wollen wir zunächst auf solche Bewegungen sehen, die wir unter dem Namen der thierischen unterscheiden, weil wir aus dem Gefühl es zu wissen glauben, daß sie von den vereinigten Seelen- und Körperkräften abhan- gen. Diejenigen, die zuverläßig bloß mechanisch oder organisch mit ihrem ersten Reiz in Verbindung stehen, sollen nachher vorgenommen werden. Sehen wir also die ganze Reihe der Veränderungen durch, von dem Ein- drucke an, der sie zuerst erreget, bis auf die letzte Bewe- gung, die sie beschließet: so muß zwar zwischen diesen eine Verbindung und Mittheilung statt finden, die über das Gehirn und durch die Seele gehet; und durch die- sen Weg wird sie geführt, so oft sie thierisch verrichtet, das ist, durch den Einfluß der Seele bestimmt wird.
Aber wir können uns als möglich vorstellen, daß der erste Theil einer solchen Reihe, den man den hin- eingehenden nennen kann, mit dem folgenden, der wieder herausgehet, auf eine zweyfache Art verbunden sey, und gleichsam durch zween Kanäle in den letzten über- gehen könne, davon Einer ganz allein in dem Körper lieget, außer der vorftellenden und wollenden Seele, der andere aber über die Seele gehet. Die beiden Ver- änderungsreihen mögen nun in allen ihren Gliedern, die zwischen dem ersten und dem letzten liegen, von einan- der unterschieden seyn, oder auch beide so weit sie in den Körper fallen dieselbigen seyn, so daß diejenige, wel- che über die Seele gehet, nur bey dem Eintritt in die- selbe, das ist, bey der Empfindung von der zwoten ab- weichet, und wiederum bey dem Austritt aus der See- le, das ist da, wo die Bewegungskraft der Seele sich auf den Körper äußert, mit ihr sich vereiniget. Die so gleich anzuführenden Beobachtungen lehren, daß man sich auf diese Art die Sache vorstellen könne, ja fast vor- stellen müsse. Denn wenn man nur eine Verbindung allein mittelst der Seele bey den thierischen Reihen an-
nehmen
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im Menſchen.
wollen wir zunaͤchſt auf ſolche Bewegungen ſehen, die wir unter dem Namen der thieriſchen unterſcheiden, weil wir aus dem Gefuͤhl es zu wiſſen glauben, daß ſie von den vereinigten Seelen- und Koͤrperkraͤften abhan- gen. Diejenigen, die zuverlaͤßig bloß mechaniſch oder organiſch mit ihrem erſten Reiz in Verbindung ſtehen, ſollen nachher vorgenommen werden. Sehen wir alſo die ganze Reihe der Veraͤnderungen durch, von dem Ein- drucke an, der ſie zuerſt erreget, bis auf die letzte Bewe- gung, die ſie beſchließet: ſo muß zwar zwiſchen dieſen eine Verbindung und Mittheilung ſtatt finden, die uͤber das Gehirn und durch die Seele gehet; und durch die- ſen Weg wird ſie gefuͤhrt, ſo oft ſie thieriſch verrichtet, das iſt, durch den Einfluß der Seele beſtimmt wird.
Aber wir koͤnnen uns als moͤglich vorſtellen, daß der erſte Theil einer ſolchen Reihe, den man den hin- eingehenden nennen kann, mit dem folgenden, der wieder herausgehet, auf eine zweyfache Art verbunden ſey, und gleichſam durch zween Kanaͤle in den letzten uͤber- gehen koͤnne, davon Einer ganz allein in dem Koͤrper lieget, außer der vorftellenden und wollenden Seele, der andere aber uͤber die Seele gehet. Die beiden Ver- aͤnderungsreihen moͤgen nun in allen ihren Gliedern, die zwiſchen dem erſten und dem letzten liegen, von einan- der unterſchieden ſeyn, oder auch beide ſo weit ſie in den Koͤrper fallen dieſelbigen ſeyn, ſo daß diejenige, wel- che uͤber die Seele gehet, nur bey dem Eintritt in die- ſelbe, das iſt, bey der Empfindung von der zwoten ab- weichet, und wiederum bey dem Austritt aus der See- le, das iſt da, wo die Bewegungskraft der Seele ſich auf den Koͤrper aͤußert, mit ihr ſich vereiniget. Die ſo gleich anzufuͤhrenden Beobachtungen lehren, daß man ſich auf dieſe Art die Sache vorſtellen koͤnne, ja faſt vor- ſtellen muͤſſe. Denn wenn man nur eine Verbindung allein mittelſt der Seele bey den thieriſchen Reihen an-
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im Menſchen.
wollen wir zunaͤchſt auf ſolche Bewegungen ſehen, die
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weil wir aus dem Gefuͤhl es zu wiſſen glauben, daß ſie
von den vereinigten Seelen- und Koͤrperkraͤften abhan-
gen. Diejenigen, die zuverlaͤßig bloß mechaniſch oder
organiſch mit ihrem erſten Reiz in Verbindung ſtehen,
ſollen nachher vorgenommen werden. Sehen wir alſo
die ganze Reihe der Veraͤnderungen durch, von dem Ein-
drucke an, der ſie zuerſt erreget, bis auf die letzte Bewe-
gung, die ſie beſchließet: ſo muß zwar zwiſchen dieſen
eine Verbindung und Mittheilung ſtatt finden, die uͤber
das Gehirn und durch die Seele gehet; und durch die-
ſen Weg wird ſie gefuͤhrt, ſo oft ſie thieriſch verrichtet,
das iſt, durch den Einfluß der Seele beſtimmt wird.
Aber wir koͤnnen uns als moͤglich vorſtellen, daß
der erſte Theil einer ſolchen Reihe, den man den hin-
eingehenden nennen kann, mit dem folgenden, der
wieder herausgehet, auf eine zweyfache Art verbunden
ſey, und gleichſam durch zween Kanaͤle in den letzten uͤber-
gehen koͤnne, davon Einer ganz allein in dem Koͤrper
lieget, außer der vorftellenden und wollenden Seele,
der andere aber uͤber die Seele gehet. Die beiden Ver-
aͤnderungsreihen moͤgen nun in allen ihren Gliedern, die
zwiſchen dem erſten und dem letzten liegen, von einan-
der unterſchieden ſeyn, oder auch beide ſo weit ſie in den
Koͤrper fallen dieſelbigen ſeyn, ſo daß diejenige, wel-
che uͤber die Seele gehet, nur bey dem Eintritt in die-
ſelbe, das iſt, bey der Empfindung von der zwoten ab-
weichet, und wiederum bey dem Austritt aus der See-
le, das iſt da, wo die Bewegungskraft der Seele ſich
auf den Koͤrper aͤußert, mit ihr ſich vereiniget. Die ſo
gleich anzufuͤhrenden Beobachtungen lehren, daß man
ſich auf dieſe Art die Sache vorſtellen koͤnne, ja faſt vor-
ſtellen muͤſſe. Denn wenn man nur eine Verbindung
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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/339>, abgerufen am 22.11.2024.
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