Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

von einem bösen Geiste besessen gewesen, und bald darauf jämmerlich gestorben.

Mündlich.
163. Das versunkene Dorf im Madüesee.

An dem Madüesee lag vor Zeiten ein Dorf, in welchem viele Räuber und andere gottlose Menschen wohnten. Besonders hatten sie es auf die Mönche des benachbarten Klosters abgesehen, und sie plünderten diese aus, so oft die Brüder mit ihren eingesammelten Gaben heimkehrten. Einst am Sanct Johannistage kam auch ein Mönch mit vielen Gaben, die ihm die frommen Leute der Umgegend geschenkt hatten, an dem See vorbei, um in sein Kloster zurückzukehren. Die Räuber hatten ihn gewahrt, und auf einmal fiel ein großer Haufe von ihnen über ihn her, nahm ihm Alles und schlug ihn blutig, ohne auf sein Bitten und Wehklagen zu hören. Da verfluchte der Mönch sie auf ewige Zeiten.

Augenblicklich erhob sich ein schrecklicher Sturm und Unwetter. Die Wellen im Madüesee stiegen in die Höhe wie schreckliche Gespenster, und drangen auf das Dorf ein, und verschlangen es, also daß es mit Mann und Maus in dem Grunde des Sees vergraben wurde. Dort unten liegen die Räuber nun, und haben nimmer Ruhe, denn der Mönch hat sie auf ewige Zeiten verflucht. Am Johannistage kann man noch alle Jahre die Glocken des Dorfes unten im See läuten hören. Es darf alsdann kein Schiffer sich auf den See wagen, denn das Wasser verschlingt an diesem Tage Alles, was sich ihm nahet.

Vgl. Freyberg, Pommersche Sagen, S. 47-50.

von einem bösen Geiste besessen gewesen, und bald darauf jämmerlich gestorben.

Mündlich.
163. Das versunkene Dorf im Madüesee.

An dem Madüesee lag vor Zeiten ein Dorf, in welchem viele Räuber und andere gottlose Menschen wohnten. Besonders hatten sie es auf die Mönche des benachbarten Klosters abgesehen, und sie plünderten diese aus, so oft die Brüder mit ihren eingesammelten Gaben heimkehrten. Einst am Sanct Johannistage kam auch ein Mönch mit vielen Gaben, die ihm die frommen Leute der Umgegend geschenkt hatten, an dem See vorbei, um in sein Kloster zurückzukehren. Die Räuber hatten ihn gewahrt, und auf einmal fiel ein großer Haufe von ihnen über ihn her, nahm ihm Alles und schlug ihn blutig, ohne auf sein Bitten und Wehklagen zu hören. Da verfluchte der Mönch sie auf ewige Zeiten.

Augenblicklich erhob sich ein schrecklicher Sturm und Unwetter. Die Wellen im Madüesee stiegen in die Höhe wie schreckliche Gespenster, und drangen auf das Dorf ein, und verschlangen es, also daß es mit Mann und Maus in dem Grunde des Sees vergraben wurde. Dort unten liegen die Räuber nun, und haben nimmer Ruhe, denn der Mönch hat sie auf ewige Zeiten verflucht. Am Johannistage kann man noch alle Jahre die Glocken des Dorfes unten im See läuten hören. Es darf alsdann kein Schiffer sich auf den See wagen, denn das Wasser verschlingt an diesem Tage Alles, was sich ihm nahet.

Vgl. Freyberg, Pommersche Sagen, S. 47-50.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0238" n="206"/>
von einem bösen Geiste besessen gewesen, und bald darauf jämmerlich gestorben.</p>
          <listBibl>
            <bibl>Mündlich.</bibl><lb/>
          </listBibl>
        </div>
        <div n="2">
          <head>163. Das versunkene Dorf im Madüesee.</head><lb/>
          <p>An dem Madüesee lag vor Zeiten ein Dorf, in welchem viele Räuber und andere gottlose Menschen wohnten. Besonders hatten sie es auf die Mönche des benachbarten Klosters abgesehen, und sie plünderten diese aus, so oft die Brüder mit ihren eingesammelten Gaben heimkehrten. Einst am Sanct Johannistage kam auch ein Mönch mit vielen Gaben, die ihm die frommen Leute der Umgegend geschenkt hatten, an dem See vorbei, um in sein Kloster zurückzukehren. Die Räuber hatten ihn gewahrt, und auf einmal fiel ein großer Haufe von ihnen über ihn her, nahm ihm Alles und schlug ihn blutig, ohne auf sein Bitten und Wehklagen zu hören. Da verfluchte der Mönch sie auf ewige Zeiten.</p>
          <p>Augenblicklich erhob sich ein schrecklicher Sturm und Unwetter. Die Wellen im Madüesee stiegen in die Höhe wie schreckliche Gespenster, und drangen auf das Dorf ein, und verschlangen es, also daß es mit Mann und Maus in dem Grunde des Sees vergraben wurde. Dort unten liegen die Räuber nun, und haben nimmer Ruhe, denn der Mönch hat sie auf ewige Zeiten verflucht. Am Johannistage kann man noch alle Jahre die Glocken des Dorfes unten im See läuten hören. Es darf alsdann kein Schiffer sich auf den See wagen, denn das Wasser verschlingt an diesem Tage Alles, was sich ihm nahet.</p>
          <listBibl>
            <bibl>Vgl. Freyberg, Pommersche Sagen, S. 47-50.</bibl><lb/>
          </listBibl>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[206/0238] von einem bösen Geiste besessen gewesen, und bald darauf jämmerlich gestorben. Mündlich. 163. Das versunkene Dorf im Madüesee. An dem Madüesee lag vor Zeiten ein Dorf, in welchem viele Räuber und andere gottlose Menschen wohnten. Besonders hatten sie es auf die Mönche des benachbarten Klosters abgesehen, und sie plünderten diese aus, so oft die Brüder mit ihren eingesammelten Gaben heimkehrten. Einst am Sanct Johannistage kam auch ein Mönch mit vielen Gaben, die ihm die frommen Leute der Umgegend geschenkt hatten, an dem See vorbei, um in sein Kloster zurückzukehren. Die Räuber hatten ihn gewahrt, und auf einmal fiel ein großer Haufe von ihnen über ihn her, nahm ihm Alles und schlug ihn blutig, ohne auf sein Bitten und Wehklagen zu hören. Da verfluchte der Mönch sie auf ewige Zeiten. Augenblicklich erhob sich ein schrecklicher Sturm und Unwetter. Die Wellen im Madüesee stiegen in die Höhe wie schreckliche Gespenster, und drangen auf das Dorf ein, und verschlangen es, also daß es mit Mann und Maus in dem Grunde des Sees vergraben wurde. Dort unten liegen die Räuber nun, und haben nimmer Ruhe, denn der Mönch hat sie auf ewige Zeiten verflucht. Am Johannistage kann man noch alle Jahre die Glocken des Dorfes unten im See läuten hören. Es darf alsdann kein Schiffer sich auf den See wagen, denn das Wasser verschlingt an diesem Tage Alles, was sich ihm nahet. Vgl. Freyberg, Pommersche Sagen, S. 47-50.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • als Grundlage dienen die Editionsrichtlinien von Wikisource.
  • Überschriebene „e“ über den Vokalen „a“, „o“ und „u“ werden als moderne Umlaute transkribiert.
  • Gesperrter Text wird kursiv
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Einzüge werden nicht übernommen
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Fußnoten der Vorlage sind fortlaufend nummeriert und folgen jeweils am Schluß des Textes.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/238
Zitationshilfe: Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/238>, abgerufen am 04.12.2024.