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Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Verkolyn das Bastardkind Galinda ihrer mütterlichen Pflege anvertraute, erneuten sich in Sara's Herzen. -- Wie wird das Alles noch enden? fragte sie sich, tief seufzend. Dabei fiel ihr Blick auf die beschmutzten großen Reiterstiefeln des Freimeisters. Unmöglich durfte er den Glanz ihrer Putzstuben, die sie vor jedem Sonnenstäubchen wie ihr Auge bewahrte, mit seinen morastigen Stiefeln beflecken, und Pantoffeln, groß genug, um sie über seine bestiefelten Riesenfüße zu ziehen, besaß die Hausfrau nicht. Diese schwerste Sorge erstickte alle übrige Bedenklichkeiten, daß die Frau, an dieser Unmöglichkeit sich aufrichtend, ihrem Eheherrn antworten konnte:

Wir können ja nicht anders, als die zugedachte Ehre hier in der unreinen Alltagstube annehmen, denn mit seinen großen Stiefeln da wird Meister Jan doch nicht wollen -- --

Vergebt mir das, Mevrouv Zorg, fiel der Meister artig ein, bei uns in Amsterdam haben die Franzosen die blanke Reinlichkeit schon aus der Mode gebracht; aber ich habe nicht vergessen, daß die alte gute Ordnung hier noch zu Hause ist, und habe mir deßhalb, wie sich's gebührt, reine Schuhe mitgenommen. Nehmt's nicht übel, daß ich meine Stiefeln nicht gleich vor der Thüre ausgezogen habe. -- Nun ging er hinaus, kehrte aber sogleich in schwarzseidenen Strümpfen und glänzenden Schnallenschuhen zurück. -- Damit war jeder Vorwand, den gemiedenen, aber achtbaren Mann, den man

Verkolyn das Bastardkind Galinda ihrer mütterlichen Pflege anvertraute, erneuten sich in Sara's Herzen. — Wie wird das Alles noch enden? fragte sie sich, tief seufzend. Dabei fiel ihr Blick auf die beschmutzten großen Reiterstiefeln des Freimeisters. Unmöglich durfte er den Glanz ihrer Putzstuben, die sie vor jedem Sonnenstäubchen wie ihr Auge bewahrte, mit seinen morastigen Stiefeln beflecken, und Pantoffeln, groß genug, um sie über seine bestiefelten Riesenfüße zu ziehen, besaß die Hausfrau nicht. Diese schwerste Sorge erstickte alle übrige Bedenklichkeiten, daß die Frau, an dieser Unmöglichkeit sich aufrichtend, ihrem Eheherrn antworten konnte:

Wir können ja nicht anders, als die zugedachte Ehre hier in der unreinen Alltagstube annehmen, denn mit seinen großen Stiefeln da wird Meister Jan doch nicht wollen — —

Vergebt mir das, Mevrouv Zorg, fiel der Meister artig ein, bei uns in Amsterdam haben die Franzosen die blanke Reinlichkeit schon aus der Mode gebracht; aber ich habe nicht vergessen, daß die alte gute Ordnung hier noch zu Hause ist, und habe mir deßhalb, wie sich's gebührt, reine Schuhe mitgenommen. Nehmt's nicht übel, daß ich meine Stiefeln nicht gleich vor der Thüre ausgezogen habe. — Nun ging er hinaus, kehrte aber sogleich in schwarzseidenen Strümpfen und glänzenden Schnallenschuhen zurück. — Damit war jeder Vorwand, den gemiedenen, aber achtbaren Mann, den man

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[0036] Verkolyn das Bastardkind Galinda ihrer mütterlichen Pflege anvertraute, erneuten sich in Sara's Herzen. — Wie wird das Alles noch enden? fragte sie sich, tief seufzend. Dabei fiel ihr Blick auf die beschmutzten großen Reiterstiefeln des Freimeisters. Unmöglich durfte er den Glanz ihrer Putzstuben, die sie vor jedem Sonnenstäubchen wie ihr Auge bewahrte, mit seinen morastigen Stiefeln beflecken, und Pantoffeln, groß genug, um sie über seine bestiefelten Riesenfüße zu ziehen, besaß die Hausfrau nicht. Diese schwerste Sorge erstickte alle übrige Bedenklichkeiten, daß die Frau, an dieser Unmöglichkeit sich aufrichtend, ihrem Eheherrn antworten konnte: Wir können ja nicht anders, als die zugedachte Ehre hier in der unreinen Alltagstube annehmen, denn mit seinen großen Stiefeln da wird Meister Jan doch nicht wollen — — Vergebt mir das, Mevrouv Zorg, fiel der Meister artig ein, bei uns in Amsterdam haben die Franzosen die blanke Reinlichkeit schon aus der Mode gebracht; aber ich habe nicht vergessen, daß die alte gute Ordnung hier noch zu Hause ist, und habe mir deßhalb, wie sich's gebührt, reine Schuhe mitgenommen. Nehmt's nicht übel, daß ich meine Stiefeln nicht gleich vor der Thüre ausgezogen habe. — Nun ging er hinaus, kehrte aber sogleich in schwarzseidenen Strümpfen und glänzenden Schnallenschuhen zurück. — Damit war jeder Vorwand, den gemiedenen, aber achtbaren Mann, den man

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:22:21Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910/36>, abgerufen am 29.04.2024.