Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

Bild:
<< vorherige Seite

der allgem. Vernunftwahrheiten, etc.
"wird, die von jener getrennet seyn könnte, und also
"weiter keine Beziehung auf die Jdeen des Urtheils noch
"auf die Thätigkeit der Denkkraft hat, als daß sie mit
"ihr verbunden ist." Jch sehe das Buch auf dem
Tisch, und denke beide in solcher Verbindung; aber dieß
war keine Aeußerung des Beziehungsvermögens, welches
durch die innere Natur des Vermögens und durch die
Jdee von dem Buch und von dem Tisch bestimmet ward.
Sie erfoderte außer diesen noch einen Umstand in der Em-
pfindung, der von jenen Jdeen getrennet seyn konnte.

Das Gesetz der objektivischen Zufälligkeit lautet
so: "Jedes Verhältniß, das seinen bestimmenden Grund
"anderswo hat, als in den Vorstellungen und Jdeen
"von den Gegenständen, und in der Natur der Denk-
"kraft, die solche Jdeen auf einander beziehet, wird als
"ein zufälliges Verhältniß angesehen.

Es giebt nur Eine Gattung subjektivisch noth-
wendiger
Urtheile, die nicht zugleich objektivisch
nothwendige
Wahrheiten sind; aber sie ist auch von
einem weiten Umfang. Dieß sind diejenigen, wobey
der Grund des Beyfalls in einem von dem Aktus des
Denkens unzertrennlichen Umstande
lieget, in ei-
nem Gefühl nämlich, das diesen Aktus begleitet. Da-
hin gehören die Kenntnisse des unmittelbaren Be-
wußtseyns.
Jch bin. Diesen Gedanken muß ich so
denken, nicht darum, weil ich das Prädikat vom Nicht-
seyn nicht sollte mit der Jdee von meinem Jch verbinden
können, sondern darum, weil ich es mit dem Gefühl
von meinem Jch nicht verbinden kann; und weil ich die
Vorstellung von meinem Jch niemals ohne das beglei-
tende Selbstgefühl in mir habe. Und gleichermaßen
verhält es sich mit unsern übrigen unmittelbaren Er-
fahrungen.

Achter
N n 5

der allgem. Vernunftwahrheiten, ⁊c.
„wird, die von jener getrennet ſeyn koͤnnte, und alſo
„weiter keine Beziehung auf die Jdeen des Urtheils noch
„auf die Thaͤtigkeit der Denkkraft hat, als daß ſie mit
„ihr verbunden iſt.‟ Jch ſehe das Buch auf dem
Tiſch, und denke beide in ſolcher Verbindung; aber dieß
war keine Aeußerung des Beziehungsvermoͤgens, welches
durch die innere Natur des Vermoͤgens und durch die
Jdee von dem Buch und von dem Tiſch beſtimmet ward.
Sie erfoderte außer dieſen noch einen Umſtand in der Em-
pfindung, der von jenen Jdeen getrennet ſeyn konnte.

Das Geſetz der objektiviſchen Zufaͤlligkeit lautet
ſo: „Jedes Verhaͤltniß, das ſeinen beſtimmenden Grund
„anderswo hat, als in den Vorſtellungen und Jdeen
„von den Gegenſtaͤnden, und in der Natur der Denk-
„kraft, die ſolche Jdeen auf einander beziehet, wird als
„ein zufaͤlliges Verhaͤltniß angeſehen.

Es giebt nur Eine Gattung ſubjektiviſch noth-
wendiger
Urtheile, die nicht zugleich objektiviſch
nothwendige
Wahrheiten ſind; aber ſie iſt auch von
einem weiten Umfang. Dieß ſind diejenigen, wobey
der Grund des Beyfalls in einem von dem Aktus des
Denkens unzertrennlichen Umſtande
lieget, in ei-
nem Gefuͤhl naͤmlich, das dieſen Aktus begleitet. Da-
hin gehoͤren die Kenntniſſe des unmittelbaren Be-
wußtſeyns.
Jch bin. Dieſen Gedanken muß ich ſo
denken, nicht darum, weil ich das Praͤdikat vom Nicht-
ſeyn nicht ſollte mit der Jdee von meinem Jch verbinden
koͤnnen, ſondern darum, weil ich es mit dem Gefuͤhl
von meinem Jch nicht verbinden kann; und weil ich die
Vorſtellung von meinem Jch niemals ohne das beglei-
tende Selbſtgefuͤhl in mir habe. Und gleichermaßen
verhaͤlt es ſich mit unſern uͤbrigen unmittelbaren Er-
fahrungen.

Achter
N n 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0629" n="569"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der allgem. Vernunftwahrheiten, &#x204A;c.</hi></fw><lb/>
&#x201E;wird, die von jener getrennet &#x017F;eyn ko&#x0364;nnte, und al&#x017F;o<lb/>
&#x201E;weiter keine Beziehung auf die Jdeen des Urtheils noch<lb/>
&#x201E;auf die Tha&#x0364;tigkeit der Denkkraft hat, als daß &#x017F;ie mit<lb/>
&#x201E;ihr verbunden i&#x017F;t.&#x201F; Jch &#x017F;ehe das Buch auf dem<lb/>
Ti&#x017F;ch, und denke beide in &#x017F;olcher Verbindung; aber dieß<lb/>
war keine Aeußerung des Beziehungsvermo&#x0364;gens, welches<lb/>
durch die innere Natur des Vermo&#x0364;gens und durch die<lb/>
Jdee von dem Buch und von dem Ti&#x017F;ch be&#x017F;timmet ward.<lb/>
Sie erfoderte außer die&#x017F;en noch einen Um&#x017F;tand in der Em-<lb/>
pfindung, der von jenen Jdeen getrennet &#x017F;eyn konnte.</p><lb/>
            <p>Das Ge&#x017F;etz der <hi rendition="#fr">objektivi&#x017F;chen Zufa&#x0364;lligkeit</hi> lautet<lb/>
&#x017F;o: &#x201E;Jedes Verha&#x0364;ltniß, das &#x017F;einen be&#x017F;timmenden Grund<lb/>
&#x201E;anderswo hat, als in den <hi rendition="#fr">Vor&#x017F;tellungen</hi> und <hi rendition="#fr">Jdeen</hi><lb/>
&#x201E;von den Gegen&#x017F;ta&#x0364;nden, und in der Natur der Denk-<lb/>
&#x201E;kraft, die &#x017F;olche Jdeen auf einander beziehet, wird als<lb/>
&#x201E;ein <hi rendition="#fr">zufa&#x0364;lliges</hi> Verha&#x0364;ltniß ange&#x017F;ehen.</p><lb/>
            <p>Es giebt nur <hi rendition="#fr">Eine Gattung &#x017F;ubjektivi&#x017F;ch noth-<lb/>
wendiger</hi> Urtheile, die nicht zugleich <hi rendition="#fr">objektivi&#x017F;ch<lb/>
nothwendige</hi> Wahrheiten &#x017F;ind; aber &#x017F;ie i&#x017F;t auch von<lb/>
einem weiten Umfang. Dieß &#x017F;ind diejenigen, wobey<lb/>
der Grund des Beyfalls in einem <hi rendition="#fr">von dem Aktus des<lb/>
Denkens unzertrennlichen Um&#x017F;tande</hi> lieget, in ei-<lb/>
nem Gefu&#x0364;hl na&#x0364;mlich, das die&#x017F;en Aktus begleitet. Da-<lb/>
hin geho&#x0364;ren die Kenntni&#x017F;&#x017F;e des <hi rendition="#fr">unmittelbaren Be-<lb/>
wußt&#x017F;eyns.</hi> Jch bin. Die&#x017F;en Gedanken muß ich &#x017F;o<lb/>
denken, nicht darum, weil ich das Pra&#x0364;dikat vom Nicht-<lb/>
&#x017F;eyn nicht &#x017F;ollte mit der Jdee von meinem Jch verbinden<lb/>
ko&#x0364;nnen, &#x017F;ondern darum, weil ich es mit dem <hi rendition="#fr">Gefu&#x0364;hl</hi><lb/>
von meinem Jch nicht verbinden kann; und weil ich die<lb/>
Vor&#x017F;tellung von meinem Jch niemals ohne das beglei-<lb/>
tende Selb&#x017F;tgefu&#x0364;hl in mir habe. Und gleichermaßen<lb/>
verha&#x0364;lt es &#x017F;ich mit <hi rendition="#fr">un&#x017F;ern</hi> u&#x0364;brigen unmittelbaren <hi rendition="#fr">Er-<lb/>
fahrungen.</hi></p>
          </div>
        </div>
      </div><lb/>
      <fw place="bottom" type="sig">N n 5</fw>
      <fw place="bottom" type="catch">Achter</fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[569/0629] der allgem. Vernunftwahrheiten, ⁊c. „wird, die von jener getrennet ſeyn koͤnnte, und alſo „weiter keine Beziehung auf die Jdeen des Urtheils noch „auf die Thaͤtigkeit der Denkkraft hat, als daß ſie mit „ihr verbunden iſt.‟ Jch ſehe das Buch auf dem Tiſch, und denke beide in ſolcher Verbindung; aber dieß war keine Aeußerung des Beziehungsvermoͤgens, welches durch die innere Natur des Vermoͤgens und durch die Jdee von dem Buch und von dem Tiſch beſtimmet ward. Sie erfoderte außer dieſen noch einen Umſtand in der Em- pfindung, der von jenen Jdeen getrennet ſeyn konnte. Das Geſetz der objektiviſchen Zufaͤlligkeit lautet ſo: „Jedes Verhaͤltniß, das ſeinen beſtimmenden Grund „anderswo hat, als in den Vorſtellungen und Jdeen „von den Gegenſtaͤnden, und in der Natur der Denk- „kraft, die ſolche Jdeen auf einander beziehet, wird als „ein zufaͤlliges Verhaͤltniß angeſehen. Es giebt nur Eine Gattung ſubjektiviſch noth- wendiger Urtheile, die nicht zugleich objektiviſch nothwendige Wahrheiten ſind; aber ſie iſt auch von einem weiten Umfang. Dieß ſind diejenigen, wobey der Grund des Beyfalls in einem von dem Aktus des Denkens unzertrennlichen Umſtande lieget, in ei- nem Gefuͤhl naͤmlich, das dieſen Aktus begleitet. Da- hin gehoͤren die Kenntniſſe des unmittelbaren Be- wußtſeyns. Jch bin. Dieſen Gedanken muß ich ſo denken, nicht darum, weil ich das Praͤdikat vom Nicht- ſeyn nicht ſollte mit der Jdee von meinem Jch verbinden koͤnnen, ſondern darum, weil ich es mit dem Gefuͤhl von meinem Jch nicht verbinden kann; und weil ich die Vorſtellung von meinem Jch niemals ohne das beglei- tende Selbſtgefuͤhl in mir habe. Und gleichermaßen verhaͤlt es ſich mit unſern uͤbrigen unmittelbaren Er- fahrungen. Achter N n 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/629
Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 569. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/629>, abgerufen am 22.12.2024.