Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

entschlossen. -- Der Baas trat vom Block zurück zu seiner Frau Sara in den dichten Kreis der Zuschauer, die mit derselben Spannung, als gelte es hier einen ritterlichen Turnierkampf, den Ausgang des Kuchenhackens erwarteten. -- Man wußte, der Meister Jan könne ein Haar mit seinem Beile spalten.

Jetzt wählte der Scharfrichter mit Kennermiene zwei der größten, ganz gleichen Kuchen und ein dazu passendes breites, glänzendes Beil, dessen scharfe Schneide er am Nagel prüfte. Damit zufrieden, maß er mit dieser Schneide die Länge des Kuchens und fand die Versicherung des Blockeigners: der Kuchen habe genau zweimal die Länge der Schneide, bestätigt. -- Zum allgemeinen Erstaunen erklärte nun der Freimeister: Er wette, mit zwei Hieben den Kuchen der Länge nach durch zu hacken. -- Dies war die äußerste Kunst des Hackens; denn, während man gewöhnlich im Zickzack mit wenigstens drei Hieben den Kuchen theilt, galt es hier, auf einer schnurgeraden Linie dasselbe mit zwei Hieben zu vollbringen. Bertold konnte nicht umhin, diesen Vorschlag anzunehmen.

Nach diesen wichtigen und umständlichen Vorbereitungen ergriff der Freimeister mit beiden Fäusten das Beil, nahm eine feste Stellung und hackte, nach scharfem Zielen, zweimal in den, auf dem Blocke platt liegenden Kuchen.

Sogleich traten der Meister Balzer und der Blockeigner als Kampfrichter heran und beschauten prüfend

entschlossen. — Der Baas trat vom Block zurück zu seiner Frau Sara in den dichten Kreis der Zuschauer, die mit derselben Spannung, als gelte es hier einen ritterlichen Turnierkampf, den Ausgang des Kuchenhackens erwarteten. — Man wußte, der Meister Jan könne ein Haar mit seinem Beile spalten.

Jetzt wählte der Scharfrichter mit Kennermiene zwei der größten, ganz gleichen Kuchen und ein dazu passendes breites, glänzendes Beil, dessen scharfe Schneide er am Nagel prüfte. Damit zufrieden, maß er mit dieser Schneide die Länge des Kuchens und fand die Versicherung des Blockeigners: der Kuchen habe genau zweimal die Länge der Schneide, bestätigt. — Zum allgemeinen Erstaunen erklärte nun der Freimeister: Er wette, mit zwei Hieben den Kuchen der Länge nach durch zu hacken. — Dies war die äußerste Kunst des Hackens; denn, während man gewöhnlich im Zickzack mit wenigstens drei Hieben den Kuchen theilt, galt es hier, auf einer schnurgeraden Linie dasselbe mit zwei Hieben zu vollbringen. Bertold konnte nicht umhin, diesen Vorschlag anzunehmen.

Nach diesen wichtigen und umständlichen Vorbereitungen ergriff der Freimeister mit beiden Fäusten das Beil, nahm eine feste Stellung und hackte, nach scharfem Zielen, zweimal in den, auf dem Blocke platt liegenden Kuchen.

Sogleich traten der Meister Balzer und der Blockeigner als Kampfrichter heran und beschauten prüfend

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="3">
        <p><pb facs="#f0059"/>
entschlossen. &#x2014; Der Baas trat vom Block zurück zu seiner                Frau Sara in den dichten Kreis der Zuschauer, die mit derselben Spannung, als gelte                es hier einen ritterlichen Turnierkampf, den Ausgang des Kuchenhackens erwarteten. &#x2014;                Man wußte, der Meister Jan könne ein Haar mit seinem Beile spalten.</p><lb/>
        <p>Jetzt wählte der Scharfrichter mit Kennermiene zwei der größten, ganz gleichen Kuchen                und ein dazu passendes breites, glänzendes Beil, dessen scharfe Schneide er am Nagel                prüfte. Damit zufrieden, maß er mit dieser Schneide die Länge des Kuchens und fand                die Versicherung des Blockeigners: der Kuchen habe genau zweimal die Länge der                Schneide, bestätigt. &#x2014; Zum allgemeinen Erstaunen erklärte nun der Freimeister: Er                wette, mit zwei Hieben den Kuchen der Länge nach durch zu hacken. &#x2014; Dies war die                äußerste Kunst des Hackens; denn, während man gewöhnlich im Zickzack mit wenigstens                drei Hieben den Kuchen theilt, galt es hier, auf einer schnurgeraden Linie dasselbe                mit zwei Hieben zu vollbringen. Bertold konnte nicht umhin, diesen Vorschlag                anzunehmen.</p><lb/>
        <p>Nach diesen wichtigen und umständlichen Vorbereitungen ergriff der Freimeister mit                beiden Fäusten das Beil, nahm eine feste Stellung und hackte, nach scharfem Zielen,                zweimal in den, auf dem Blocke platt liegenden Kuchen.</p><lb/>
        <p>Sogleich traten der Meister Balzer und der Blockeigner als Kampfrichter heran und                beschauten prüfend<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0059] entschlossen. — Der Baas trat vom Block zurück zu seiner Frau Sara in den dichten Kreis der Zuschauer, die mit derselben Spannung, als gelte es hier einen ritterlichen Turnierkampf, den Ausgang des Kuchenhackens erwarteten. — Man wußte, der Meister Jan könne ein Haar mit seinem Beile spalten. Jetzt wählte der Scharfrichter mit Kennermiene zwei der größten, ganz gleichen Kuchen und ein dazu passendes breites, glänzendes Beil, dessen scharfe Schneide er am Nagel prüfte. Damit zufrieden, maß er mit dieser Schneide die Länge des Kuchens und fand die Versicherung des Blockeigners: der Kuchen habe genau zweimal die Länge der Schneide, bestätigt. — Zum allgemeinen Erstaunen erklärte nun der Freimeister: Er wette, mit zwei Hieben den Kuchen der Länge nach durch zu hacken. — Dies war die äußerste Kunst des Hackens; denn, während man gewöhnlich im Zickzack mit wenigstens drei Hieben den Kuchen theilt, galt es hier, auf einer schnurgeraden Linie dasselbe mit zwei Hieben zu vollbringen. Bertold konnte nicht umhin, diesen Vorschlag anzunehmen. Nach diesen wichtigen und umständlichen Vorbereitungen ergriff der Freimeister mit beiden Fäusten das Beil, nahm eine feste Stellung und hackte, nach scharfem Zielen, zweimal in den, auf dem Blocke platt liegenden Kuchen. Sogleich traten der Meister Balzer und der Blockeigner als Kampfrichter heran und beschauten prüfend

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:22:21Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:22:21Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910/59
Zitationshilfe: Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910/59>, abgerufen am 04.12.2024.