Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.der selbst dazu rathet, dich zur Frau Freimeisterin zu machen, wie dann? Ich verstehe Euch nicht, maulte das betroffene Mädchen. So will ich es dir erklären. Du glaubst, weil der Bertold um dich freit und du dem hübschen Jungen auch von Herzen gut bist, darum wird er dich auch zur Frau nehmen. Aber ehe er ein unehrlich getauftes Mädchen heirathet, lieber nimmt er sich die gemeinste Magd von seinem Hofe, -- ja, lieber giebt er selbst dich einem Scharfrichter zur Frau. Das ist eine Lüge und schändliche Nachrede! Es ist leider die reine Wahrheit, entgegnete der stattliche bleiche Mann, in seinem liebreichen Tone fortfahrend; kurz, wenn Bertold selbst dir den Rath giebt, meine Frau zu werden, willst du mir dann das Jawort geben? So schlecht kann Bertold nicht sein! Wenn er aber doch so altrechtschaffen denkt, daß er dich, schönes Findelkind, lieber einem Freimeister geben, als dich heirathen will? Dann -- dann -- Oh -- das ist gar nicht möglich! Wenn er es aber doch thut? beharrte der kalte Brautwerber. Dann sollt Ihr mich haben! rief Galinda unwillig, wie um den lästigen Peiniger los zu werden, setzte aber sogleich hinzu: wenn aber der Bertold mich der selbst dazu rathet, dich zur Frau Freimeisterin zu machen, wie dann? Ich verstehe Euch nicht, maulte das betroffene Mädchen. So will ich es dir erklären. Du glaubst, weil der Bertold um dich freit und du dem hübschen Jungen auch von Herzen gut bist, darum wird er dich auch zur Frau nehmen. Aber ehe er ein unehrlich getauftes Mädchen heirathet, lieber nimmt er sich die gemeinste Magd von seinem Hofe, — ja, lieber giebt er selbst dich einem Scharfrichter zur Frau. Das ist eine Lüge und schändliche Nachrede! Es ist leider die reine Wahrheit, entgegnete der stattliche bleiche Mann, in seinem liebreichen Tone fortfahrend; kurz, wenn Bertold selbst dir den Rath giebt, meine Frau zu werden, willst du mir dann das Jawort geben? So schlecht kann Bertold nicht sein! Wenn er aber doch so altrechtschaffen denkt, daß er dich, schönes Findelkind, lieber einem Freimeister geben, als dich heirathen will? Dann — dann — Oh — das ist gar nicht möglich! Wenn er es aber doch thut? beharrte der kalte Brautwerber. Dann sollt Ihr mich haben! rief Galinda unwillig, wie um den lästigen Peiniger los zu werden, setzte aber sogleich hinzu: wenn aber der Bertold mich <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0047"/> der selbst dazu rathet, dich zur Frau Freimeisterin zu machen, wie dann?</p><lb/> <p>Ich verstehe Euch nicht, maulte das betroffene Mädchen.</p><lb/> <p>So will ich es dir erklären. Du glaubst, weil der Bertold um dich freit und du dem hübschen Jungen auch von Herzen gut bist, darum wird er dich auch zur Frau nehmen. Aber ehe er ein unehrlich getauftes Mädchen heirathet, lieber nimmt er sich die gemeinste Magd von seinem Hofe, — ja, lieber giebt er selbst dich einem Scharfrichter zur Frau.</p><lb/> <p>Das ist eine Lüge und schändliche Nachrede!</p><lb/> <p>Es ist leider die reine Wahrheit, entgegnete der stattliche bleiche Mann, in seinem liebreichen Tone fortfahrend; kurz, wenn Bertold selbst dir den Rath giebt, meine Frau zu werden, willst du mir dann das Jawort geben?</p><lb/> <p>So schlecht kann Bertold nicht sein!</p><lb/> <p>Wenn er aber doch so altrechtschaffen denkt, daß er dich, schönes Findelkind, lieber einem Freimeister geben, als dich heirathen will?</p><lb/> <p>Dann — dann — Oh — das ist gar nicht möglich!</p><lb/> <p>Wenn er es aber doch thut? beharrte der kalte Brautwerber.</p><lb/> <p>Dann sollt Ihr mich haben! rief Galinda unwillig, wie um den lästigen Peiniger los zu werden, setzte aber sogleich hinzu: wenn aber der Bertold mich<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0047]
der selbst dazu rathet, dich zur Frau Freimeisterin zu machen, wie dann?
Ich verstehe Euch nicht, maulte das betroffene Mädchen.
So will ich es dir erklären. Du glaubst, weil der Bertold um dich freit und du dem hübschen Jungen auch von Herzen gut bist, darum wird er dich auch zur Frau nehmen. Aber ehe er ein unehrlich getauftes Mädchen heirathet, lieber nimmt er sich die gemeinste Magd von seinem Hofe, — ja, lieber giebt er selbst dich einem Scharfrichter zur Frau.
Das ist eine Lüge und schändliche Nachrede!
Es ist leider die reine Wahrheit, entgegnete der stattliche bleiche Mann, in seinem liebreichen Tone fortfahrend; kurz, wenn Bertold selbst dir den Rath giebt, meine Frau zu werden, willst du mir dann das Jawort geben?
So schlecht kann Bertold nicht sein!
Wenn er aber doch so altrechtschaffen denkt, daß er dich, schönes Findelkind, lieber einem Freimeister geben, als dich heirathen will?
Dann — dann — Oh — das ist gar nicht möglich!
Wenn er es aber doch thut? beharrte der kalte Brautwerber.
Dann sollt Ihr mich haben! rief Galinda unwillig, wie um den lästigen Peiniger los zu werden, setzte aber sogleich hinzu: wenn aber der Bertold mich
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910/47 |
Zitationshilfe: | Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910/47>, abgerufen am 16.07.2024. |