Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

um zuzusehen, was das Kind mit der vielen Milch anfange. Auf einmal sah sie die Schlange herbeikommen, welche die Milch aufzehren half. Darüber entsetzte sie sich, und sie rief ihren Mann zu Hülfe, der mit einem Knittel herbeikam, um das Thier todtzuschlagen. Das Mädchen weinte zwar sehr, und bat den Vater um Gnade für die Schlange; aber er tödtete sie doch. Von der Stunde an schwand das Kind an allen Gliedern, und nach wenigen Tagen war es todt.

Mündlich.
258. Die Vampyre in Kassuben.

Im Lande Kassuben hat es sich, selbst vor nicht gar langer Zeit, zugetragen, daß zuweilen Kinder mit einer ganz feinen Kopfbedeckung, wie ein zartes Mützchen, auf die Welt gekommen sind. Das werden sehr gefährliche Menschen, wenn sie gestorben und begraben sind. Man muß ihnen daher das Mützchen abnehmen, und es trocknen und sorgfältig aufbewahren. Und bevor nun die Mutter nach ihren Sechswochen zur Kirche und zum Opfer geht, muß sie es verbrennen, daß es zu Pulver kann gerieben werden. Dieses Pulver muß sie dann mit Muttermilch dem Kinde eingeben.

Stirbt nämlich ein solcher mit der Mütze geborner Mensch, bevor er auf diese Weise die Mütze selbst wieder aufgegessen hat, so entsteht daraus das schrecklichste Unglück. Er richtet sich im Grabe wieder auf, und verzehrt zuerst alles Fleisch von seinen eigenen Händen und Füßen, sammt dem Sterbehemde, das er mit in den Sarg bekommen hat. Dann steigt er aus dem Grabe heraus und verzehrt nun die Lebenden. Zuerst sterben seine nächsten Anverwandten, darauf die entfernteren, Einer nach dem Andern. Wenn er keine Verwandtschaft mehr hat, dann macht er

um zuzusehen, was das Kind mit der vielen Milch anfange. Auf einmal sah sie die Schlange herbeikommen, welche die Milch aufzehren half. Darüber entsetzte sie sich, und sie rief ihren Mann zu Hülfe, der mit einem Knittel herbeikam, um das Thier todtzuschlagen. Das Mädchen weinte zwar sehr, und bat den Vater um Gnade für die Schlange; aber er tödtete sie doch. Von der Stunde an schwand das Kind an allen Gliedern, und nach wenigen Tagen war es todt.

Mündlich.
258. Die Vampyre in Kassuben.

Im Lande Kassuben hat es sich, selbst vor nicht gar langer Zeit, zugetragen, daß zuweilen Kinder mit einer ganz feinen Kopfbedeckung, wie ein zartes Mützchen, auf die Welt gekommen sind. Das werden sehr gefährliche Menschen, wenn sie gestorben und begraben sind. Man muß ihnen daher das Mützchen abnehmen, und es trocknen und sorgfältig aufbewahren. Und bevor nun die Mutter nach ihren Sechswochen zur Kirche und zum Opfer geht, muß sie es verbrennen, daß es zu Pulver kann gerieben werden. Dieses Pulver muß sie dann mit Muttermilch dem Kinde eingeben.

Stirbt nämlich ein solcher mit der Mütze geborner Mensch, bevor er auf diese Weise die Mütze selbst wieder aufgegessen hat, so entsteht daraus das schrecklichste Unglück. Er richtet sich im Grabe wieder auf, und verzehrt zuerst alles Fleisch von seinen eigenen Händen und Füßen, sammt dem Sterbehemde, das er mit in den Sarg bekommen hat. Dann steigt er aus dem Grabe heraus und verzehrt nun die Lebenden. Zuerst sterben seine nächsten Anverwandten, darauf die entfernteren, Einer nach dem Andern. Wenn er keine Verwandtschaft mehr hat, dann macht er

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0339" n="307"/>
um zuzusehen, was das Kind mit der vielen Milch anfange. Auf einmal sah sie die Schlange herbeikommen, welche die Milch aufzehren half. Darüber entsetzte sie sich, und sie rief ihren Mann zu Hülfe, der mit einem Knittel herbeikam, um das Thier todtzuschlagen. Das Mädchen weinte zwar sehr, und bat den Vater um Gnade für die Schlange; aber er tödtete sie doch. Von der Stunde an schwand das Kind an allen Gliedern, und nach wenigen Tagen war es todt.</p>
          <listBibl>
            <bibl>Mündlich.</bibl><lb/>
          </listBibl>
        </div>
        <div n="2">
          <head>258. Die Vampyre in Kassuben.</head><lb/>
          <p>Im Lande Kassuben hat es sich, selbst vor nicht gar langer Zeit, zugetragen, daß zuweilen Kinder mit einer ganz feinen Kopfbedeckung, wie ein zartes Mützchen, auf die Welt gekommen sind. Das werden sehr gefährliche Menschen, wenn sie gestorben und begraben sind. Man muß ihnen daher das Mützchen abnehmen, und es trocknen und sorgfältig aufbewahren. Und bevor nun die Mutter nach ihren Sechswochen zur Kirche und zum Opfer geht, muß sie es verbrennen, daß es zu Pulver kann gerieben werden. Dieses Pulver muß sie dann mit Muttermilch dem Kinde eingeben.</p>
          <p>Stirbt nämlich ein solcher mit der Mütze geborner Mensch, bevor er auf diese Weise die Mütze selbst wieder aufgegessen hat, so entsteht daraus das schrecklichste Unglück. Er richtet sich im Grabe wieder auf, und verzehrt zuerst alles Fleisch von seinen eigenen Händen und Füßen, sammt dem Sterbehemde, das er mit in den Sarg bekommen hat. Dann steigt er aus dem Grabe heraus und verzehrt nun die Lebenden. Zuerst sterben seine nächsten Anverwandten, darauf die entfernteren, Einer nach dem Andern. Wenn er keine Verwandtschaft mehr hat, dann macht er
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[307/0339] um zuzusehen, was das Kind mit der vielen Milch anfange. Auf einmal sah sie die Schlange herbeikommen, welche die Milch aufzehren half. Darüber entsetzte sie sich, und sie rief ihren Mann zu Hülfe, der mit einem Knittel herbeikam, um das Thier todtzuschlagen. Das Mädchen weinte zwar sehr, und bat den Vater um Gnade für die Schlange; aber er tödtete sie doch. Von der Stunde an schwand das Kind an allen Gliedern, und nach wenigen Tagen war es todt. Mündlich. 258. Die Vampyre in Kassuben. Im Lande Kassuben hat es sich, selbst vor nicht gar langer Zeit, zugetragen, daß zuweilen Kinder mit einer ganz feinen Kopfbedeckung, wie ein zartes Mützchen, auf die Welt gekommen sind. Das werden sehr gefährliche Menschen, wenn sie gestorben und begraben sind. Man muß ihnen daher das Mützchen abnehmen, und es trocknen und sorgfältig aufbewahren. Und bevor nun die Mutter nach ihren Sechswochen zur Kirche und zum Opfer geht, muß sie es verbrennen, daß es zu Pulver kann gerieben werden. Dieses Pulver muß sie dann mit Muttermilch dem Kinde eingeben. Stirbt nämlich ein solcher mit der Mütze geborner Mensch, bevor er auf diese Weise die Mütze selbst wieder aufgegessen hat, so entsteht daraus das schrecklichste Unglück. Er richtet sich im Grabe wieder auf, und verzehrt zuerst alles Fleisch von seinen eigenen Händen und Füßen, sammt dem Sterbehemde, das er mit in den Sarg bekommen hat. Dann steigt er aus dem Grabe heraus und verzehrt nun die Lebenden. Zuerst sterben seine nächsten Anverwandten, darauf die entfernteren, Einer nach dem Andern. Wenn er keine Verwandtschaft mehr hat, dann macht er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • als Grundlage dienen die Editionsrichtlinien von Wikisource.
  • Überschriebene „e“ über den Vokalen „a“, „o“ und „u“ werden als moderne Umlaute transkribiert.
  • Gesperrter Text wird kursiv
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Einzüge werden nicht übernommen
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Fußnoten der Vorlage sind fortlaufend nummeriert und folgen jeweils am Schluß des Textes.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/339
Zitationshilfe: Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/339>, abgerufen am 22.11.2024.