sich selbst durch seine innere Selbstmacht verhindern, und seine Allmacht, so zu sagen, auf halten kann.
4.
Von dieser allgemeinen Zufälligkeit der wirkenden Verknüpfungen in der Welt ist die innerliche Zufällig- keit noch sehr unterschieden, welche alsdenn Statt fin- det, wenn die thätige Ursache mit Freyheit wirket. Wenn der Wind die Wolken treibet, der Blitz einschlä- get, und das Wasser Dämme fortreißet, so ist es zwar möglich, daß diese Wirkungen auch unter den nämli- chen Umständen hätten verhindert werden können; aber aus welchem Grunde, und welch eine Ursache hätte dieß Hinderniß verschaffen müssen? Die Verursachung der Wirkungen war zufällig, weil die wirkenden Ursachen entweder für sich zufällig sind, und, ob sie gleich da wa- ren, noch vorher, noch ehe sie ihren Effekt hatten, auf- gehaben werden konnten, oder weil ihre Thätigkeit überwindlich und widerstehlich war. Allein wenn ein wirkliches Hinderniß hätte erfolgen sollen, so würde eine äußere Ursache erfordert worden seyn, die sich zu ihnen gesellen, und sich in ihre Thätigkeit einmischen konnte. Die Zufälligkeit der Verknüpfung selbst ist zwar, von Einer Seite betrachtet, eine innere, und hat ihren Grund in der Beschaffenheit der Natur der wirkenden Kräfte. Denn die hindernde Ursache mag wirklich da- zwischen kommen oder nicht, so ist doch die Wirkung mit der angenommenen Ursache in einer solchen Ver- knüpfung, die fehlen, geändert und aufgehoben werden konnte. Allein es enthält doch diese Zufälligkeit zu- gleich eine Hinsicht auf eine äußere Ursache, welche aus- ser derjenigen, die hier wirket, und außer den Umstän- den, unter denen sie wirket, das ist, außer dem indi- viduellen zureichenden Grunde, vorhanden seyn soll. Wie wir eine Sache für eine solche ansehen, die hervor- gebracht werden kann, so muß nicht nur ihre Entste-
hung
und Freyheit.
ſich ſelbſt durch ſeine innere Selbſtmacht verhindern, und ſeine Allmacht, ſo zu ſagen, auf halten kann.
4.
Von dieſer allgemeinen Zufaͤlligkeit der wirkenden Verknuͤpfungen in der Welt iſt die innerliche Zufaͤllig- keit noch ſehr unterſchieden, welche alsdenn Statt fin- det, wenn die thaͤtige Urſache mit Freyheit wirket. Wenn der Wind die Wolken treibet, der Blitz einſchlaͤ- get, und das Waſſer Daͤmme fortreißet, ſo iſt es zwar moͤglich, daß dieſe Wirkungen auch unter den naͤmli- chen Umſtaͤnden haͤtten verhindert werden koͤnnen; aber aus welchem Grunde, und welch eine Urſache haͤtte dieß Hinderniß verſchaffen muͤſſen? Die Verurſachung der Wirkungen war zufaͤllig, weil die wirkenden Urſachen entweder fuͤr ſich zufaͤllig ſind, und, ob ſie gleich da wa- ren, noch vorher, noch ehe ſie ihren Effekt hatten, auf- gehaben werden konnten, oder weil ihre Thaͤtigkeit uͤberwindlich und widerſtehlich war. Allein wenn ein wirkliches Hinderniß haͤtte erfolgen ſollen, ſo wuͤrde eine aͤußere Urſache erfordert worden ſeyn, die ſich zu ihnen geſellen, und ſich in ihre Thaͤtigkeit einmiſchen konnte. Die Zufaͤlligkeit der Verknuͤpfung ſelbſt iſt zwar, von Einer Seite betrachtet, eine innere, und hat ihren Grund in der Beſchaffenheit der Natur der wirkenden Kraͤfte. Denn die hindernde Urſache mag wirklich da- zwiſchen kommen oder nicht, ſo iſt doch die Wirkung mit der angenommenen Urſache in einer ſolchen Ver- knuͤpfung, die fehlen, geaͤndert und aufgehoben werden konnte. Allein es enthaͤlt doch dieſe Zufaͤlligkeit zu- gleich eine Hinſicht auf eine aͤußere Urſache, welche auſ- ſer derjenigen, die hier wirket, und außer den Umſtaͤn- den, unter denen ſie wirket, das iſt, außer dem indi- viduellen zureichenden Grunde, vorhanden ſeyn ſoll. Wie wir eine Sache fuͤr eine ſolche anſehen, die hervor- gebracht werden kann, ſo muß nicht nur ihre Entſte-
hung
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0171"n="141"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">und Freyheit.</hi></fw><lb/>ſich ſelbſt durch ſeine innere Selbſtmacht verhindern,<lb/>
und ſeine Allmacht, ſo zu ſagen, auf halten kann.</p></div><lb/><divn="3"><head>4.</head><lb/><p>Von dieſer allgemeinen Zufaͤlligkeit der wirkenden<lb/>
Verknuͤpfungen in der Welt iſt die innerliche Zufaͤllig-<lb/>
keit noch ſehr unterſchieden, welche alsdenn Statt fin-<lb/>
det, wenn die thaͤtige Urſache mit <hirendition="#fr">Freyheit</hi> wirket.<lb/>
Wenn der Wind die Wolken treibet, der Blitz einſchlaͤ-<lb/>
get, und das Waſſer Daͤmme fortreißet, ſo iſt es zwar<lb/>
moͤglich, daß dieſe Wirkungen auch unter den naͤmli-<lb/>
chen Umſtaͤnden haͤtten verhindert werden koͤnnen; aber<lb/>
aus welchem Grunde, und welch eine Urſache haͤtte dieß<lb/>
Hinderniß verſchaffen muͤſſen? Die Verurſachung der<lb/>
Wirkungen war zufaͤllig, weil die wirkenden Urſachen<lb/>
entweder fuͤr ſich zufaͤllig ſind, und, ob ſie gleich da wa-<lb/>
ren, noch vorher, noch ehe ſie ihren Effekt hatten, auf-<lb/>
gehaben werden konnten, oder weil ihre Thaͤtigkeit<lb/>
uͤberwindlich und widerſtehlich war. Allein wenn ein<lb/>
wirkliches Hinderniß haͤtte erfolgen ſollen, ſo wuͤrde eine<lb/><hirendition="#fr">aͤußere</hi> Urſache erfordert worden ſeyn, die ſich zu ihnen<lb/>
geſellen, und ſich in ihre Thaͤtigkeit einmiſchen konnte.<lb/>
Die Zufaͤlligkeit der Verknuͤpfung ſelbſt iſt zwar, von<lb/>
Einer Seite betrachtet, eine <hirendition="#fr">innere,</hi> und hat ihren<lb/>
Grund in der Beſchaffenheit der Natur der wirkenden<lb/>
Kraͤfte. Denn die hindernde Urſache mag wirklich da-<lb/>
zwiſchen kommen oder nicht, ſo iſt doch die Wirkung<lb/>
mit der angenommenen Urſache in einer ſolchen Ver-<lb/>
knuͤpfung, die fehlen, geaͤndert und aufgehoben werden<lb/>
konnte. Allein es enthaͤlt doch dieſe Zufaͤlligkeit zu-<lb/>
gleich eine Hinſicht auf eine <hirendition="#fr">aͤußere</hi> Urſache, welche auſ-<lb/>ſer derjenigen, die hier wirket, und außer den Umſtaͤn-<lb/>
den, unter denen ſie wirket, das iſt, <hirendition="#fr">außer</hi> dem indi-<lb/>
viduellen zureichenden Grunde, vorhanden ſeyn ſoll.<lb/>
Wie wir eine Sache fuͤr eine ſolche anſehen, die hervor-<lb/>
gebracht werden <hirendition="#fr">kann,</hi>ſo muß nicht nur ihre Entſte-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">hung</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[141/0171]
und Freyheit.
ſich ſelbſt durch ſeine innere Selbſtmacht verhindern,
und ſeine Allmacht, ſo zu ſagen, auf halten kann.
4.
Von dieſer allgemeinen Zufaͤlligkeit der wirkenden
Verknuͤpfungen in der Welt iſt die innerliche Zufaͤllig-
keit noch ſehr unterſchieden, welche alsdenn Statt fin-
det, wenn die thaͤtige Urſache mit Freyheit wirket.
Wenn der Wind die Wolken treibet, der Blitz einſchlaͤ-
get, und das Waſſer Daͤmme fortreißet, ſo iſt es zwar
moͤglich, daß dieſe Wirkungen auch unter den naͤmli-
chen Umſtaͤnden haͤtten verhindert werden koͤnnen; aber
aus welchem Grunde, und welch eine Urſache haͤtte dieß
Hinderniß verſchaffen muͤſſen? Die Verurſachung der
Wirkungen war zufaͤllig, weil die wirkenden Urſachen
entweder fuͤr ſich zufaͤllig ſind, und, ob ſie gleich da wa-
ren, noch vorher, noch ehe ſie ihren Effekt hatten, auf-
gehaben werden konnten, oder weil ihre Thaͤtigkeit
uͤberwindlich und widerſtehlich war. Allein wenn ein
wirkliches Hinderniß haͤtte erfolgen ſollen, ſo wuͤrde eine
aͤußere Urſache erfordert worden ſeyn, die ſich zu ihnen
geſellen, und ſich in ihre Thaͤtigkeit einmiſchen konnte.
Die Zufaͤlligkeit der Verknuͤpfung ſelbſt iſt zwar, von
Einer Seite betrachtet, eine innere, und hat ihren
Grund in der Beſchaffenheit der Natur der wirkenden
Kraͤfte. Denn die hindernde Urſache mag wirklich da-
zwiſchen kommen oder nicht, ſo iſt doch die Wirkung
mit der angenommenen Urſache in einer ſolchen Ver-
knuͤpfung, die fehlen, geaͤndert und aufgehoben werden
konnte. Allein es enthaͤlt doch dieſe Zufaͤlligkeit zu-
gleich eine Hinſicht auf eine aͤußere Urſache, welche auſ-
ſer derjenigen, die hier wirket, und außer den Umſtaͤn-
den, unter denen ſie wirket, das iſt, außer dem indi-
viduellen zureichenden Grunde, vorhanden ſeyn ſoll.
Wie wir eine Sache fuͤr eine ſolche anſehen, die hervor-
gebracht werden kann, ſo muß nicht nur ihre Entſte-
hung
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/171>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.