lähmung der Bedientenstühle von den Philosophen zwoen Ursachen zugeschrieben, von welchen man bemerket, daß sie in Staaten und Reichen die größten Unruhen verursachen. Ich meyne die Liebe und den Krieg. Ein Stuhl, eine Bank oder ein Tisch ist das erste Gewehr, so in einem allgemeinen Streite oder Scharmützel aufgenommen wird. Und wenn wieder Friede gemacht ist: so müssen die Stühle, wenn sie nicht stark genug sind, in einem Liebeshandel gemeiniglich am meisten darunter leiden; denn die Köchinn ist mehrentheils stark bey Leibe und schwer, und der Kellner fällt den Stühlen durch sein Trinken beschwerlich.</p> <p>Es ist mir allezeit ärgerlich gewesen, wenn ich gesehen habe, daß Dienstmädgen so unartig gewest, daß sie, wenn sie auf der Straße </p> </div> </body> </text> </TEI> [10/0026]
zum mindesten ein Bein weniger, als die Tische und Stühle ihrer Herrschaft, haben. Ich gebe es zu, daß diese Regel in Ansehung der Köchinn gemeiniglich eine Ausnahme gehabt habe, der durch die alte Gewohnheit ein bequemer Stuhl zugelassen worden, um nach der Mahlzeit darinn zu schlafen; und dennoch habe ich selten gesehen, daß solche Stühle mehr als drey Beine gehabt haben. Es wird aber diese ansteckende Lähmung der Bedientenstühle von den Philosophen zwoen Ursachen zugeschrieben, von welchen man bemerket, daß sie in Staaten und Reichen die größten Unruhen verursachen. Ich meyne die Liebe und den Krieg. Ein Stuhl, eine Bank oder ein Tisch ist das erste Gewehr, so in einem allgemeinen Streite oder Scharmützel aufgenommen wird. Und wenn wieder Friede gemacht ist: so müssen die Stühle, wenn sie nicht stark genug sind, in einem Liebeshandel gemeiniglich am meisten darunter leiden; denn die Köchinn ist mehrentheils stark bey Leibe und schwer, und der Kellner fällt den Stühlen durch sein Trinken beschwerlich.
Es ist mir allezeit ärgerlich gewesen, wenn ich gesehen habe, daß Dienstmädgen so unartig gewest, daß sie, wenn sie auf der Straße
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