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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

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III. Versuch. Ueber das Gewahrnehmen


Dritter Versuch.
Ueber das Gewahrnehmen und
Bewußtseyn.
I.
Bestimmter Begrif von dem Gewahrnehmen und
Bewußtseyn.

Die Redensarten in unserer Sprache, eine Sache
gewahrnehmen, sie gewahrwerden, etwas
bemerken, sich einer Sache bewußt werden, be-
wußt seyn, sie erkennen,
und mehrere, haben zwar
nicht völlig einerley Sinn, aber sie beziehen sich doch alle
auf einen einfachen gemeinschaftlichen Grundbegrif von
einer Aeußerung unserer Erkenntnißkraft, die so, wie
die meisten Psychologen jetzo die Worte zu gebrauchen
gewohnt sind, am reinsten und einfachsten durch das
Wort Gewahrnehmen bezeichnet wird. Wenn die
Seele gleichsam zu sich selbst innerlich saget, und wo die-
ser Aktus lebhaft wird, ihn wirklich so ausdrückt: Sie-
he;
wenn sie nemlich einen Gegenstand nun als einen
besondern Gegenstand fasset, ihn auskennet unter an-
dern, ihn unterscheidet; dann ist dasjenige vorhanden,
was ein Gewahrwerden oder ein Gewahrnehmen,
oder die Apperception genennet wird. Ohne Zweifel
hat dieß Wort, wie fast alle übrige, ursprünglich eine
viel eingeschränktere Bedeutung.

Gewahrnehmen ist ein Unterscheiden, ein
Auskennen, wie die mehresten sagen, die zwar durch
diese Vertauschung der Ausdrücke den Begrif von dem
Aktus des Gewahrnehmens nicht deutlicher machen, als

er
III. Verſuch. Ueber das Gewahrnehmen


Dritter Verſuch.
Ueber das Gewahrnehmen und
Bewußtſeyn.
I.
Beſtimmter Begrif von dem Gewahrnehmen und
Bewußtſeyn.

Die Redensarten in unſerer Sprache, eine Sache
gewahrnehmen, ſie gewahrwerden, etwas
bemerken, ſich einer Sache bewußt werden, be-
wußt ſeyn, ſie erkennen,
und mehrere, haben zwar
nicht voͤllig einerley Sinn, aber ſie beziehen ſich doch alle
auf einen einfachen gemeinſchaftlichen Grundbegrif von
einer Aeußerung unſerer Erkenntnißkraft, die ſo, wie
die meiſten Pſychologen jetzo die Worte zu gebrauchen
gewohnt ſind, am reinſten und einfachſten durch das
Wort Gewahrnehmen bezeichnet wird. Wenn die
Seele gleichſam zu ſich ſelbſt innerlich ſaget, und wo die-
ſer Aktus lebhaft wird, ihn wirklich ſo ausdruͤckt: Sie-
he;
wenn ſie nemlich einen Gegenſtand nun als einen
beſondern Gegenſtand faſſet, ihn auskennet unter an-
dern, ihn unterſcheidet; dann iſt dasjenige vorhanden,
was ein Gewahrwerden oder ein Gewahrnehmen,
oder die Apperception genennet wird. Ohne Zweifel
hat dieß Wort, wie faſt alle uͤbrige, urſpruͤnglich eine
viel eingeſchraͤnktere Bedeutung.

Gewahrnehmen iſt ein Unterſcheiden, ein
Auskennen, wie die mehreſten ſagen, die zwar durch
dieſe Vertauſchung der Ausdruͤcke den Begrif von dem
Aktus des Gewahrnehmens nicht deutlicher machen, als

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[262/0322] III. Verſuch. Ueber das Gewahrnehmen Dritter Verſuch. Ueber das Gewahrnehmen und Bewußtſeyn. I. Beſtimmter Begrif von dem Gewahrnehmen und Bewußtſeyn. Die Redensarten in unſerer Sprache, eine Sache gewahrnehmen, ſie gewahrwerden, etwas bemerken, ſich einer Sache bewußt werden, be- wußt ſeyn, ſie erkennen, und mehrere, haben zwar nicht voͤllig einerley Sinn, aber ſie beziehen ſich doch alle auf einen einfachen gemeinſchaftlichen Grundbegrif von einer Aeußerung unſerer Erkenntnißkraft, die ſo, wie die meiſten Pſychologen jetzo die Worte zu gebrauchen gewohnt ſind, am reinſten und einfachſten durch das Wort Gewahrnehmen bezeichnet wird. Wenn die Seele gleichſam zu ſich ſelbſt innerlich ſaget, und wo die- ſer Aktus lebhaft wird, ihn wirklich ſo ausdruͤckt: Sie- he; wenn ſie nemlich einen Gegenſtand nun als einen beſondern Gegenſtand faſſet, ihn auskennet unter an- dern, ihn unterſcheidet; dann iſt dasjenige vorhanden, was ein Gewahrwerden oder ein Gewahrnehmen, oder die Apperception genennet wird. Ohne Zweifel hat dieß Wort, wie faſt alle uͤbrige, urſpruͤnglich eine viel eingeſchraͤnktere Bedeutung. Gewahrnehmen iſt ein Unterſcheiden, ein Auskennen, wie die mehreſten ſagen, die zwar durch dieſe Vertauſchung der Ausdruͤcke den Begrif von dem Aktus des Gewahrnehmens nicht deutlicher machen, als er

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/322>, abgerufen am 22.12.2024.