Gedanken stehet, welcher von der Jdee des Subjekts verschieden sey.
Jn der That enthält unser gewöhnlicher Grundbe- grif von dem Entstehen schon die Jdee von einer Ab- hängigkeit und ursachlicher Verbindung in sich. Denn die mehresten empfundenen Entstehungen, zumal die in- nern, haben klar genug andere Gefühle bey sich gehabt, welche die Materie zu dem Verhältnißgedanken von der ursachlichen Verbindung ausmachen, aus der dieser Ge- danke gemacht wird. Aus solchen Empfindungen ist die Abstraktion ohne Zweifel zunächst gezogen worden, so wie sie in dem gemeinen Verstande vorhanden ist. Aber da es andere Empfindungen giebt, wo Dinge entstehen, ohne daß etwas von ihrer Ursache mit empfunden wird, so konnte der letztere Zusatz in dem Gemeinbegrif auch wohl von ihm wieder abgesondert werden.
Es ist also nicht so wohl die aus der Empfindung herrührende Verbindung der Jdee von Abhängigkeit mit der Jdee von dem Entstehen, sondern vielmehr die Ab- hängigkeit des Gedankens, wenn wir ein Ding als ein entstandenes, oder wirklich gewordenes Ding erken- nen, und die Unentbehrlichkeit eines ideellen Grundes hiezu, die wahre physische Ursache von der subjektivischen Nothwendigkeit, mit der ein Entstandenes Ding zugleich auch als ein von einer andern Ursache abhangendes und hervorgebrachtes gedacht wird.
Dieß geht so zu. Die Unentbehrlichkeit einer ideellen Ursache zu der ideellen Existenz in uns, wird auf die objektivische Existenz der Dinge außer uns übergetragen. So wie in uns der Gedanke "ein unwirklich gewesenes Ding sey zur Existenz gekommen," seinen psychologischen Grund haben muß, der vor der Wirkung vorhergehet, und also im Verstande ein sub- jektivischer Grund a priori ist, so muß auch jedes sol- ches Objekt außer dem Verstande seinen objektivischen
Grund
VII. Verſuch. Von der Nothwendigkeit
Gedanken ſtehet, welcher von der Jdee des Subjekts verſchieden ſey.
Jn der That enthaͤlt unſer gewoͤhnlicher Grundbe- grif von dem Entſtehen ſchon die Jdee von einer Ab- haͤngigkeit und urſachlicher Verbindung in ſich. Denn die mehreſten empfundenen Entſtehungen, zumal die in- nern, haben klar genug andere Gefuͤhle bey ſich gehabt, welche die Materie zu dem Verhaͤltnißgedanken von der urſachlichen Verbindung ausmachen, aus der dieſer Ge- danke gemacht wird. Aus ſolchen Empfindungen iſt die Abſtraktion ohne Zweifel zunaͤchſt gezogen worden, ſo wie ſie in dem gemeinen Verſtande vorhanden iſt. Aber da es andere Empfindungen giebt, wo Dinge entſtehen, ohne daß etwas von ihrer Urſache mit empfunden wird, ſo konnte der letztere Zuſatz in dem Gemeinbegrif auch wohl von ihm wieder abgeſondert werden.
Es iſt alſo nicht ſo wohl die aus der Empfindung herruͤhrende Verbindung der Jdee von Abhaͤngigkeit mit der Jdee von dem Entſtehen, ſondern vielmehr die Ab- haͤngigkeit des Gedankens, wenn wir ein Ding als ein entſtandenes, oder wirklich gewordenes Ding erken- nen, und die Unentbehrlichkeit eines ideellen Grundes hiezu, die wahre phyſiſche Urſache von der ſubjektiviſchen Nothwendigkeit, mit der ein Entſtandenes Ding zugleich auch als ein von einer andern Urſache abhangendes und hervorgebrachtes gedacht wird.
Dieß geht ſo zu. Die Unentbehrlichkeit einer ideellen Urſache zu der ideellen Exiſtenz in uns, wird auf die objektiviſche Exiſtenz der Dinge außer uns uͤbergetragen. So wie in uns der Gedanke „ein unwirklich geweſenes Ding ſey zur Exiſtenz gekommen,‟ ſeinen pſychologiſchen Grund haben muß, der vor der Wirkung vorhergehet, und alſo im Verſtande ein ſub- jektiviſcher Grund a priori iſt, ſo muß auch jedes ſol- ches Objekt außer dem Verſtande ſeinen objektiviſchen
Grund
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0566"n="506"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">VII.</hi> Verſuch. Von der Nothwendigkeit</hi></fw><lb/>
Gedanken ſtehet, welcher von der Jdee des Subjekts<lb/>
verſchieden ſey.</p><lb/><p>Jn der That enthaͤlt unſer gewoͤhnlicher Grundbe-<lb/>
grif von dem <hirendition="#fr">Entſtehen</hi>ſchon die Jdee von einer <hirendition="#fr">Ab-<lb/>
haͤngigkeit</hi> und urſachlicher Verbindung in ſich. Denn<lb/>
die mehreſten empfundenen Entſtehungen, zumal die in-<lb/>
nern, haben klar genug andere Gefuͤhle bey ſich gehabt,<lb/>
welche die Materie zu dem Verhaͤltnißgedanken von der<lb/>
urſachlichen Verbindung ausmachen, aus der dieſer Ge-<lb/>
danke gemacht wird. Aus ſolchen Empfindungen iſt die<lb/>
Abſtraktion ohne Zweifel zunaͤchſt gezogen worden, ſo<lb/>
wie ſie in dem gemeinen Verſtande vorhanden iſt. Aber<lb/>
da es andere Empfindungen giebt, wo Dinge entſtehen,<lb/>
ohne daß etwas von ihrer Urſache mit empfunden wird,<lb/>ſo konnte der letztere Zuſatz in dem Gemeinbegrif auch<lb/>
wohl von ihm wieder abgeſondert werden.</p><lb/><p>Es iſt alſo nicht ſo wohl die <hirendition="#fr">aus der Empfindung</hi><lb/>
herruͤhrende Verbindung der Jdee von Abhaͤngigkeit mit<lb/>
der Jdee von dem Entſtehen, ſondern vielmehr die <hirendition="#fr">Ab-<lb/>
haͤngigkeit des Gedankens,</hi> wenn wir ein Ding als<lb/>
ein entſtandenes, oder wirklich gewordenes Ding erken-<lb/>
nen, und die Unentbehrlichkeit eines ideellen Grundes<lb/>
hiezu, die wahre phyſiſche Urſache von der ſubjektiviſchen<lb/>
Nothwendigkeit, mit der ein Entſtandenes Ding zugleich<lb/>
auch als ein von einer andern Urſache abhangendes und<lb/>
hervorgebrachtes gedacht wird.</p><lb/><p>Dieß geht ſo zu. Die <hirendition="#fr">Unentbehrlichkeit</hi> einer<lb/><hirendition="#fr">ideellen Urſache</hi> zu der <hirendition="#fr">ideellen Exiſtenz</hi> in uns,<lb/>
wird auf die <hirendition="#fr">objektiviſche Exiſtenz</hi> der Dinge außer<lb/>
uns uͤbergetragen. So wie in uns der Gedanke „ein<lb/>
unwirklich geweſenes Ding ſey zur Exiſtenz gekommen,‟<lb/>ſeinen pſychologiſchen Grund haben muß, der vor der<lb/>
Wirkung vorhergehet, und alſo im Verſtande ein ſub-<lb/>
jektiviſcher Grund <hirendition="#aq">a priori</hi> iſt, ſo muß auch jedes ſol-<lb/>
ches Objekt außer dem Verſtande ſeinen objektiviſchen<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Grund</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[506/0566]
VII. Verſuch. Von der Nothwendigkeit
Gedanken ſtehet, welcher von der Jdee des Subjekts
verſchieden ſey.
Jn der That enthaͤlt unſer gewoͤhnlicher Grundbe-
grif von dem Entſtehen ſchon die Jdee von einer Ab-
haͤngigkeit und urſachlicher Verbindung in ſich. Denn
die mehreſten empfundenen Entſtehungen, zumal die in-
nern, haben klar genug andere Gefuͤhle bey ſich gehabt,
welche die Materie zu dem Verhaͤltnißgedanken von der
urſachlichen Verbindung ausmachen, aus der dieſer Ge-
danke gemacht wird. Aus ſolchen Empfindungen iſt die
Abſtraktion ohne Zweifel zunaͤchſt gezogen worden, ſo
wie ſie in dem gemeinen Verſtande vorhanden iſt. Aber
da es andere Empfindungen giebt, wo Dinge entſtehen,
ohne daß etwas von ihrer Urſache mit empfunden wird,
ſo konnte der letztere Zuſatz in dem Gemeinbegrif auch
wohl von ihm wieder abgeſondert werden.
Es iſt alſo nicht ſo wohl die aus der Empfindung
herruͤhrende Verbindung der Jdee von Abhaͤngigkeit mit
der Jdee von dem Entſtehen, ſondern vielmehr die Ab-
haͤngigkeit des Gedankens, wenn wir ein Ding als
ein entſtandenes, oder wirklich gewordenes Ding erken-
nen, und die Unentbehrlichkeit eines ideellen Grundes
hiezu, die wahre phyſiſche Urſache von der ſubjektiviſchen
Nothwendigkeit, mit der ein Entſtandenes Ding zugleich
auch als ein von einer andern Urſache abhangendes und
hervorgebrachtes gedacht wird.
Dieß geht ſo zu. Die Unentbehrlichkeit einer
ideellen Urſache zu der ideellen Exiſtenz in uns,
wird auf die objektiviſche Exiſtenz der Dinge außer
uns uͤbergetragen. So wie in uns der Gedanke „ein
unwirklich geweſenes Ding ſey zur Exiſtenz gekommen,‟
ſeinen pſychologiſchen Grund haben muß, der vor der
Wirkung vorhergehet, und alſo im Verſtande ein ſub-
jektiviſcher Grund a priori iſt, ſo muß auch jedes ſol-
ches Objekt außer dem Verſtande ſeinen objektiviſchen
Grund
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 506. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/566>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.