ihre Thätigkeit reflektiren, so müßte sie die nemliche Arbeit zugleich auf diese Thätigkeit verwenden. Kann sie aber ihr Vermögen des Bewußtseyns zerspalten, und mit Einem Theil desselben bey der Jdee von der Sache, und mit dem andern zugleich bey der Anwendung, die sie von dem Vermögen machet, wirksam seyn? Sie müßte alsdenn noch mehr thun, als auf zwey Sachen auf einmal aufmerken. Dieß letztere läßt sich noch wohl auf eine gewisse Weise thun, aber wenn sie ihre Auf- merksamkeit und ihr Gewahrnehmungsvermögen auf ei- ne Jdee verwendet, wie will sie solche denn zugleich auf ihre eigene Aufmerksamkeit und auf ihr eigenes Gewahr- nehmen verwenden? Jndem wir denken, und dieß zei- get sich am deutlichsten, wenn wir mit Anstrengung und mit einem glücklichen Fortgange denken, wissen wir nichts davon, daß wir denken. Sobald wir auf das Denken selbst zurücksehen, so ist der Gedanke entwischet, wie das gegenwärtige Zeitmoment, das schon vergan- gen ist, wenn man es ergreifen will.
Eben so verhält es sich bey allen übrigen selbstthä- tigen Aeußerungen unserer Denkkraft: eben so bey dem Urtheilen, bey dem Folgern und Schlüssen. Der Zeit- punkt der Handlung schließet die Reflexion über dieselbi- ge Handlung aus. Diese letztere folget erst auf jene. Hr. Merian hat hierauf seine Kritik über des Des- cartes Grundsatz: ich denke gebauet, an dessen Statt es seiner Meinung nach heißen müßte: ich habe ge- dacht. Jenes ist ein Ausdruck des Bewußtseyns, daß wir von unserm Denken haben, und stellet dieses als gegenwärtig in uns dar, in dem Augenblick, da wir uns dessen bewußt sind. Aber so ist es nicht, saget Hr. Merian, es ist schon vergangen, wenn wir darnach umsehen, und es beobachten. Aber ob ich gleich gegen die Erfahrung nichts einwende, aus welcher diese Folge gezogen wird, so deucht mich doch, eine solche Erinne-
rung
der Vorſtellungen.
ihre Thaͤtigkeit reflektiren, ſo muͤßte ſie die nemliche Arbeit zugleich auf dieſe Thaͤtigkeit verwenden. Kann ſie aber ihr Vermoͤgen des Bewußtſeyns zerſpalten, und mit Einem Theil deſſelben bey der Jdee von der Sache, und mit dem andern zugleich bey der Anwendung, die ſie von dem Vermoͤgen machet, wirkſam ſeyn? Sie muͤßte alsdenn noch mehr thun, als auf zwey Sachen auf einmal aufmerken. Dieß letztere laͤßt ſich noch wohl auf eine gewiſſe Weiſe thun, aber wenn ſie ihre Auf- merkſamkeit und ihr Gewahrnehmungsvermoͤgen auf ei- ne Jdee verwendet, wie will ſie ſolche denn zugleich auf ihre eigene Aufmerkſamkeit und auf ihr eigenes Gewahr- nehmen verwenden? Jndem wir denken, und dieß zei- get ſich am deutlichſten, wenn wir mit Anſtrengung und mit einem gluͤcklichen Fortgange denken, wiſſen wir nichts davon, daß wir denken. Sobald wir auf das Denken ſelbſt zuruͤckſehen, ſo iſt der Gedanke entwiſchet, wie das gegenwaͤrtige Zeitmoment, das ſchon vergan- gen iſt, wenn man es ergreifen will.
Eben ſo verhaͤlt es ſich bey allen uͤbrigen ſelbſtthaͤ- tigen Aeußerungen unſerer Denkkraft: eben ſo bey dem Urtheilen, bey dem Folgern und Schluͤſſen. Der Zeit- punkt der Handlung ſchließet die Reflexion uͤber dieſelbi- ge Handlung aus. Dieſe letztere folget erſt auf jene. Hr. Merian hat hierauf ſeine Kritik uͤber des Des- cartes Grundſatz: ich denke gebauet, an deſſen Statt es ſeiner Meinung nach heißen muͤßte: ich habe ge- dacht. Jenes iſt ein Ausdruck des Bewußtſeyns, daß wir von unſerm Denken haben, und ſtellet dieſes als gegenwaͤrtig in uns dar, in dem Augenblick, da wir uns deſſen bewußt ſind. Aber ſo iſt es nicht, ſaget Hr. Merian, es iſt ſchon vergangen, wenn wir darnach umſehen, und es beobachten. Aber ob ich gleich gegen die Erfahrung nichts einwende, aus welcher dieſe Folge gezogen wird, ſo deucht mich doch, eine ſolche Erinne-
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der Vorſtellungen.
ihre Thaͤtigkeit reflektiren, ſo muͤßte ſie die nemliche
Arbeit zugleich auf dieſe Thaͤtigkeit verwenden. Kann
ſie aber ihr Vermoͤgen des Bewußtſeyns zerſpalten, und
mit Einem Theil deſſelben bey der Jdee von der Sache,
und mit dem andern zugleich bey der Anwendung, die
ſie von dem Vermoͤgen machet, wirkſam ſeyn? Sie
muͤßte alsdenn noch mehr thun, als auf zwey Sachen
auf einmal aufmerken. Dieß letztere laͤßt ſich noch wohl
auf eine gewiſſe Weiſe thun, aber wenn ſie ihre Auf-
merkſamkeit und ihr Gewahrnehmungsvermoͤgen auf ei-
ne Jdee verwendet, wie will ſie ſolche denn zugleich auf
ihre eigene Aufmerkſamkeit und auf ihr eigenes Gewahr-
nehmen verwenden? Jndem wir denken, und dieß zei-
get ſich am deutlichſten, wenn wir mit Anſtrengung und
mit einem gluͤcklichen Fortgange denken, wiſſen wir
nichts davon, daß wir denken. Sobald wir auf das
Denken ſelbſt zuruͤckſehen, ſo iſt der Gedanke entwiſchet,
wie das gegenwaͤrtige Zeitmoment, das ſchon vergan-
gen iſt, wenn man es ergreifen will.
Eben ſo verhaͤlt es ſich bey allen uͤbrigen ſelbſtthaͤ-
tigen Aeußerungen unſerer Denkkraft: eben ſo bey dem
Urtheilen, bey dem Folgern und Schluͤſſen. Der Zeit-
punkt der Handlung ſchließet die Reflexion uͤber dieſelbi-
ge Handlung aus. Dieſe letztere folget erſt auf jene.
Hr. Merian hat hierauf ſeine Kritik uͤber des Des-
cartes Grundſatz: ich denke gebauet, an deſſen Statt
es ſeiner Meinung nach heißen muͤßte: ich habe ge-
dacht. Jenes iſt ein Ausdruck des Bewußtſeyns,
daß wir von unſerm Denken haben, und ſtellet dieſes
als gegenwaͤrtig in uns dar, in dem Augenblick, da wir
uns deſſen bewußt ſind. Aber ſo iſt es nicht, ſaget Hr.
Merian, es iſt ſchon vergangen, wenn wir darnach
umſehen, und es beobachten. Aber ob ich gleich gegen
die Erfahrung nichts einwende, aus welcher dieſe Folge
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/107>, abgerufen am 22.12.2024.
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