wenigstens so lange nur, bis wir die Reproduktion der einen oder der andern völliger machen, bis dahin, daß sie mehr als das allgemeine Aehnliche enthält. Aber die Hauptsache ist, daß wir solches bey der gegenwärti- gen Jmpression weglegen, diese, so zu sagen, mit bloßen Augen ansehen, und sie alsdenn mit dem Schein durch das Glas vergleichen.
Um das Allgemeine auf einen besondern Fall bey den Gesichtsempfindungen anzuwenden, so stehe ein Mensch vier Fuß von mir ab. Jch habe alsdenn einen sinnlichen Eindruck von ihm, den ich fühle, und dieser giebt mir eine Jdee von seiner sichtlichen Größe. Wenn nun dieser Mensch noch einmal so weit von mir abgeht, so ist meine Jmpression verändert: es ist ein kleinerer Winkel am Auge, und ein kleineres Bild auf der Netzhaut. Kann ich diese Verschiedenheit gewahr- nehmen? oder, wenn ich sie nicht gewahrnehme, wenn der sichtliche Schein der Größe noch unverändert dersel- bige ist, kann ich sagen, ich fühle, daß er noch dersel- bige sey, und daß ich den Menschen noch eben so groß empfinde als vorher? oder kann ich wohl mehr sagen, als, ich fühle keinen Unterschied? Laß das Objekt noch weiter sich entfernen, so wird doch endlich der Unterschied in der Jmpression so groß werden, daß wir ihn bey ei- ner genauern Beobachtung bemerken können. Aber wir geben selten darauf acht, und wenn wirs auch thun, so meinen wir doch, daß wir jetzo noch sehen, die Sache sey eben so groß, oder doch beynahe, als vorher. Wir sagen, wir empfinden noch dieselbige sichtliche Größe. Jst dieß letztere eine wahre Empfindung oder eine Ein- bildung?
Gemeiniglich erklärt man dieß so: Es giebt gewisse Arten, die Objekte in gewissen Lagen, in einer gewissen Nähe, und unter gewissen Umständen durchs Auge zu empfinden. Aus diesen Empfindungen nehmen wir die
Jdeen
VI. Verſuch. Ueber den Unterſchied
wenigſtens ſo lange nur, bis wir die Reproduktion der einen oder der andern voͤlliger machen, bis dahin, daß ſie mehr als das allgemeine Aehnliche enthaͤlt. Aber die Hauptſache iſt, daß wir ſolches bey der gegenwaͤrti- gen Jmpreſſion weglegen, dieſe, ſo zu ſagen, mit bloßen Augen anſehen, und ſie alsdenn mit dem Schein durch das Glas vergleichen.
Um das Allgemeine auf einen beſondern Fall bey den Geſichtsempfindungen anzuwenden, ſo ſtehe ein Menſch vier Fuß von mir ab. Jch habe alsdenn einen ſinnlichen Eindruck von ihm, den ich fuͤhle, und dieſer giebt mir eine Jdee von ſeiner ſichtlichen Groͤße. Wenn nun dieſer Menſch noch einmal ſo weit von mir abgeht, ſo iſt meine Jmpreſſion veraͤndert: es iſt ein kleinerer Winkel am Auge, und ein kleineres Bild auf der Netzhaut. Kann ich dieſe Verſchiedenheit gewahr- nehmen? oder, wenn ich ſie nicht gewahrnehme, wenn der ſichtliche Schein der Groͤße noch unveraͤndert derſel- bige iſt, kann ich ſagen, ich fuͤhle, daß er noch derſel- bige ſey, und daß ich den Menſchen noch eben ſo groß empfinde als vorher? oder kann ich wohl mehr ſagen, als, ich fuͤhle keinen Unterſchied? Laß das Objekt noch weiter ſich entfernen, ſo wird doch endlich der Unterſchied in der Jmpreſſion ſo groß werden, daß wir ihn bey ei- ner genauern Beobachtung bemerken koͤnnen. Aber wir geben ſelten darauf acht, und wenn wirs auch thun, ſo meinen wir doch, daß wir jetzo noch ſehen, die Sache ſey eben ſo groß, oder doch beynahe, als vorher. Wir ſagen, wir empfinden noch dieſelbige ſichtliche Groͤße. Jſt dieß letztere eine wahre Empfindung oder eine Ein- bildung?
Gemeiniglich erklaͤrt man dieß ſo: Es giebt gewiſſe Arten, die Objekte in gewiſſen Lagen, in einer gewiſſen Naͤhe, und unter gewiſſen Umſtaͤnden durchs Auge zu empfinden. Aus dieſen Empfindungen nehmen wir die
Jdeen
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VI. Verſuch. Ueber den Unterſchied
wenigſtens ſo lange nur, bis wir die Reproduktion der
einen oder der andern voͤlliger machen, bis dahin, daß
ſie mehr als das allgemeine Aehnliche enthaͤlt. Aber
die Hauptſache iſt, daß wir ſolches bey der gegenwaͤrti-
gen Jmpreſſion weglegen, dieſe, ſo zu ſagen, mit bloßen
Augen anſehen, und ſie alsdenn mit dem Schein durch
das Glas vergleichen.
Um das Allgemeine auf einen beſondern Fall bey
den Geſichtsempfindungen anzuwenden, ſo ſtehe ein
Menſch vier Fuß von mir ab. Jch habe alsdenn einen
ſinnlichen Eindruck von ihm, den ich fuͤhle, und dieſer
giebt mir eine Jdee von ſeiner ſichtlichen Groͤße.
Wenn nun dieſer Menſch noch einmal ſo weit von mir
abgeht, ſo iſt meine Jmpreſſion veraͤndert: es iſt ein
kleinerer Winkel am Auge, und ein kleineres Bild auf
der Netzhaut. Kann ich dieſe Verſchiedenheit gewahr-
nehmen? oder, wenn ich ſie nicht gewahrnehme, wenn
der ſichtliche Schein der Groͤße noch unveraͤndert derſel-
bige iſt, kann ich ſagen, ich fuͤhle, daß er noch derſel-
bige ſey, und daß ich den Menſchen noch eben ſo groß
empfinde als vorher? oder kann ich wohl mehr ſagen,
als, ich fuͤhle keinen Unterſchied? Laß das Objekt noch
weiter ſich entfernen, ſo wird doch endlich der Unterſchied
in der Jmpreſſion ſo groß werden, daß wir ihn bey ei-
ner genauern Beobachtung bemerken koͤnnen. Aber wir
geben ſelten darauf acht, und wenn wirs auch thun, ſo
meinen wir doch, daß wir jetzo noch ſehen, die Sache
ſey eben ſo groß, oder doch beynahe, als vorher. Wir
ſagen, wir empfinden noch dieſelbige ſichtliche Groͤße.
Jſt dieß letztere eine wahre Empfindung oder eine Ein-
bildung?
Gemeiniglich erklaͤrt man dieß ſo: Es giebt gewiſſe
Arten, die Objekte in gewiſſen Lagen, in einer gewiſſen
Naͤhe, und unter gewiſſen Umſtaͤnden durchs Auge zu
empfinden. Aus dieſen Empfindungen nehmen wir die
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/498>, abgerufen am 22.12.2024.
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