unter einander vergleichen, auflösen und die einfachen Grundkräfte dazu aufsuchen, so sind wir in einem et- was bekanntern Welttheile. Hier giebt es Erfahrun- gen, die uns leiten und zurechtweisen.
Aber wenn wir nun weiter fragen: was ist dieß für ein Wesen, diese Seele, dieses Subjekt der Vor- stellungen, dieses thätige, Empfindungen und Vorstel- lungen bearbeitende Wesen? Vorausgesetzt, daß es ein eigenes besonderes Wesen in uns giebt, welches un- ser Jch ausmacht, und nun im psychologischen Ver- stande die Seele genannt wird. Sind denn die Vor- stellungen in dieser Seele Beschaffenheiten ihrer Sub- stanz, oder haben sie nur ihren Sitz in dem Gehirn, in einem körperlichen sensorio communi, in dem Theile unsers organisirten Körpers, der die innern Werkzeuge der Seele und den körperlichen Theil des Seelenwesens im Menschen ausmachet? Wie etwa der Ton, den ein Jnstrument angiebt, nicht in den Fingern des Spie- lers ist, ob diese ihn gleich hervorbringen?
-- Diese Frage setze ich hier an der Spitze der übrigen; denn es wird sich bald zeigen, daß hier die Stelle sey, wo die Betrachtung hinläuft, und wo sie ihr Ende findet. --
Wenn wir dieß und mehreres fragen, was hieher gehört, sind wir denn auch noch in einer Gegend, wo uns die Erfahrung leitet? Es giebt allerdings einige Beobachtungen, die uns einigermaßen zurechtweisen; aber es sind ihrer so wenige, daß man sie nur wie eini- ge Jnseln ansehen kann, die hie und da auf einem großen Ocean zerstreuet, und in weiten Entfernungen stehen; und davon überdieß einige, die auf den Charten der neuern Philosophen gesetzet sind, wirklich nicht ein wahres Land, sondern nur Nebelbänke gewesen sind; Phantasien, nicht Beobachtungen.
II. Unsere
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im Menſchen.
unter einander vergleichen, aufloͤſen und die einfachen Grundkraͤfte dazu aufſuchen, ſo ſind wir in einem et- was bekanntern Welttheile. Hier giebt es Erfahrun- gen, die uns leiten und zurechtweiſen.
Aber wenn wir nun weiter fragen: was iſt dieß fuͤr ein Weſen, dieſe Seele, dieſes Subjekt der Vor- ſtellungen, dieſes thaͤtige, Empfindungen und Vorſtel- lungen bearbeitende Weſen? Vorausgeſetzt, daß es ein eigenes beſonderes Weſen in uns giebt, welches un- ſer Jch ausmacht, und nun im pſychologiſchen Ver- ſtande die Seele genannt wird. Sind denn die Vor- ſtellungen in dieſer Seele Beſchaffenheiten ihrer Sub- ſtanz, oder haben ſie nur ihren Sitz in dem Gehirn, in einem koͤrperlichen ſenſorio communi, in dem Theile unſers organiſirten Koͤrpers, der die innern Werkzeuge der Seele und den koͤrperlichen Theil des Seelenweſens im Menſchen ausmachet? Wie etwa der Ton, den ein Jnſtrument angiebt, nicht in den Fingern des Spie- lers iſt, ob dieſe ihn gleich hervorbringen?
— Dieſe Frage ſetze ich hier an der Spitze der uͤbrigen; denn es wird ſich bald zeigen, daß hier die Stelle ſey, wo die Betrachtung hinlaͤuft, und wo ſie ihr Ende findet. —
Wenn wir dieß und mehreres fragen, was hieher gehoͤrt, ſind wir denn auch noch in einer Gegend, wo uns die Erfahrung leitet? Es giebt allerdings einige Beobachtungen, die uns einigermaßen zurechtweiſen; aber es ſind ihrer ſo wenige, daß man ſie nur wie eini- ge Jnſeln anſehen kann, die hie und da auf einem großen Ocean zerſtreuet, und in weiten Entfernungen ſtehen; und davon uͤberdieß einige, die auf den Charten der neuern Philoſophen geſetzet ſind, wirklich nicht ein wahres Land, ſondern nur Nebelbaͤnke geweſen ſind; Phantaſien, nicht Beobachtungen.
II. Unſere
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unter einander vergleichen, aufloͤſen und die einfachen
Grundkraͤfte dazu aufſuchen, ſo ſind wir in einem et-
was bekanntern Welttheile. Hier giebt es Erfahrun-
gen, die uns leiten und zurechtweiſen.
Aber wenn wir nun weiter fragen: was iſt dieß
fuͤr ein Weſen, dieſe Seele, dieſes Subjekt der Vor-
ſtellungen, dieſes thaͤtige, Empfindungen und Vorſtel-
lungen bearbeitende Weſen? Vorausgeſetzt, daß es
ein eigenes beſonderes Weſen in uns giebt, welches un-
ſer Jch ausmacht, und nun im pſychologiſchen Ver-
ſtande die Seele genannt wird. Sind denn die Vor-
ſtellungen in dieſer Seele Beſchaffenheiten ihrer Sub-
ſtanz, oder haben ſie nur ihren Sitz in dem Gehirn,
in einem koͤrperlichen ſenſorio communi, in dem Theile
unſers organiſirten Koͤrpers, der die innern Werkzeuge
der Seele und den koͤrperlichen Theil des Seelenweſens
im Menſchen ausmachet? Wie etwa der Ton, den
ein Jnſtrument angiebt, nicht in den Fingern des Spie-
lers iſt, ob dieſe ihn gleich hervorbringen?
— Dieſe Frage ſetze ich hier an der Spitze der
uͤbrigen; denn es wird ſich bald zeigen, daß hier die
Stelle ſey, wo die Betrachtung hinlaͤuft, und wo ſie
ihr Ende findet. —
Wenn wir dieß und mehreres fragen, was hieher
gehoͤrt, ſind wir denn auch noch in einer Gegend, wo
uns die Erfahrung leitet? Es giebt allerdings einige
Beobachtungen, die uns einigermaßen zurechtweiſen;
aber es ſind ihrer ſo wenige, daß man ſie nur wie eini-
ge Jnſeln anſehen kann, die hie und da auf einem großen
Ocean zerſtreuet, und in weiten Entfernungen ſtehen;
und davon uͤberdieß einige, die auf den Charten der neuern
Philoſophen geſetzet ſind, wirklich nicht ein wahres Land,
ſondern nur Nebelbaͤnke geweſen ſind; Phantaſien, nicht
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/181>, abgerufen am 25.11.2024.
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