wir eine Jdee, die sich mit den Beobachtungen schlecht- hin nicht vereinigen läßt. Giebt es besondere Theile, die zunächst die Eindrücke bey besondern Empfindun- gen annehmen: so müssen die übrigen davon zugleich auch mit verändert, und die Veränderung muß eine Veränderung des Ganzen werden. Und dieß muß sich auf jeden einzelnen Aktus des Gesichts, des Denkens und des Wollens erstrecken, den wir als eine Aeusserung unsers Jchs gewahrnehmen. Denn in dem entgegen- gesetzten Fall ist es unmöglich, daß es ebendasselbige Ding seyn könne, welches die einen und auch die übri- gen Wirkungen hervorbringet. Jn der Uhr ist es die Feder, welche treibet, und der Zeiger, der auf dem Zif- ferblatte herumgehet; aber so gewiß es ist, daß jedes dieser Stücke der Maschine sein eigenes Geschäffte habe, welches nicht das Geschäffte des andern ist, so gewiß falsch ist es auch, daß ebendasselbige Wesen, welches das Uhrwerk treibet, auch dasjenige sey, welches un- mittelbar die Stunden anzeiget. Nur ein Wortspiel würde es seyn, wenn Jemand darauf bestehen wollte, daß doch gleichwol der ganzen Uhr, beides, die Ver- richtung der Feder und des Zeigers, zugeschrieben wer- den könne. Wo wir so gewiß versichert sind, daß meh- rere Wirkungen Einer und derselbigen Kraft zugehören, als wir es bey den Wirkungen unsers Jchs sind, da können solche zwischen mehrern Dingen, die nur neben einander sind, nicht vertheilt gedacht werden. Diese Dinge müssen zum mindesten so mit einander vereini- get seyn, daß Jedes-Jedem das Seinige mittheile, und daß Jedes an den Veränderungen eines Jeden so viel Antheil nehme, als diese Veränderungen in Einem und demselbigen Dinge sind.
Es folget ferner, daß unser Jch ein Wesen sey, welches von allem dem, was wir unter der Jdee vom körperlichen Organ der Seele uns vorstellen, un-
ter-
IITheil. N
im Menſchen.
wir eine Jdee, die ſich mit den Beobachtungen ſchlecht- hin nicht vereinigen laͤßt. Giebt es beſondere Theile, die zunaͤchſt die Eindruͤcke bey beſondern Empfindun- gen annehmen: ſo muͤſſen die uͤbrigen davon zugleich auch mit veraͤndert, und die Veraͤnderung muß eine Veraͤnderung des Ganzen werden. Und dieß muß ſich auf jeden einzelnen Aktus des Geſichts, des Denkens und des Wollens erſtrecken, den wir als eine Aeuſſerung unſers Jchs gewahrnehmen. Denn in dem entgegen- geſetzten Fall iſt es unmoͤglich, daß es ebendaſſelbige Ding ſeyn koͤnne, welches die einen und auch die uͤbri- gen Wirkungen hervorbringet. Jn der Uhr iſt es die Feder, welche treibet, und der Zeiger, der auf dem Zif- ferblatte herumgehet; aber ſo gewiß es iſt, daß jedes dieſer Stuͤcke der Maſchine ſein eigenes Geſchaͤffte habe, welches nicht das Geſchaͤffte des andern iſt, ſo gewiß falſch iſt es auch, daß ebendaſſelbige Weſen, welches das Uhrwerk treibet, auch dasjenige ſey, welches un- mittelbar die Stunden anzeiget. Nur ein Wortſpiel wuͤrde es ſeyn, wenn Jemand darauf beſtehen wollte, daß doch gleichwol der ganzen Uhr, beides, die Ver- richtung der Feder und des Zeigers, zugeſchrieben wer- den koͤnne. Wo wir ſo gewiß verſichert ſind, daß meh- rere Wirkungen Einer und derſelbigen Kraft zugehoͤren, als wir es bey den Wirkungen unſers Jchs ſind, da koͤnnen ſolche zwiſchen mehrern Dingen, die nur neben einander ſind, nicht vertheilt gedacht werden. Dieſe Dinge muͤſſen zum mindeſten ſo mit einander vereini- get ſeyn, daß Jedes-Jedem das Seinige mittheile, und daß Jedes an den Veraͤnderungen eines Jeden ſo viel Antheil nehme, als dieſe Veraͤnderungen in Einem und demſelbigen Dinge ſind.
Es folget ferner, daß unſer Jch ein Weſen ſey, welches von allem dem, was wir unter der Jdee vom koͤrperlichen Organ der Seele uns vorſtellen, un-
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im Menſchen.
wir eine Jdee, die ſich mit den Beobachtungen ſchlecht-
hin nicht vereinigen laͤßt. Giebt es beſondere Theile,
die zunaͤchſt die Eindruͤcke bey beſondern Empfindun-
gen annehmen: ſo muͤſſen die uͤbrigen davon zugleich
auch mit veraͤndert, und die Veraͤnderung muß eine
Veraͤnderung des Ganzen werden. Und dieß muß ſich
auf jeden einzelnen Aktus des Geſichts, des Denkens
und des Wollens erſtrecken, den wir als eine Aeuſſerung
unſers Jchs gewahrnehmen. Denn in dem entgegen-
geſetzten Fall iſt es unmoͤglich, daß es ebendaſſelbige
Ding ſeyn koͤnne, welches die einen und auch die uͤbri-
gen Wirkungen hervorbringet. Jn der Uhr iſt es die
Feder, welche treibet, und der Zeiger, der auf dem Zif-
ferblatte herumgehet; aber ſo gewiß es iſt, daß jedes
dieſer Stuͤcke der Maſchine ſein eigenes Geſchaͤffte habe,
welches nicht das Geſchaͤffte des andern iſt, ſo gewiß
falſch iſt es auch, daß ebendaſſelbige Weſen, welches
das Uhrwerk treibet, auch dasjenige ſey, welches un-
mittelbar die Stunden anzeiget. Nur ein Wortſpiel
wuͤrde es ſeyn, wenn Jemand darauf beſtehen wollte,
daß doch gleichwol der ganzen Uhr, beides, die Ver-
richtung der Feder und des Zeigers, zugeſchrieben wer-
den koͤnne. Wo wir ſo gewiß verſichert ſind, daß meh-
rere Wirkungen Einer und derſelbigen Kraft zugehoͤren,
als wir es bey den Wirkungen unſers Jchs ſind, da
koͤnnen ſolche zwiſchen mehrern Dingen, die nur neben
einander ſind, nicht vertheilt gedacht werden. Dieſe
Dinge muͤſſen zum mindeſten ſo mit einander vereini-
get ſeyn, daß Jedes-Jedem das Seinige mittheile, und
daß Jedes an den Veraͤnderungen eines Jeden ſo viel
Antheil nehme, als dieſe Veraͤnderungen in Einem und
demſelbigen Dinge ſind.
Es folget ferner, daß unſer Jch ein Weſen ſey,
welches von allem dem, was wir unter der Jdee vom
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/223>, abgerufen am 18.07.2024.
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