Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.Kenntn. v. d. objektiv. Existenz d. Dinge. tung dazu, die sich bemerken ließe, und vergehen wie-derum ohne merkbare Folgen. Nicht so die Empfin- dungen aus dem Körper, noch die Empfindungen des innern Selbstgefühls. Diese sind stärker, und verfol- gen das Bewußtseyn länger. Von ohngefähr schloß der Mensch die Augen, und die Gesichtsbilder waren dahin; er wandte sie nach einer andern Seite, und die Scene änderte sich. Aber der Schmerz im Körper, sein Ver- druß in der Seele war ihr länger gegenwärtig, wie sehr sich jene Scene auch änderte. Hier war seine thätige Kraft mehr und stärker beschäftiget; und er bemerkte bey ihnen mehrere und mannigfaltigere Umstände und Fol- gen. Dieß allein reichte, meiner Meinung nach, hin, diese beiden großen Haufen von innern und äußern Empfindungen von einander zu unterscheiden, wenn gleich die Empfindungen aus dem Körper, von denen aus der Seele selbst, noch unauseinandergesetzet blieben, davon auch einige sich niemals völlig von einander abson- dern. lung mit dem äußern Objekt das Kennzeichen finden, wodurch die Eindrücke von außen sich von den übrigen zuerst haben unterscheiden lassen. Ein mir unbekanter Philosoph, der die Garveische Ausgabe von Fregu- sons Moral-Philosophie (in der A. D. Biblioth. 17. B. 2. Th. S. 336.) recensirt, hat die hiebey vorkom- menden Schwierigkeiten am deutlichsten eingesehen, und einen scharfsinnigen Versuch gemacht, die Gesetze, wo- nach die Denkkraft subjektivische und objektivische Wirk- lichkeit beurtheilet, aus Beobachtungen fest zu setzen. Er scheint mir aber hiebey auf einen Umweg gerathen zu seyn, bey dem er doch am Ende den, meiner Ein- sicht nach, richtigen Erklärungsgrund wohl verfehlet haben möchte. Die von ihm angegebenen Regeln aber, in so ferne sie völlig mit den Beobachtungen überein- stimmen, sind besondere Folgen, aus dem allgemeinen Denkgesetze, woraus ich unten die Sache zu erläutern gesucht habe. I. Band. B b
Kenntn. v. d. objektiv. Exiſtenz d. Dinge. tung dazu, die ſich bemerken ließe, und vergehen wie-derum ohne merkbare Folgen. Nicht ſo die Empfin- dungen aus dem Koͤrper, noch die Empfindungen des innern Selbſtgefuͤhls. Dieſe ſind ſtaͤrker, und verfol- gen das Bewußtſeyn laͤnger. Von ohngefaͤhr ſchloß der Menſch die Augen, und die Geſichtsbilder waren dahin; er wandte ſie nach einer andern Seite, und die Scene aͤnderte ſich. Aber der Schmerz im Koͤrper, ſein Ver- druß in der Seele war ihr laͤnger gegenwaͤrtig, wie ſehr ſich jene Scene auch aͤnderte. Hier war ſeine thaͤtige Kraft mehr und ſtaͤrker beſchaͤftiget; und er bemerkte bey ihnen mehrere und mannigfaltigere Umſtaͤnde und Fol- gen. Dieß allein reichte, meiner Meinung nach, hin, dieſe beiden großen Haufen von innern und aͤußern Empfindungen von einander zu unterſcheiden, wenn gleich die Empfindungen aus dem Koͤrper, von denen aus der Seele ſelbſt, noch unauseinandergeſetzet blieben, davon auch einige ſich niemals voͤllig von einander abſon- dern. lung mit dem aͤußern Objekt das Kennzeichen finden, wodurch die Eindruͤcke von außen ſich von den uͤbrigen zuerſt haben unterſcheiden laſſen. Ein mir unbekanter Philoſoph, der die Garveiſche Ausgabe von Fregu- ſons Moral-Philoſophie (in der A. D. Biblioth. 17. B. 2. Th. S. 336.) recenſirt, hat die hiebey vorkom- menden Schwierigkeiten am deutlichſten eingeſehen, und einen ſcharfſinnigen Verſuch gemacht, die Geſetze, wo- nach die Denkkraft ſubjektiviſche und objektiviſche Wirk- lichkeit beurtheilet, aus Beobachtungen feſt zu ſetzen. Er ſcheint mir aber hiebey auf einen Umweg gerathen zu ſeyn, bey dem er doch am Ende den, meiner Ein- ſicht nach, richtigen Erklaͤrungsgrund wohl verfehlet haben moͤchte. Die von ihm angegebenen Regeln aber, in ſo ferne ſie voͤllig mit den Beobachtungen uͤberein- ſtimmen, ſind beſondere Folgen, aus dem allgemeinen Denkgeſetze, woraus ich unten die Sache zu erlaͤutern geſucht habe. I. Band. B b
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Kenntn. v. d. objektiv. Exiſtenz d. Dinge.
tung dazu, die ſich bemerken ließe, und vergehen wie-
derum ohne merkbare Folgen. Nicht ſo die Empfin-
dungen aus dem Koͤrper, noch die Empfindungen des
innern Selbſtgefuͤhls. Dieſe ſind ſtaͤrker, und verfol-
gen das Bewußtſeyn laͤnger. Von ohngefaͤhr ſchloß der
Menſch die Augen, und die Geſichtsbilder waren dahin;
er wandte ſie nach einer andern Seite, und die Scene
aͤnderte ſich. Aber der Schmerz im Koͤrper, ſein Ver-
druß in der Seele war ihr laͤnger gegenwaͤrtig, wie ſehr
ſich jene Scene auch aͤnderte. Hier war ſeine thaͤtige
Kraft mehr und ſtaͤrker beſchaͤftiget; und er bemerkte bey
ihnen mehrere und mannigfaltigere Umſtaͤnde und Fol-
gen. Dieß allein reichte, meiner Meinung nach, hin,
dieſe beiden großen Haufen von innern und aͤußern
Empfindungen von einander zu unterſcheiden, wenn
gleich die Empfindungen aus dem Koͤrper, von denen
aus der Seele ſelbſt, noch unauseinandergeſetzet blieben,
davon auch einige ſich niemals voͤllig von einander abſon-
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*) lung mit dem aͤußern Objekt das Kennzeichen finden,
wodurch die Eindruͤcke von außen ſich von den uͤbrigen
zuerſt haben unterſcheiden laſſen. Ein mir unbekanter
Philoſoph, der die Garveiſche Ausgabe von Fregu-
ſons Moral-Philoſophie (in der A. D. Biblioth. 17.
B. 2. Th. S. 336.) recenſirt, hat die hiebey vorkom-
menden Schwierigkeiten am deutlichſten eingeſehen, und
einen ſcharfſinnigen Verſuch gemacht, die Geſetze, wo-
nach die Denkkraft ſubjektiviſche und objektiviſche Wirk-
lichkeit beurtheilet, aus Beobachtungen feſt zu ſetzen.
Er ſcheint mir aber hiebey auf einen Umweg gerathen
zu ſeyn, bey dem er doch am Ende den, meiner Ein-
ſicht nach, richtigen Erklaͤrungsgrund wohl verfehlet
haben moͤchte. Die von ihm angegebenen Regeln aber,
in ſo ferne ſie voͤllig mit den Beobachtungen uͤberein-
ſtimmen, ſind beſondere Folgen, aus dem allgemeinen
Denkgeſetze, woraus ich unten die Sache zu erlaͤutern
geſucht habe.
I. Band. B b
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