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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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im Menschen.

Aber es ist eine Hauptsache, daß man zum Vor-
aus sich wohl bedenke, was man hier eigentlich unter
der Jdee eines immateriellen Wesens sich vorzustel-
len habe, dergleichen die Seele seyn soll. Hr. Priest-
ley
scheint sich daran zu stoßen, daß Seele und Körper
so schlechterdings ungleichartige Wesen seyn sollen, da-
von das Eine Beschaffenheiten besitze, die den Be-
schaffenheiten des andern gerade entgegengesetzt sind,
und hält es darum für unwahrscheinlich, daß der
Mensch aus so heterogenen Theilen bestehe. Nun ist
es zwar wahr, daß immateriell und materiell nach
dem Sinn der Jmmaterialisten als solche einander
entgegengestellet werden; aber wenn Hr. Priestley
Leibnitzen
und Wolfen studieret hätte, so würde er
gefunden haben, daß, nach der Meinung mancher Phi-
losophen, jene Heterogeneität nur so weit gehe, als die
Verschiedenheit zwischen Einem Dinge und zwischen
einem Haufen von mehrern, die mit einander
vereinigt sind.
Die Seele ist nur Ein für sich be-
stehendes Ding,
Eine Kraft; der Körper ist ein aus
mehrern Einheiten bestehendes Ganzes, dessen Theile
mit einander dem Ort nach vereiniget sind; und Ma-
terie
ist das Aggregat, oder die Menge solcher einfachen
Substanzen, wenn man ihre bestimmte Vereinigung zu

Einem
übrigen, der Charakter ihrer immateriellen Natur
durchscheinen werde. Aber um dieß deutlich zu sehen,
würde wol ein mehr entwickelter Begriff von der Spon-
taneität erfodert werden, als Herr Hennings vorausse-
tzet, der auf den Jndeterminismus bauet. Und dann,
deucht mich, sey dieser Beweisgrund es am wenigsten,
der uns den kürzesten Weg führe. Evidenz ist zum
mindesten der Vorzug der Henningschen Demonstration
nicht, die mehr als ein Glied hat, bey dem ich die Ver-
bindung nicht begreife; ob es an mir liege, oder an der
Sache, mag hier, da ich nicht kritisiren will, dahin
gestellet bleiben.
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im Menſchen.

Aber es iſt eine Hauptſache, daß man zum Vor-
aus ſich wohl bedenke, was man hier eigentlich unter
der Jdee eines immateriellen Weſens ſich vorzuſtel-
len habe, dergleichen die Seele ſeyn ſoll. Hr. Prieſt-
ley
ſcheint ſich daran zu ſtoßen, daß Seele und Koͤrper
ſo ſchlechterdings ungleichartige Weſen ſeyn ſollen, da-
von das Eine Beſchaffenheiten beſitze, die den Be-
ſchaffenheiten des andern gerade entgegengeſetzt ſind,
und haͤlt es darum fuͤr unwahrſcheinlich, daß der
Menſch aus ſo heterogenen Theilen beſtehe. Nun iſt
es zwar wahr, daß immateriell und materiell nach
dem Sinn der Jmmaterialiſten als ſolche einander
entgegengeſtellet werden; aber wenn Hr. Prieſtley
Leibnitzen
und Wolfen ſtudieret haͤtte, ſo wuͤrde er
gefunden haben, daß, nach der Meinung mancher Phi-
loſophen, jene Heterogeneitaͤt nur ſo weit gehe, als die
Verſchiedenheit zwiſchen Einem Dinge und zwiſchen
einem Haufen von mehrern, die mit einander
vereinigt ſind.
Die Seele iſt nur Ein fuͤr ſich be-
ſtehendes Ding,
Eine Kraft; der Koͤrper iſt ein aus
mehrern Einheiten beſtehendes Ganzes, deſſen Theile
mit einander dem Ort nach vereiniget ſind; und Ma-
terie
iſt das Aggregat, oder die Menge ſolcher einfachen
Subſtanzen, wenn man ihre beſtimmte Vereinigung zu

Einem
uͤbrigen, der Charakter ihrer immateriellen Natur
durchſcheinen werde. Aber um dieß deutlich zu ſehen,
wuͤrde wol ein mehr entwickelter Begriff von der Spon-
taneitaͤt erfodert werden, als Herr Hennings vorausſe-
tzet, der auf den Jndeterminiſmus bauet. Und dann,
deucht mich, ſey dieſer Beweisgrund es am wenigſten,
der uns den kuͤrzeſten Weg fuͤhre. Evidenz iſt zum
mindeſten der Vorzug der Henningſchen Demonſtration
nicht, die mehr als ein Glied hat, bey dem ich die Ver-
bindung nicht begreife; ob es an mir liege, oder an der
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geſtellet bleiben.
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[181/0211] im Menſchen. Aber es iſt eine Hauptſache, daß man zum Vor- aus ſich wohl bedenke, was man hier eigentlich unter der Jdee eines immateriellen Weſens ſich vorzuſtel- len habe, dergleichen die Seele ſeyn ſoll. Hr. Prieſt- ley ſcheint ſich daran zu ſtoßen, daß Seele und Koͤrper ſo ſchlechterdings ungleichartige Weſen ſeyn ſollen, da- von das Eine Beſchaffenheiten beſitze, die den Be- ſchaffenheiten des andern gerade entgegengeſetzt ſind, und haͤlt es darum fuͤr unwahrſcheinlich, daß der Menſch aus ſo heterogenen Theilen beſtehe. Nun iſt es zwar wahr, daß immateriell und materiell nach dem Sinn der Jmmaterialiſten als ſolche einander entgegengeſtellet werden; aber wenn Hr. Prieſtley Leibnitzen und Wolfen ſtudieret haͤtte, ſo wuͤrde er gefunden haben, daß, nach der Meinung mancher Phi- loſophen, jene Heterogeneitaͤt nur ſo weit gehe, als die Verſchiedenheit zwiſchen Einem Dinge und zwiſchen einem Haufen von mehrern, die mit einander vereinigt ſind. Die Seele iſt nur Ein fuͤr ſich be- ſtehendes Ding, Eine Kraft; der Koͤrper iſt ein aus mehrern Einheiten beſtehendes Ganzes, deſſen Theile mit einander dem Ort nach vereiniget ſind; und Ma- terie iſt das Aggregat, oder die Menge ſolcher einfachen Subſtanzen, wenn man ihre beſtimmte Vereinigung zu Einem *) *) uͤbrigen, der Charakter ihrer immateriellen Natur durchſcheinen werde. Aber um dieß deutlich zu ſehen, wuͤrde wol ein mehr entwickelter Begriff von der Spon- taneitaͤt erfodert werden, als Herr Hennings vorausſe- tzet, der auf den Jndeterminiſmus bauet. Und dann, deucht mich, ſey dieſer Beweisgrund es am wenigſten, der uns den kuͤrzeſten Weg fuͤhre. Evidenz iſt zum mindeſten der Vorzug der Henningſchen Demonſtration nicht, die mehr als ein Glied hat, bey dem ich die Ver- bindung nicht begreife; ob es an mir liege, oder an der Sache, mag hier, da ich nicht kritiſiren will, dahin geſtellet bleiben. M 3

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/211>, abgerufen am 23.11.2024.