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Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840.

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Des Königs Gemahlin Woislafa hatte zwar immer einen argen Wahn gegen ihn, und rieth dem Könige, ihm nicht allzugroßes Vertrauen zu geben; der König aber besorgte sich gar nicht vor ihm und befahl ihm auch die wichtigsten Sachen seines Königreiches an.

Dadurch kam Jaromar mit den Dänen, die oft zu Hofe mußten, wieder in Kundschaft, und erfuhr ihr Gemüth, daß sie gern die Absicht hätten, von der Herrschaft der Wenden sich zu befreien. Also hielt er heimliches Verständniß mit ihnen, und sprach mit ihnen ab, wie sie sich und ihn befreien wollten. Als nun zu einer Zeit der König mit seiner Königin und seinen Kindern auf der Jagd war, da bestellte er heimlich die Schiffe der Dänen, und sie überfielen in der Nacht den König und seine Gemahlin, pfählten das Gemach zu, worin sie mit ihren Kindern schliefen, und zündeten es von außen an, daß dieselbigen sämmtlich darin verbrannten. Darauf erhob sich ganz Dänemark gegen die Wenden, und sie erschlugen alle Wenden, die im Lande waren. Damit war Jaromar, den sie zu ihrem König machten, noch nicht zufrieden; er zog herüber zu den Wenden und schlug sie und brachte sie unter sich. Er setzte ihnen Amtleute und Vögte, und hielt sie sehr strenge in Zaum, so daß sie nicht einmal trinken durften. Die Wenden empörten sich zwar, und suchten die fremde Herrschaft von sich abzuschütteln. Aber Jaromar bezwang sie bald, und ließ ihrer Obersten etliche enthaupten und etliche aufhängen, also daß sie ihm ganz unterthan sein mußten.

"Also soll man einen Feind, den man hat, als Feind halten, und ihm nicht zuviel trauen. Denn hätte der König Ismarus das gethan, so wäre ihm und den Wenden so großes Unglück nicht widerfahren, und er sammt seinem Gemahl und Kindern hätten noch lange gelebt und wären Herren gewesen; nun aber sind sie todt, und die armen

Des Königs Gemahlin Woislafa hatte zwar immer einen argen Wahn gegen ihn, und rieth dem Könige, ihm nicht allzugroßes Vertrauen zu geben; der König aber besorgte sich gar nicht vor ihm und befahl ihm auch die wichtigsten Sachen seines Königreiches an.

Dadurch kam Jaromar mit den Dänen, die oft zu Hofe mußten, wieder in Kundschaft, und erfuhr ihr Gemüth, daß sie gern die Absicht hätten, von der Herrschaft der Wenden sich zu befreien. Also hielt er heimliches Verständniß mit ihnen, und sprach mit ihnen ab, wie sie sich und ihn befreien wollten. Als nun zu einer Zeit der König mit seiner Königin und seinen Kindern auf der Jagd war, da bestellte er heimlich die Schiffe der Dänen, und sie überfielen in der Nacht den König und seine Gemahlin, pfählten das Gemach zu, worin sie mit ihren Kindern schliefen, und zündeten es von außen an, daß dieselbigen sämmtlich darin verbrannten. Darauf erhob sich ganz Dänemark gegen die Wenden, und sie erschlugen alle Wenden, die im Lande waren. Damit war Jaromar, den sie zu ihrem König machten, noch nicht zufrieden; er zog herüber zu den Wenden und schlug sie und brachte sie unter sich. Er setzte ihnen Amtleute und Vögte, und hielt sie sehr strenge in Zaum, so daß sie nicht einmal trinken durften. Die Wenden empörten sich zwar, und suchten die fremde Herrschaft von sich abzuschütteln. Aber Jaromar bezwang sie bald, und ließ ihrer Obersten etliche enthaupten und etliche aufhängen, also daß sie ihm ganz unterthan sein mußten.

„Also soll man einen Feind, den man hat, als Feind halten, und ihm nicht zuviel trauen. Denn hätte der König Ismarus das gethan, so wäre ihm und den Wenden so großes Unglück nicht widerfahren, und er sammt seinem Gemahl und Kindern hätten noch lange gelebt und wären Herren gewesen; nun aber sind sie todt, und die armen

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[12/0044] Des Königs Gemahlin Woislafa hatte zwar immer einen argen Wahn gegen ihn, und rieth dem Könige, ihm nicht allzugroßes Vertrauen zu geben; der König aber besorgte sich gar nicht vor ihm und befahl ihm auch die wichtigsten Sachen seines Königreiches an. Dadurch kam Jaromar mit den Dänen, die oft zu Hofe mußten, wieder in Kundschaft, und erfuhr ihr Gemüth, daß sie gern die Absicht hätten, von der Herrschaft der Wenden sich zu befreien. Also hielt er heimliches Verständniß mit ihnen, und sprach mit ihnen ab, wie sie sich und ihn befreien wollten. Als nun zu einer Zeit der König mit seiner Königin und seinen Kindern auf der Jagd war, da bestellte er heimlich die Schiffe der Dänen, und sie überfielen in der Nacht den König und seine Gemahlin, pfählten das Gemach zu, worin sie mit ihren Kindern schliefen, und zündeten es von außen an, daß dieselbigen sämmtlich darin verbrannten. Darauf erhob sich ganz Dänemark gegen die Wenden, und sie erschlugen alle Wenden, die im Lande waren. Damit war Jaromar, den sie zu ihrem König machten, noch nicht zufrieden; er zog herüber zu den Wenden und schlug sie und brachte sie unter sich. Er setzte ihnen Amtleute und Vögte, und hielt sie sehr strenge in Zaum, so daß sie nicht einmal trinken durften. Die Wenden empörten sich zwar, und suchten die fremde Herrschaft von sich abzuschütteln. Aber Jaromar bezwang sie bald, und ließ ihrer Obersten etliche enthaupten und etliche aufhängen, also daß sie ihm ganz unterthan sein mußten. „Also soll man einen Feind, den man hat, als Feind halten, und ihm nicht zuviel trauen. Denn hätte der König Ismarus das gethan, so wäre ihm und den Wenden so großes Unglück nicht widerfahren, und er sammt seinem Gemahl und Kindern hätten noch lange gelebt und wären Herren gewesen; nun aber sind sie todt, und die armen

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Zitationshilfe: Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/44>, abgerufen am 02.05.2024.