Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840.durchaus keine specielle National- oder gar nur Local-Beziehung. So wie die Sage dem Leben eines bestimmten Volkes angehört, so gehört das Märchen in seiner Allgemeinheit dem gesammten Menschengeschlechte. Indeß giebt es zwischen beiden auch noch einen anderen erheblichen Unterschied. Das Märchen enthält immer etwas Wunderbares, es theilt Ereignisse und Wirkungen mit, deren Existenz und Ursachen der menschliche Geist nicht begreifen kann. Sein Gebiet ist das des spielenden Kindes, der duftigen Traum- Phantasie. Anders ist dies bei der Sage. Auch von ihr ist das Gebiet des Unbegreiflichen und Wunderbaren nicht ausgeschlossen. Im Gegentheile, die meisten Sagen werden gerade diesem Gebiete anheim fallen, weil der eigentliche Charakter des Volks ein unverdorben kindlicher ist, und der Charakter des Volks auch seine Poesie modificirt; sie werden ihm daher um so mehr angehören, je einfacher das Volk ist, dem sie angehören, oder je weiter der Zeitpunkt von uns zurückliegt, in dem sie entstanden sind. Denn je mehr die fortschreitende Zeit die Cultur der Völker entwickelt, desto mehr nimmt sie ihnen von ihrer Einfachheit, von ihrer kindlichen Poesie. Aber darum ist das Wunderbare der Sage nicht wesentlich nothwendig. Sie kann auch ohne dasselbe bestehen. Man will dies nicht überall zugestehen; man will den Begriff der Sage von dem Erforderniß des Uebernatürlichen nicht trennen. Es sind in dieser Hinsicht namentlich den Preußischen und Litthauischen Sagen, die der Unterzeichnete gemeinschaftlich mit dem Landrath, jetzt Regierungsrath von Tettau herausgab, von mehreren Seiten Vorwürfe gemacht. Indeß dürfte, die Sach durchaus keine specielle National- oder gar nur Local-Beziehung. So wie die Sage dem Leben eines bestimmten Volkes angehört, so gehört das Märchen in seiner Allgemeinheit dem gesammten Menschengeschlechte. Indeß giebt es zwischen beiden auch noch einen anderen erheblichen Unterschied. Das Märchen enthält immer etwas Wunderbares, es theilt Ereignisse und Wirkungen mit, deren Existenz und Ursachen der menschliche Geist nicht begreifen kann. Sein Gebiet ist das des spielenden Kindes, der duftigen Traum- Phantasie. Anders ist dies bei der Sage. Auch von ihr ist das Gebiet des Unbegreiflichen und Wunderbaren nicht ausgeschlossen. Im Gegentheile, die meisten Sagen werden gerade diesem Gebiete anheim fallen, weil der eigentliche Charakter des Volks ein unverdorben kindlicher ist, und der Charakter des Volks auch seine Poesie modificirt; sie werden ihm daher um so mehr angehören, je einfacher das Volk ist, dem sie angehören, oder je weiter der Zeitpunkt von uns zurückliegt, in dem sie entstanden sind. Denn je mehr die fortschreitende Zeit die Cultur der Völker entwickelt, desto mehr nimmt sie ihnen von ihrer Einfachheit, von ihrer kindlichen Poesie. Aber darum ist das Wunderbare der Sage nicht wesentlich nothwendig. Sie kann auch ohne dasselbe bestehen. Man will dies nicht überall zugestehen; man will den Begriff der Sage von dem Erforderniß des Uebernatürlichen nicht trennen. Es sind in dieser Hinsicht namentlich den Preußischen und Litthauischen Sagen, die der Unterzeichnete gemeinschaftlich mit dem Landrath, jetzt Regierungsrath von Tettau herausgab, von mehreren Seiten Vorwürfe gemacht. 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Im Gegentheile, die meisten Sagen werden gerade diesem Gebiete anheim fallen, weil der eigentliche Charakter des Volks ein unverdorben kindlicher ist, und der Charakter des Volks auch seine Poesie modificirt; sie werden ihm daher um so mehr angehören, je einfacher das Volk ist, dem sie angehören, oder je weiter der Zeitpunkt von uns zurückliegt, in dem sie entstanden sind. Denn je mehr die fortschreitende Zeit die Cultur der Völker entwickelt, desto mehr nimmt sie ihnen von ihrer Einfachheit, von ihrer kindlichen Poesie.</p> <p>Aber darum ist das Wunderbare der Sage nicht wesentlich nothwendig. Sie kann auch ohne dasselbe bestehen. Man will dies nicht überall zugestehen; man will den Begriff der Sage von dem Erforderniß des Uebernatürlichen nicht trennen. 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durchaus keine specielle National- oder gar nur Local-Beziehung. So wie die Sage dem Leben eines bestimmten Volkes angehört, so gehört das Märchen in seiner Allgemeinheit dem gesammten Menschengeschlechte.
Indeß giebt es zwischen beiden auch noch einen anderen erheblichen Unterschied. Das Märchen enthält immer etwas Wunderbares, es theilt Ereignisse und Wirkungen mit, deren Existenz und Ursachen der menschliche Geist nicht begreifen kann. Sein Gebiet ist das des spielenden Kindes, der duftigen Traum- Phantasie. Anders ist dies bei der Sage. Auch von ihr ist das Gebiet des Unbegreiflichen und Wunderbaren nicht ausgeschlossen. Im Gegentheile, die meisten Sagen werden gerade diesem Gebiete anheim fallen, weil der eigentliche Charakter des Volks ein unverdorben kindlicher ist, und der Charakter des Volks auch seine Poesie modificirt; sie werden ihm daher um so mehr angehören, je einfacher das Volk ist, dem sie angehören, oder je weiter der Zeitpunkt von uns zurückliegt, in dem sie entstanden sind. Denn je mehr die fortschreitende Zeit die Cultur der Völker entwickelt, desto mehr nimmt sie ihnen von ihrer Einfachheit, von ihrer kindlichen Poesie.
Aber darum ist das Wunderbare der Sage nicht wesentlich nothwendig. Sie kann auch ohne dasselbe bestehen. Man will dies nicht überall zugestehen; man will den Begriff der Sage von dem Erforderniß des Uebernatürlichen nicht trennen. Es sind in dieser Hinsicht namentlich den Preußischen und Litthauischen Sagen, die der Unterzeichnete gemeinschaftlich mit dem Landrath, jetzt Regierungsrath von Tettau herausgab, von mehreren Seiten Vorwürfe gemacht. Indeß dürfte, die Sach
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