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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

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Kenntn. v. d. objektiv. Existenz d. Dinge.
als für eine Nebensache ansehen kann, so will ich sie nicht
ausführlich behandeln, sondern nur im Auszug meine
Gedanken darüber hersetzen.

IV. Wie
pfindlichen Theilen des Körpers; die Empfindung von
dem Licht aber auf die Bewegungen, die sich in dem
Feuer, nicht auf die, welche sich in dem Auge befinden;
aber dadurch scheinet die Sache nicht erkläret zu seyn.
Woher erkennet die Seele diesen Unterschied der Objekte,
auf welche ihre Modifikation sich vorstellungsartig be-
ziehet? Und schließt die Analogie der Empfindung in
der Seele mit den Veränderungen des Organs, die
Analogie derselben mit den Bewegungen des äußern
Körpers, welche die Ursache von den Veränderungen
im Organ sind, wohl aus? und kann nicht auch die
letztere Analogie mit der erstern bestehen? Kann nicht
die Vorstellung zugleich eine Vorstellung von der Ursa-
che seyn, wenn sie es von dieser ihrer Wirkung ist?
Man könnte indeß der Leibnitzischen Jdee weiter
nachgehen, und sich vorstellen, der Gegenstand unserer
Empfindung in der Seele würde von uns dahin, in
den Körper nämlich, oder außer ihn, gesetzt, wo die
sinnlichen Eindrücke zuletzt ausgehen, und sich in ver-
schiedene Richtungen, als so viele Empfindungslinien,
nach Art der Lichtstrahlen verbreiten, die dann wieder
in der Seele in besondere Punkte vereiniget werden.
Die Stelle, wo diese Empfindungslinien, als divergi-
rende Strahlen aus Punkten des Objekts herausgehen,
und auf uns zufahren, mußte die Stelle des Objekts
seyn. Diese Vorstellungsart von der Sache, scheinet
in den Gesichtsempfindungen bestätiget zu werden. Die
Lichtstrahlen gehen durch die Luft, und durch Glas.
Aber wir sehen hier in diesen Mittelkörpern kein Objekt,
weil das Bild auf unsere Netzhaut nicht die Lage der
Strahlen gegen einander, in dem Durchgang durch diese
Körper abbildet. Die vollkommenen durchsichtigen
Körper würden völlig unsichtbar seyn. Es ist also das
Objekt unserer Vorstellung an der Stelle, wo die Punkte
sind, aus welchen uns die ausgehende Lichtstrahlen zu-
kommen, und dieß sind hier die Punkte, aus denen die
Empfin-

Kenntn. v. d. objektiv. Exiſtenz d. Dinge.
als fuͤr eine Nebenſache anſehen kann, ſo will ich ſie nicht
ausfuͤhrlich behandeln, ſondern nur im Auszug meine
Gedanken daruͤber herſetzen.

IV. Wie
pfindlichen Theilen des Koͤrpers; die Empfindung von
dem Licht aber auf die Bewegungen, die ſich in dem
Feuer, nicht auf die, welche ſich in dem Auge befinden;
aber dadurch ſcheinet die Sache nicht erklaͤret zu ſeyn.
Woher erkennet die Seele dieſen Unterſchied der Objekte,
auf welche ihre Modifikation ſich vorſtellungsartig be-
ziehet? Und ſchließt die Analogie der Empfindung in
der Seele mit den Veraͤnderungen des Organs, die
Analogie derſelben mit den Bewegungen des aͤußern
Koͤrpers, welche die Urſache von den Veraͤnderungen
im Organ ſind, wohl aus? und kann nicht auch die
letztere Analogie mit der erſtern beſtehen? Kann nicht
die Vorſtellung zugleich eine Vorſtellung von der Urſa-
che ſeyn, wenn ſie es von dieſer ihrer Wirkung iſt?
Man koͤnnte indeß der Leibnitziſchen Jdee weiter
nachgehen, und ſich vorſtellen, der Gegenſtand unſerer
Empfindung in der Seele wuͤrde von uns dahin, in
den Koͤrper naͤmlich, oder außer ihn, geſetzt, wo die
ſinnlichen Eindruͤcke zuletzt ausgehen, und ſich in ver-
ſchiedene Richtungen, als ſo viele Empfindungslinien,
nach Art der Lichtſtrahlen verbreiten, die dann wieder
in der Seele in beſondere Punkte vereiniget werden.
Die Stelle, wo dieſe Empfindungslinien, als divergi-
rende Strahlen aus Punkten des Objekts herausgehen,
und auf uns zufahren, mußte die Stelle des Objekts
ſeyn. Dieſe Vorſtellungsart von der Sache, ſcheinet
in den Geſichtsempfindungen beſtaͤtiget zu werden. Die
Lichtſtrahlen gehen durch die Luft, und durch Glas.
Aber wir ſehen hier in dieſen Mittelkoͤrpern kein Objekt,
weil das Bild auf unſere Netzhaut nicht die Lage der
Strahlen gegen einander, in dem Durchgang durch dieſe
Koͤrper abbildet. Die vollkommenen durchſichtigen
Koͤrper wuͤrden voͤllig unſichtbar ſeyn. Es iſt alſo das
Objekt unſerer Vorſtellung an der Stelle, wo die Punkte
ſind, aus welchen uns die ausgehende Lichtſtrahlen zu-
kommen, und dieß ſind hier die Punkte, aus denen die
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[383/0443] Kenntn. v. d. objektiv. Exiſtenz d. Dinge. als fuͤr eine Nebenſache anſehen kann, ſo will ich ſie nicht ausfuͤhrlich behandeln, ſondern nur im Auszug meine Gedanken daruͤber herſetzen. IV. Wie *) *) pfindlichen Theilen des Koͤrpers; die Empfindung von dem Licht aber auf die Bewegungen, die ſich in dem Feuer, nicht auf die, welche ſich in dem Auge befinden; aber dadurch ſcheinet die Sache nicht erklaͤret zu ſeyn. Woher erkennet die Seele dieſen Unterſchied der Objekte, auf welche ihre Modifikation ſich vorſtellungsartig be- ziehet? Und ſchließt die Analogie der Empfindung in der Seele mit den Veraͤnderungen des Organs, die Analogie derſelben mit den Bewegungen des aͤußern Koͤrpers, welche die Urſache von den Veraͤnderungen im Organ ſind, wohl aus? und kann nicht auch die letztere Analogie mit der erſtern beſtehen? Kann nicht die Vorſtellung zugleich eine Vorſtellung von der Urſa- che ſeyn, wenn ſie es von dieſer ihrer Wirkung iſt? Man koͤnnte indeß der Leibnitziſchen Jdee weiter nachgehen, und ſich vorſtellen, der Gegenſtand unſerer Empfindung in der Seele wuͤrde von uns dahin, in den Koͤrper naͤmlich, oder außer ihn, geſetzt, wo die ſinnlichen Eindruͤcke zuletzt ausgehen, und ſich in ver- ſchiedene Richtungen, als ſo viele Empfindungslinien, nach Art der Lichtſtrahlen verbreiten, die dann wieder in der Seele in beſondere Punkte vereiniget werden. Die Stelle, wo dieſe Empfindungslinien, als divergi- rende Strahlen aus Punkten des Objekts herausgehen, und auf uns zufahren, mußte die Stelle des Objekts ſeyn. Dieſe Vorſtellungsart von der Sache, ſcheinet in den Geſichtsempfindungen beſtaͤtiget zu werden. Die Lichtſtrahlen gehen durch die Luft, und durch Glas. Aber wir ſehen hier in dieſen Mittelkoͤrpern kein Objekt, weil das Bild auf unſere Netzhaut nicht die Lage der Strahlen gegen einander, in dem Durchgang durch dieſe Koͤrper abbildet. Die vollkommenen durchſichtigen Koͤrper wuͤrden voͤllig unſichtbar ſeyn. Es iſt alſo das Objekt unſerer Vorſtellung an der Stelle, wo die Punkte ſind, aus welchen uns die ausgehende Lichtſtrahlen zu- kommen, und dieß ſind hier die Punkte, aus denen die Empfin-

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/443>, abgerufen am 17.06.2024.