dem Sinne schlagen. Aber dieß nicht allein; ich kann so gar den Gedanken mit ihr verbinden, daß der Tisch kein wirkliches Objekt sey, wenn ich anders im Stande bin, die berkeleyischen Zweifelgründe lebhaft genug zu erwecken, und in mir zu erhalten.
Jn diesen angeführten Urtheilsarten ist also die Ver- bindung zwischen den Gedanken von dem Verhältnisse der Jdeen, und zwischen den Jdeen selbst nicht in einem solchen Grade nothwendig, daß nicht ein anderer Ver- hältnißgedanke an die Stelle des erstern hervorgebracht werden könne. Die subjektivische Folge unserer Kraft- äußerungen ist hier an sich zufällig und kann verän- dert werden, und wird oftmals wirklich verändert.
Dagegen ist nun dieß auch eine Erfahrung. "Wenn "wir bestimmte Jdeen in uns gegeneinander stellen, mit "der Tendenz unserer Kraft zum Vergleichen, und wir "es also darauf anlegen, die Verhältnisse der Dinge aus "ihren Jdeen zu erkennen, so muß auch bey der Fortse- "tzung dieser Thätigkeit der Verhältnißgedanke so erfol- "gen, wie er wirklich erfolget, woferne nicht andere "Vorstellungen dazwischen treten, und die Applikation "der Kraft hindern oder anderswohin lenken." Lasset uns, wenn wir können, einen Augenblick unsere astro- nomischen Jdeen zurück lassen, und die Größen der Sonne und des Monds nach ihren sinnlichen Jdeen zu vergleichen uns bestreben; störet uns nur keine frem- de Jdee, so wird der Gedanke sich bald einstellen, der das sinnliche Urtheil ausmacht, daß die Sonne dem Monde an Größe gleich sey. Wo diese Wirkung nicht erfolget, oder wo die entgegengesetzte erfolget, und wo sich dergleichen durch unsere eigene willkührliche Bestim- mung so zuträget, da ist eine fremde Jdee vorhanden, die es entweder nicht bis zu dem Aktus des Vergleichens kommen läßt, oder während dieses Aktus es veranlasset,
daß
der allgem. Vernunftwahrheiten, ⁊c.
dem Sinne ſchlagen. Aber dieß nicht allein; ich kann ſo gar den Gedanken mit ihr verbinden, daß der Tiſch kein wirkliches Objekt ſey, wenn ich anders im Stande bin, die berkeleyiſchen Zweifelgruͤnde lebhaft genug zu erwecken, und in mir zu erhalten.
Jn dieſen angefuͤhrten Urtheilsarten iſt alſo die Ver- bindung zwiſchen den Gedanken von dem Verhaͤltniſſe der Jdeen, und zwiſchen den Jdeen ſelbſt nicht in einem ſolchen Grade nothwendig, daß nicht ein anderer Ver- haͤltnißgedanke an die Stelle des erſtern hervorgebracht werden koͤnne. Die ſubjektiviſche Folge unſerer Kraft- aͤußerungen iſt hier an ſich zufaͤllig und kann veraͤn- dert werden, und wird oftmals wirklich veraͤndert.
Dagegen iſt nun dieß auch eine Erfahrung. „Wenn „wir beſtimmte Jdeen in uns gegeneinander ſtellen, mit „der Tendenz unſerer Kraft zum Vergleichen, und wir „es alſo darauf anlegen, die Verhaͤltniſſe der Dinge aus „ihren Jdeen zu erkennen, ſo muß auch bey der Fortſe- „tzung dieſer Thaͤtigkeit der Verhaͤltnißgedanke ſo erfol- „gen, wie er wirklich erfolget, woferne nicht andere „Vorſtellungen dazwiſchen treten, und die Applikation „der Kraft hindern oder anderswohin lenken.“ Laſſet uns, wenn wir koͤnnen, einen Augenblick unſere aſtro- nomiſchen Jdeen zuruͤck laſſen, und die Groͤßen der Sonne und des Monds nach ihren ſinnlichen Jdeen zu vergleichen uns beſtreben; ſtoͤret uns nur keine frem- de Jdee, ſo wird der Gedanke ſich bald einſtellen, der das ſinnliche Urtheil ausmacht, daß die Sonne dem Monde an Groͤße gleich ſey. Wo dieſe Wirkung nicht erfolget, oder wo die entgegengeſetzte erfolget, und wo ſich dergleichen durch unſere eigene willkuͤhrliche Beſtim- mung ſo zutraͤget, da iſt eine fremde Jdee vorhanden, die es entweder nicht bis zu dem Aktus des Vergleichens kommen laͤßt, oder waͤhrend dieſes Aktus es veranlaſſet,
daß
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der allgem. Vernunftwahrheiten, ⁊c.
dem Sinne ſchlagen. Aber dieß nicht allein; ich kann
ſo gar den Gedanken mit ihr verbinden, daß der Tiſch
kein wirkliches Objekt ſey, wenn ich anders im Stande
bin, die berkeleyiſchen Zweifelgruͤnde lebhaft genug zu
erwecken, und in mir zu erhalten.
Jn dieſen angefuͤhrten Urtheilsarten iſt alſo die Ver-
bindung zwiſchen den Gedanken von dem Verhaͤltniſſe
der Jdeen, und zwiſchen den Jdeen ſelbſt nicht in einem
ſolchen Grade nothwendig, daß nicht ein anderer Ver-
haͤltnißgedanke an die Stelle des erſtern hervorgebracht
werden koͤnne. Die ſubjektiviſche Folge unſerer Kraft-
aͤußerungen iſt hier an ſich zufaͤllig und kann veraͤn-
dert werden, und wird oftmals wirklich veraͤndert.
Dagegen iſt nun dieß auch eine Erfahrung. „Wenn
„wir beſtimmte Jdeen in uns gegeneinander ſtellen, mit
„der Tendenz unſerer Kraft zum Vergleichen, und wir
„es alſo darauf anlegen, die Verhaͤltniſſe der Dinge aus
„ihren Jdeen zu erkennen, ſo muß auch bey der Fortſe-
„tzung dieſer Thaͤtigkeit der Verhaͤltnißgedanke ſo erfol-
„gen, wie er wirklich erfolget, woferne nicht andere
„Vorſtellungen dazwiſchen treten, und die Applikation
„der Kraft hindern oder anderswohin lenken.“ Laſſet
uns, wenn wir koͤnnen, einen Augenblick unſere aſtro-
nomiſchen Jdeen zuruͤck laſſen, und die Groͤßen der
Sonne und des Monds nach ihren ſinnlichen Jdeen
zu vergleichen uns beſtreben; ſtoͤret uns nur keine frem-
de Jdee, ſo wird der Gedanke ſich bald einſtellen, der
das ſinnliche Urtheil ausmacht, daß die Sonne dem
Monde an Groͤße gleich ſey. Wo dieſe Wirkung nicht
erfolget, oder wo die entgegengeſetzte erfolget, und wo
ſich dergleichen durch unſere eigene willkuͤhrliche Beſtim-
mung ſo zutraͤget, da iſt eine fremde Jdee vorhanden,
die es entweder nicht bis zu dem Aktus des Vergleichens
kommen laͤßt, oder waͤhrend dieſes Aktus es veranlaſſet,
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 479. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/539>, abgerufen am 22.12.2024.
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