Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

ausgeschlagen hat, damit er um die schöne Tochter im Zorgenhof werben darf. Er hat Ihnen also schon bewiesen, wie viel Drudje ihm werth ist, und -- ich versichere es hier, als rechtschaffener Brautwerber, auf mein Wort -- er hat Sie so lieb, daß er es gar nicht aussprechen kann; aber beweisen wird er Ihnen lebenslang, daß es keinen treuern Ehemann in ganz Holland giebt, wenn Jevrouv Drudje ihn dazu nehmen will.

Als der Buchhalter schwieg, nahm Drudje sich zusammen und antwortete mit züchtiger Ehrbarkeit: Mynheer thun mir viel Ehre an; es würde sich ja nicht schicken, Sie abzuweisen. Ick kenne den Piet als einen Mann, wie mir keiner in den Poldern anständiger ist, und wenn -- ja, das mach' ich mir aus -- wenn er sich den dicken Bart und das Haar abschneiden will, daß sie ihm nicht wie 'n Türkenbund auf den Augen liegen, sondern hübsch ordentlich gescheitelt die Stirn zeigen, dann möchte ich nicht nein sagen.

Baldus blickte den Bräutigam fragend an; aber das Entzücken schnürte dem wortkargen Piet die Kehle zu, und sein Herz wollte ihm vor Scham zergehen, daß er kein vernünftig Wort vorbringen konnte; mit einer Armensünder-Miene reichte er zagend die Hand hin. Baldus kam ihm zu Hilfe, indem er Beider Hände vereinigte und das Paar sogleich vor die Eltern führte, deren Zustimmung mit herzlicher Bereitwilligkeit erfolgte.

Jetzt fiel es der Hausfrau Sara schwer in den Sinn, daß diese Doppel-Verlobung in der Wohnstube

ausgeschlagen hat, damit er um die schöne Tochter im Zorgenhof werben darf. Er hat Ihnen also schon bewiesen, wie viel Drudje ihm werth ist, und — ich versichere es hier, als rechtschaffener Brautwerber, auf mein Wort — er hat Sie so lieb, daß er es gar nicht aussprechen kann; aber beweisen wird er Ihnen lebenslang, daß es keinen treuern Ehemann in ganz Holland giebt, wenn Jevrouv Drudje ihn dazu nehmen will.

Als der Buchhalter schwieg, nahm Drudje sich zusammen und antwortete mit züchtiger Ehrbarkeit: Mynheer thun mir viel Ehre an; es würde sich ja nicht schicken, Sie abzuweisen. Ick kenne den Piet als einen Mann, wie mir keiner in den Poldern anständiger ist, und wenn — ja, das mach' ich mir aus — wenn er sich den dicken Bart und das Haar abschneiden will, daß sie ihm nicht wie 'n Türkenbund auf den Augen liegen, sondern hübsch ordentlich gescheitelt die Stirn zeigen, dann möchte ich nicht nein sagen.

Baldus blickte den Bräutigam fragend an; aber das Entzücken schnürte dem wortkargen Piet die Kehle zu, und sein Herz wollte ihm vor Scham zergehen, daß er kein vernünftig Wort vorbringen konnte; mit einer Armensünder-Miene reichte er zagend die Hand hin. Baldus kam ihm zu Hilfe, indem er Beider Hände vereinigte und das Paar sogleich vor die Eltern führte, deren Zustimmung mit herzlicher Bereitwilligkeit erfolgte.

Jetzt fiel es der Hausfrau Sara schwer in den Sinn, daß diese Doppel-Verlobung in der Wohnstube

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="6">
        <p><pb facs="#f0114"/>
ausgeschlagen hat, damit er um die schöne Tochter im Zorgenhof werben                darf. Er hat Ihnen also schon bewiesen, wie viel Drudje ihm werth ist, und &#x2014; ich                versichere es hier, als rechtschaffener Brautwerber, auf mein Wort &#x2014; er hat Sie so                lieb, daß er es gar nicht aussprechen kann; aber beweisen wird er Ihnen lebenslang,                daß es keinen treuern Ehemann in ganz Holland giebt, wenn Jevrouv Drudje ihn dazu                nehmen will.</p><lb/>
        <p>Als der Buchhalter schwieg, nahm Drudje sich zusammen und antwortete mit züchtiger                Ehrbarkeit: Mynheer thun mir viel Ehre an; es würde sich ja nicht schicken, Sie                abzuweisen. Ick kenne den Piet als einen Mann, wie mir keiner in den Poldern                anständiger ist, und wenn &#x2014; ja, das mach' ich mir aus &#x2014; wenn er sich den dicken Bart                und das Haar abschneiden will, daß sie ihm nicht wie 'n Türkenbund auf den Augen                liegen, sondern hübsch ordentlich gescheitelt die Stirn zeigen, dann möchte ich nicht                nein sagen.</p><lb/>
        <p>Baldus blickte den Bräutigam fragend an; aber das Entzücken schnürte dem wortkargen                Piet die Kehle zu, und sein Herz wollte ihm vor Scham zergehen, daß er kein                vernünftig Wort vorbringen konnte; mit einer Armensünder-Miene reichte er zagend die                Hand hin. Baldus kam ihm zu Hilfe, indem er Beider Hände vereinigte und das Paar                sogleich vor die Eltern führte, deren Zustimmung mit herzlicher Bereitwilligkeit                erfolgte.</p><lb/>
        <p>Jetzt fiel es der Hausfrau Sara schwer in den Sinn, daß diese Doppel-Verlobung in der                Wohnstube<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0114] ausgeschlagen hat, damit er um die schöne Tochter im Zorgenhof werben darf. Er hat Ihnen also schon bewiesen, wie viel Drudje ihm werth ist, und — ich versichere es hier, als rechtschaffener Brautwerber, auf mein Wort — er hat Sie so lieb, daß er es gar nicht aussprechen kann; aber beweisen wird er Ihnen lebenslang, daß es keinen treuern Ehemann in ganz Holland giebt, wenn Jevrouv Drudje ihn dazu nehmen will. Als der Buchhalter schwieg, nahm Drudje sich zusammen und antwortete mit züchtiger Ehrbarkeit: Mynheer thun mir viel Ehre an; es würde sich ja nicht schicken, Sie abzuweisen. Ick kenne den Piet als einen Mann, wie mir keiner in den Poldern anständiger ist, und wenn — ja, das mach' ich mir aus — wenn er sich den dicken Bart und das Haar abschneiden will, daß sie ihm nicht wie 'n Türkenbund auf den Augen liegen, sondern hübsch ordentlich gescheitelt die Stirn zeigen, dann möchte ich nicht nein sagen. Baldus blickte den Bräutigam fragend an; aber das Entzücken schnürte dem wortkargen Piet die Kehle zu, und sein Herz wollte ihm vor Scham zergehen, daß er kein vernünftig Wort vorbringen konnte; mit einer Armensünder-Miene reichte er zagend die Hand hin. Baldus kam ihm zu Hilfe, indem er Beider Hände vereinigte und das Paar sogleich vor die Eltern führte, deren Zustimmung mit herzlicher Bereitwilligkeit erfolgte. Jetzt fiel es der Hausfrau Sara schwer in den Sinn, daß diese Doppel-Verlobung in der Wohnstube

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:22:21Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:22:21Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910/114
Zitationshilfe: Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910/114>, abgerufen am 04.12.2024.