stanzen, welche blos fühlen, und welche sich zum Den- ken entwickeln, mit einander so nahe verwandt, daß sie denselbigen absoluten Grundstof zu haben scheinen, und nur an Stufen und Graden verschieden sind. Aus der Notion eines fühlenden Wesen wird der Begrif eines Vorstellenden und eines Denkenden durch eine Bestim- mung der Quantitäten. Das fühlende Wesen mit ei- ner größern Selbstthätigkeit ist ein vorstellendes und denkendes Wesen. Und umgekehrt. Ein denkendes Wesen bis auf einen gewissen Grad an seiner Selbstthä- tigkeit, als an einer absoluten Realität heruntergesetzt, ist ein blos fühlendes Wesen. Das Vermögen zu Füh- len ist also das Vermögen zum Vorstellen und zum Denken.
Bis dahin sind wir. Nehmet der denkenden Kraft etwas von ihrer Selbstthätigkeit, vermindert ihre abso- luten Kräfte, setzet ihre Realitäten herunter; so wird sich das Denken verlieren, und die Kraft dazu in seinen Keim, in die bloße Anlage, denkend zu werden, zurück- gehen. Man fahre fort, sie weiter herunter zu setzen, so wird ihre Vorstellungskraft sich ebenfalls einwickeln, und die Seele ist bis zu einem blos fühlenden Wesen er- niedriget.
Nun aber werde sie noch weiter eingewickelt, noch weiter heruntergesetzt und verkleinert, bis zu ihrer un- veränderlichen Naturkraft zurück, so weit auch diese zu- rückliegen mag. Auf welche Stufe in der Wesenleiter wird sie alsdenn kommen? Was geschicht mit ihr? Jhr Gefühl wird geschwächet, heruntergesetzt, verdun- kelt; aber ist und bleibet es doch nicht Gefühlskraft? Muß sie nicht, so lange sie noch Naturkraft besitzet, und wirket, auf dieselbige Art wirken, als sie es da thut, wo wir ihre Aeußerung ein Fühlen nennen? Jst ihre Naturkraft nicht also immer noch eine fühlende Kraft? Gefühl?
Unver-
XI. Verſuch. Ueber die Grundkraft
ſtanzen, welche blos fuͤhlen, und welche ſich zum Den- ken entwickeln, mit einander ſo nahe verwandt, daß ſie denſelbigen abſoluten Grundſtof zu haben ſcheinen, und nur an Stufen und Graden verſchieden ſind. Aus der Notion eines fuͤhlenden Weſen wird der Begrif eines Vorſtellenden und eines Denkenden durch eine Beſtim- mung der Quantitaͤten. Das fuͤhlende Weſen mit ei- ner groͤßern Selbſtthaͤtigkeit iſt ein vorſtellendes und denkendes Weſen. Und umgekehrt. Ein denkendes Weſen bis auf einen gewiſſen Grad an ſeiner Selbſtthaͤ- tigkeit, als an einer abſoluten Realitaͤt heruntergeſetzt, iſt ein blos fuͤhlendes Weſen. Das Vermoͤgen zu Fuͤh- len iſt alſo das Vermoͤgen zum Vorſtellen und zum Denken.
Bis dahin ſind wir. Nehmet der denkenden Kraft etwas von ihrer Selbſtthaͤtigkeit, vermindert ihre abſo- luten Kraͤfte, ſetzet ihre Realitaͤten herunter; ſo wird ſich das Denken verlieren, und die Kraft dazu in ſeinen Keim, in die bloße Anlage, denkend zu werden, zuruͤck- gehen. Man fahre fort, ſie weiter herunter zu ſetzen, ſo wird ihre Vorſtellungskraft ſich ebenfalls einwickeln, und die Seele iſt bis zu einem blos fuͤhlenden Weſen er- niedriget.
Nun aber werde ſie noch weiter eingewickelt, noch weiter heruntergeſetzt und verkleinert, bis zu ihrer un- veraͤnderlichen Naturkraft zuruͤck, ſo weit auch dieſe zu- ruͤckliegen mag. Auf welche Stufe in der Weſenleiter wird ſie alsdenn kommen? Was geſchicht mit ihr? Jhr Gefuͤhl wird geſchwaͤchet, heruntergeſetzt, verdun- kelt; aber iſt und bleibet es doch nicht Gefuͤhlskraft? Muß ſie nicht, ſo lange ſie noch Naturkraft beſitzet, und wirket, auf dieſelbige Art wirken, als ſie es da thut, wo wir ihre Aeußerung ein Fuͤhlen nennen? Jſt ihre Naturkraft nicht alſo immer noch eine fuͤhlende Kraft? Gefuͤhl?
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XI. Verſuch. Ueber die Grundkraft
ſtanzen, welche blos fuͤhlen, und welche ſich zum Den-
ken entwickeln, mit einander ſo nahe verwandt, daß ſie
denſelbigen abſoluten Grundſtof zu haben ſcheinen, und
nur an Stufen und Graden verſchieden ſind. Aus der
Notion eines fuͤhlenden Weſen wird der Begrif eines
Vorſtellenden und eines Denkenden durch eine Beſtim-
mung der Quantitaͤten. Das fuͤhlende Weſen mit ei-
ner groͤßern Selbſtthaͤtigkeit iſt ein vorſtellendes und
denkendes Weſen. Und umgekehrt. Ein denkendes
Weſen bis auf einen gewiſſen Grad an ſeiner Selbſtthaͤ-
tigkeit, als an einer abſoluten Realitaͤt heruntergeſetzt,
iſt ein blos fuͤhlendes Weſen. Das Vermoͤgen zu Fuͤh-
len iſt alſo das Vermoͤgen zum Vorſtellen und zum
Denken.
Bis dahin ſind wir. Nehmet der denkenden Kraft
etwas von ihrer Selbſtthaͤtigkeit, vermindert ihre abſo-
luten Kraͤfte, ſetzet ihre Realitaͤten herunter; ſo wird
ſich das Denken verlieren, und die Kraft dazu in ſeinen
Keim, in die bloße Anlage, denkend zu werden, zuruͤck-
gehen. Man fahre fort, ſie weiter herunter zu ſetzen,
ſo wird ihre Vorſtellungskraft ſich ebenfalls einwickeln,
und die Seele iſt bis zu einem blos fuͤhlenden Weſen er-
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Nun aber werde ſie noch weiter eingewickelt, noch
weiter heruntergeſetzt und verkleinert, bis zu ihrer un-
veraͤnderlichen Naturkraft zuruͤck, ſo weit auch dieſe zu-
ruͤckliegen mag. Auf welche Stufe in der Weſenleiter
wird ſie alsdenn kommen? Was geſchicht mit ihr?
Jhr Gefuͤhl wird geſchwaͤchet, heruntergeſetzt, verdun-
kelt; aber iſt und bleibet es doch nicht Gefuͤhlskraft?
Muß ſie nicht, ſo lange ſie noch Naturkraft beſitzet, und
wirket, auf dieſelbige Art wirken, als ſie es da thut,
wo wir ihre Aeußerung ein Fuͤhlen nennen? Jſt ihre
Naturkraft nicht alſo immer noch eine fuͤhlende Kraft?
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 736. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/796>, abgerufen am 22.12.2024.
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