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Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Nach einer langen Pause sagte der wieder kalt gewordene Greis, die Klingel ergreifend: Ich will seinen Besuch annehmen.

Erlauben Sie, daß ich ihn hole, bat der Freimeister und ging, ohne Antwort zu erwarten.

Allein geblieben, fühlte der weltkluge und geschäftserfahrene alte Menschenkenner, daß der Freimeister einen wohl überlegten Plan auszuführen im Begriff sei. Diese Ueberzeugung schadete Bertold, indem der alte Verkolyn nicht gewohnt war, sich lenken zu lassen, und jede Intrigue verabscheute. Er war entschlossen, diese unwürdigen Machinationen mit geradem Sinne zu vereiteln -- als Bertold in das trauliche Gemach trat.

Er war sehr bleich und augenscheinlich durch geistige Aufregungen abgespannt; doch sein Auge glänzte frisch und muthig; es widersprach seltsam der bescheiden ruhigen Haltung des Jünglings; er sagte, ehrerbietig bittend:

Mein Lehrmeister Jan hat mir gesagt, daß Mynheer schon wissen, was mich hierher führt. Oh, seien Sie wohlmögend auch zu mir, wie Sie es immer für meine Linda gewesen, und nehmen Sie es nicht zum Argen, wenn ich erst jetzt komme und geziemend um Ihre Pflegetochter anhalte; ich bitte, geben Sie mir die Galinda zur Frau.

Und wenn ich Ihnen dies nun fest und unwiderruflich abschlage -- was werden Sie dann beginnen?

Wenn Mynheer mir aus vernünftigen Gründen zei-

Nach einer langen Pause sagte der wieder kalt gewordene Greis, die Klingel ergreifend: Ich will seinen Besuch annehmen.

Erlauben Sie, daß ich ihn hole, bat der Freimeister und ging, ohne Antwort zu erwarten.

Allein geblieben, fühlte der weltkluge und geschäftserfahrene alte Menschenkenner, daß der Freimeister einen wohl überlegten Plan auszuführen im Begriff sei. Diese Ueberzeugung schadete Bertold, indem der alte Verkolyn nicht gewohnt war, sich lenken zu lassen, und jede Intrigue verabscheute. Er war entschlossen, diese unwürdigen Machinationen mit geradem Sinne zu vereiteln — als Bertold in das trauliche Gemach trat.

Er war sehr bleich und augenscheinlich durch geistige Aufregungen abgespannt; doch sein Auge glänzte frisch und muthig; es widersprach seltsam der bescheiden ruhigen Haltung des Jünglings; er sagte, ehrerbietig bittend:

Mein Lehrmeister Jan hat mir gesagt, daß Mynheer schon wissen, was mich hierher führt. Oh, seien Sie wohlmögend auch zu mir, wie Sie es immer für meine Linda gewesen, und nehmen Sie es nicht zum Argen, wenn ich erst jetzt komme und geziemend um Ihre Pflegetochter anhalte; ich bitte, geben Sie mir die Galinda zur Frau.

Und wenn ich Ihnen dies nun fest und unwiderruflich abschlage — was werden Sie dann beginnen?

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[0086] Nach einer langen Pause sagte der wieder kalt gewordene Greis, die Klingel ergreifend: Ich will seinen Besuch annehmen. Erlauben Sie, daß ich ihn hole, bat der Freimeister und ging, ohne Antwort zu erwarten. Allein geblieben, fühlte der weltkluge und geschäftserfahrene alte Menschenkenner, daß der Freimeister einen wohl überlegten Plan auszuführen im Begriff sei. Diese Ueberzeugung schadete Bertold, indem der alte Verkolyn nicht gewohnt war, sich lenken zu lassen, und jede Intrigue verabscheute. Er war entschlossen, diese unwürdigen Machinationen mit geradem Sinne zu vereiteln — als Bertold in das trauliche Gemach trat. Er war sehr bleich und augenscheinlich durch geistige Aufregungen abgespannt; doch sein Auge glänzte frisch und muthig; es widersprach seltsam der bescheiden ruhigen Haltung des Jünglings; er sagte, ehrerbietig bittend: Mein Lehrmeister Jan hat mir gesagt, daß Mynheer schon wissen, was mich hierher führt. Oh, seien Sie wohlmögend auch zu mir, wie Sie es immer für meine Linda gewesen, und nehmen Sie es nicht zum Argen, wenn ich erst jetzt komme und geziemend um Ihre Pflegetochter anhalte; ich bitte, geben Sie mir die Galinda zur Frau. Und wenn ich Ihnen dies nun fest und unwiderruflich abschlage — was werden Sie dann beginnen? Wenn Mynheer mir aus vernünftigen Gründen zei-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:22:21Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:22:21Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Tesche, Walter: Der Enten-Piet. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tesche_piet_1910/86>, abgerufen am 14.05.2024.