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Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840.

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hatten. Unter diesen war auch der Landvogt Barnekow. Als Alle beisammen waren, hielt der Bürgermeister eine Anrede an sie, und erklärte laut und vor mehr denn tausend Menschen den Herzog Wartislav für einen Landesverräther, dem man nicht ferner gehorchen könne.

Da trat Raven Barnekow unerschrocken vor den Bürgermeister hin, und strafte ihn Lügen mit eben so lauter Stimme, indem er demselben vorwarf, daß er selbst ein Verräther sey an seinem Herrn und an seinem Lande.

Der Bürgermeister gerieth durch eine solche kühne und öffentliche Beschimpfung in eine unbeschreibliche Wuth. Er ließ sofort den Landvogt sammt dessen Secretair und Notar in Haft nehmen, und klagte sie bei dem Gerichte der Stadt an als Spione und Verräther. Das Gericht, abhängig eben so sehr von dem strengen und mächtigen Bürgermeister, als von der Stimmung des aufgeregten Volkes, gab der Anklage Statt, und verurtheilte den Herzoglichen Landvogt, trotz aller seiner Protestationen, zu dem Tode durchs Rad. Der unglückliche Barnekow wurde darauf zuerst an ein Pferd gebunden und durch alle Straßen der Stadt geschleift. An jeder Straßenecke ließ der Bürgermeister ausrufen: Dieser sey ein Verräther der Stadt und sein Herr mit ihm! Dem widersprach aber jedesmal der Landvogt, indem er mit dem festen Muthe, der ihn bis zum letzten Augenblicke nicht verließ, entgegen erklärte: der Bürgermeister Otto Fuge sey ein Lügner und selbst der Verräther. Danach wurde er nebst seinem Secretär, welcher Heinricus hieß, und seinem Notar, Namens Wannemer, gerädert, und sein Leichnam wurde auf das Rad geflochten. Dies geschah im Jahre 1453. Seine Gebeine blieben mehrere Jahre auf dem Rade.

hatten. Unter diesen war auch der Landvogt Barnekow. Als Alle beisammen waren, hielt der Bürgermeister eine Anrede an sie, und erklärte laut und vor mehr denn tausend Menschen den Herzog Wartislav für einen Landesverräther, dem man nicht ferner gehorchen könne.

Da trat Raven Barnekow unerschrocken vor den Bürgermeister hin, und strafte ihn Lügen mit eben so lauter Stimme, indem er demselben vorwarf, daß er selbst ein Verräther sey an seinem Herrn und an seinem Lande.

Der Bürgermeister gerieth durch eine solche kühne und öffentliche Beschimpfung in eine unbeschreibliche Wuth. Er ließ sofort den Landvogt sammt dessen Secretair und Notar in Haft nehmen, und klagte sie bei dem Gerichte der Stadt an als Spione und Verräther. Das Gericht, abhängig eben so sehr von dem strengen und mächtigen Bürgermeister, als von der Stimmung des aufgeregten Volkes, gab der Anklage Statt, und verurtheilte den Herzoglichen Landvogt, trotz aller seiner Protestationen, zu dem Tode durchs Rad. Der unglückliche Barnekow wurde darauf zuerst an ein Pferd gebunden und durch alle Straßen der Stadt geschleift. An jeder Straßenecke ließ der Bürgermeister ausrufen: Dieser sey ein Verräther der Stadt und sein Herr mit ihm! Dem widersprach aber jedesmal der Landvogt, indem er mit dem festen Muthe, der ihn bis zum letzten Augenblicke nicht verließ, entgegen erklärte: der Bürgermeister Otto Fuge sey ein Lügner und selbst der Verräther. Danach wurde er nebst seinem Secretär, welcher Heinricus hieß, und seinem Notar, Namens Wannemer, gerädert, und sein Leichnam wurde auf das Rad geflochten. Dies geschah im Jahre 1453. Seine Gebeine blieben mehrere Jahre auf dem Rade.

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          <p>Der Bürgermeister gerieth durch eine solche kühne und öffentliche Beschimpfung in eine unbeschreibliche Wuth. Er ließ sofort den Landvogt sammt dessen Secretair und Notar in Haft nehmen, und klagte sie bei dem Gerichte der Stadt an als Spione und Verräther. Das Gericht, abhängig eben so sehr von dem strengen und mächtigen Bürgermeister, als von der Stimmung des aufgeregten Volkes, gab der Anklage Statt, und verurtheilte den Herzoglichen Landvogt, trotz aller seiner Protestationen, zu dem Tode durchs Rad. Der unglückliche Barnekow wurde darauf zuerst an ein Pferd gebunden und durch alle Straßen der Stadt geschleift. An jeder Straßenecke ließ der Bürgermeister ausrufen: Dieser sey ein Verräther der Stadt und sein Herr mit ihm! Dem widersprach aber jedesmal der Landvogt, indem er mit dem festen Muthe, der ihn bis zum letzten Augenblicke nicht verließ, entgegen erklärte: der Bürgermeister Otto Fuge sey ein Lügner und selbst der Verräther. Danach wurde er nebst seinem Secretär, welcher Heinricus hieß, und seinem Notar, Namens Wannemer, gerädert, und sein Leichnam wurde auf das Rad geflochten. Dies geschah im Jahre 1453. Seine Gebeine blieben mehrere Jahre auf dem Rade.</p>
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[142/0174] hatten. Unter diesen war auch der Landvogt Barnekow. Als Alle beisammen waren, hielt der Bürgermeister eine Anrede an sie, und erklärte laut und vor mehr denn tausend Menschen den Herzog Wartislav für einen Landesverräther, dem man nicht ferner gehorchen könne. Da trat Raven Barnekow unerschrocken vor den Bürgermeister hin, und strafte ihn Lügen mit eben so lauter Stimme, indem er demselben vorwarf, daß er selbst ein Verräther sey an seinem Herrn und an seinem Lande. Der Bürgermeister gerieth durch eine solche kühne und öffentliche Beschimpfung in eine unbeschreibliche Wuth. Er ließ sofort den Landvogt sammt dessen Secretair und Notar in Haft nehmen, und klagte sie bei dem Gerichte der Stadt an als Spione und Verräther. Das Gericht, abhängig eben so sehr von dem strengen und mächtigen Bürgermeister, als von der Stimmung des aufgeregten Volkes, gab der Anklage Statt, und verurtheilte den Herzoglichen Landvogt, trotz aller seiner Protestationen, zu dem Tode durchs Rad. Der unglückliche Barnekow wurde darauf zuerst an ein Pferd gebunden und durch alle Straßen der Stadt geschleift. An jeder Straßenecke ließ der Bürgermeister ausrufen: Dieser sey ein Verräther der Stadt und sein Herr mit ihm! Dem widersprach aber jedesmal der Landvogt, indem er mit dem festen Muthe, der ihn bis zum letzten Augenblicke nicht verließ, entgegen erklärte: der Bürgermeister Otto Fuge sey ein Lügner und selbst der Verräther. Danach wurde er nebst seinem Secretär, welcher Heinricus hieß, und seinem Notar, Namens Wannemer, gerädert, und sein Leichnam wurde auf das Rad geflochten. Dies geschah im Jahre 1453. Seine Gebeine blieben mehrere Jahre auf dem Rade.

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Zitationshilfe: Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/174>, abgerufen am 17.05.2024.