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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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XIII. Versuch. Ueber das Seelenwesen

Ebendasselbige wird erfordert, wenn wir den Aktus
des Vergleichens in einem Urtheil betrachten. Die
Vorstellung der einen Sache, welche verglichen wird,
ist eine Modifikation des Ganzen, die aber durch die Ver-
einigung entweder in allen und jeden substanziellen Theilen,
oder in Einem einzigen von ihnen, zu einer Vorstellung
wird, wenn sie es nicht ohne dieß schon in jedweder
einzeln genommen ist. Mit der Vorstellung der zwo-
ten Sache verhält es sich auf dieselbige Art. Nun folgt
die Vergleichung. Laßt diese Aktion auf die Jdeen
wiederum eine Aktion des Ganzen seyn, so sind entweder
die einzelnen Aktionen jedweder Theile Aktus des Ver-
gleichens, oder sie sind es nur kollektive, insofern sie in
ihren Folgen und Wirkungen auf ein einfaches sich ver-
einigen, und in diesem, wenn es ein vorstellendes We-
sen ist, den subjektivischen Schein von dem Aktus des
Vergleichens hervorbringen.

7.

Kann man sagen, daß diese Folgerung in andere
Worte übersetzet, so viel heiße: "es sey jedes einfache
"Wesen,
woraus das angenommene zusammengesetz-
"te Jch bestehet, selbst ein fühlendes, denkendes und
"wollendes Wesen, selbst die Seele, selbst ein Jch?"
Laßt uns zur Maxime nehmen, uns so nahe bey der
materialistischen Vorstellung zu halten, als wir nicht
durch die Vernunft davon abgedränget werden, und
laßt also nicht Einen, sondern alle für sich bestehende
Punkte des Ganzen solche Wesen seyn, in welchen die
heterogenen Aktus von allen vereiniget werden.

Wir können also jeden einfachen Aktus der Seele von
einer zweyfachen Seite betrachten, wenn wir auf alles
sehen, was zu diesem Aktus gehöret; und alsdann kön-
nen wir diese Vorstellung durch eine andere erläutern,
die schon bekannter ist. Wenn ein Regiment Solda-

ten
XIII. Verſuch. Ueber das Seelenweſen

Ebendaſſelbige wird erfordert, wenn wir den Aktus
des Vergleichens in einem Urtheil betrachten. Die
Vorſtellung der einen Sache, welche verglichen wird,
iſt eine Modifikation des Ganzen, die aber durch die Ver-
einigung entweder in allen und jeden ſubſtanziellen Theilen,
oder in Einem einzigen von ihnen, zu einer Vorſtellung
wird, wenn ſie es nicht ohne dieß ſchon in jedweder
einzeln genommen iſt. Mit der Vorſtellung der zwo-
ten Sache verhaͤlt es ſich auf dieſelbige Art. Nun folgt
die Vergleichung. Laßt dieſe Aktion auf die Jdeen
wiederum eine Aktion des Ganzen ſeyn, ſo ſind entweder
die einzelnen Aktionen jedweder Theile Aktus des Ver-
gleichens, oder ſie ſind es nur kollektive, inſofern ſie in
ihren Folgen und Wirkungen auf ein einfaches ſich ver-
einigen, und in dieſem, wenn es ein vorſtellendes We-
ſen iſt, den ſubjektiviſchen Schein von dem Aktus des
Vergleichens hervorbringen.

7.

Kann man ſagen, daß dieſe Folgerung in andere
Worte uͤberſetzet, ſo viel heiße: „es ſey jedes einfache
„Weſen,
woraus das angenommene zuſammengeſetz-
„te Jch beſtehet, ſelbſt ein fuͤhlendes, denkendes und
„wollendes Weſen, ſelbſt die Seele, ſelbſt ein Jch?‟
Laßt uns zur Maxime nehmen, uns ſo nahe bey der
materialiſtiſchen Vorſtellung zu halten, als wir nicht
durch die Vernunft davon abgedraͤnget werden, und
laßt alſo nicht Einen, ſondern alle fuͤr ſich beſtehende
Punkte des Ganzen ſolche Weſen ſeyn, in welchen die
heterogenen Aktus von allen vereiniget werden.

Wir koͤnnen alſo jeden einfachen Aktus der Seele von
einer zweyfachen Seite betrachten, wenn wir auf alles
ſehen, was zu dieſem Aktus gehoͤret; und alsdann koͤn-
nen wir dieſe Vorſtellung durch eine andere erlaͤutern,
die ſchon bekannter iſt. Wenn ein Regiment Solda-

ten
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[206/0236] XIII. Verſuch. Ueber das Seelenweſen Ebendaſſelbige wird erfordert, wenn wir den Aktus des Vergleichens in einem Urtheil betrachten. Die Vorſtellung der einen Sache, welche verglichen wird, iſt eine Modifikation des Ganzen, die aber durch die Ver- einigung entweder in allen und jeden ſubſtanziellen Theilen, oder in Einem einzigen von ihnen, zu einer Vorſtellung wird, wenn ſie es nicht ohne dieß ſchon in jedweder einzeln genommen iſt. Mit der Vorſtellung der zwo- ten Sache verhaͤlt es ſich auf dieſelbige Art. Nun folgt die Vergleichung. Laßt dieſe Aktion auf die Jdeen wiederum eine Aktion des Ganzen ſeyn, ſo ſind entweder die einzelnen Aktionen jedweder Theile Aktus des Ver- gleichens, oder ſie ſind es nur kollektive, inſofern ſie in ihren Folgen und Wirkungen auf ein einfaches ſich ver- einigen, und in dieſem, wenn es ein vorſtellendes We- ſen iſt, den ſubjektiviſchen Schein von dem Aktus des Vergleichens hervorbringen. 7. Kann man ſagen, daß dieſe Folgerung in andere Worte uͤberſetzet, ſo viel heiße: „es ſey jedes einfache „Weſen, woraus das angenommene zuſammengeſetz- „te Jch beſtehet, ſelbſt ein fuͤhlendes, denkendes und „wollendes Weſen, ſelbſt die Seele, ſelbſt ein Jch?‟ Laßt uns zur Maxime nehmen, uns ſo nahe bey der materialiſtiſchen Vorſtellung zu halten, als wir nicht durch die Vernunft davon abgedraͤnget werden, und laßt alſo nicht Einen, ſondern alle fuͤr ſich beſtehende Punkte des Ganzen ſolche Weſen ſeyn, in welchen die heterogenen Aktus von allen vereiniget werden. Wir koͤnnen alſo jeden einfachen Aktus der Seele von einer zweyfachen Seite betrachten, wenn wir auf alles ſehen, was zu dieſem Aktus gehoͤret; und alsdann koͤn- nen wir dieſe Vorſtellung durch eine andere erlaͤutern, die ſchon bekannter iſt. Wenn ein Regiment Solda- ten

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/236>, abgerufen am 23.11.2024.