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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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im Menschen.

Was zuerst die natürlich nothwendigen Reihen be-
trift, wo auf gewisse Eindrücke und Reize gewisse Be-
wegungen erfolgen, die lediglich nach den Gesetzen der
Organisation mit jenen verbunden sind: so bedarf es des-
wegen kaum, daß man die Fälle nennt, so bekannt
sind sie. Die Speisen reizen den Magen. Darauf
erfolget eine wurmförmige Bewegung der Gedärme,
und darauf eine Ausleerung, der Einrichtung des Kör-
pers gemäß. Aber die Seele empfängt davon Em-
pfindungen und Vorstellungen, und verbindet damit ihr
Wollen. Das Herz und einige Muskeln ziehen sich
nach dem Tode des Menschen zusammen, zum Beweis,
daß die Reizbarkeit eine Kraft sey, welche dem beseelten
Körper für sich zukomme, und daß sie thätig sey, auch
wenn sie des allgemeinen Einflusses der Seele, als der
belebenden Kraft, entbehren muß. Bey andern organi-
schen Bewegungen kann die Seelenkraft weniger ent-
behrlich seyn; aber auch daraus wird nicht folgen, daß
jene nicht deswegen doch allein in dem organischen und
belebten Körper bloß durch die Körperkräfte bewirket
werden können. Sollte dieß letztere einigem Zweifel
unterworfen seyn, so müßte man vielleicht diejenigen
Bewegungsreihen ausnehmen, die nicht allein durch die
Organisation nothwendig sind, sondern anfangs gewisse
zufällige Umstände erfodert haben, ehe die Association
sich festgesetzt hat. Vielleicht möchte man sagen, ist in
diesen Fällen dieselbige dunkle Empfindung in der Seele,
und dasselbige Bestreben ihrer Kraft, welche zuerst die
nachfolgende Bewegung veranlaßt hat, auch immer-
fort dieselbige Zwischenursache, die sie bestimmt, ohne
daß wir es gewahrwerden. Allein die nachfolgen-
den Betrachtungen heben alle Zweifel hierüber.

Erstlich ist so viel gewiß, daß alle solche Rei-
hen vorher instinktartig sich associirt haben, ehe sie
auf irgend eine Weise mittelst der vorstellenden Kraft

der
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im Menſchen.

Was zuerſt die natuͤrlich nothwendigen Reihen be-
trift, wo auf gewiſſe Eindruͤcke und Reize gewiſſe Be-
wegungen erfolgen, die lediglich nach den Geſetzen der
Organiſation mit jenen verbunden ſind: ſo bedarf es des-
wegen kaum, daß man die Faͤlle nennt, ſo bekannt
ſind ſie. Die Speiſen reizen den Magen. Darauf
erfolget eine wurmfoͤrmige Bewegung der Gedaͤrme,
und darauf eine Ausleerung, der Einrichtung des Koͤr-
pers gemaͤß. Aber die Seele empfaͤngt davon Em-
pfindungen und Vorſtellungen, und verbindet damit ihr
Wollen. Das Herz und einige Muskeln ziehen ſich
nach dem Tode des Menſchen zuſammen, zum Beweis,
daß die Reizbarkeit eine Kraft ſey, welche dem beſeelten
Koͤrper fuͤr ſich zukomme, und daß ſie thaͤtig ſey, auch
wenn ſie des allgemeinen Einfluſſes der Seele, als der
belebenden Kraft, entbehren muß. Bey andern organi-
ſchen Bewegungen kann die Seelenkraft weniger ent-
behrlich ſeyn; aber auch daraus wird nicht folgen, daß
jene nicht deswegen doch allein in dem organiſchen und
belebten Koͤrper bloß durch die Koͤrperkraͤfte bewirket
werden koͤnnen. Sollte dieß letztere einigem Zweifel
unterworfen ſeyn, ſo muͤßte man vielleicht diejenigen
Bewegungsreihen ausnehmen, die nicht allein durch die
Organiſation nothwendig ſind, ſondern anfangs gewiſſe
zufaͤllige Umſtaͤnde erfodert haben, ehe die Aſſociation
ſich feſtgeſetzt hat. Vielleicht moͤchte man ſagen, iſt in
dieſen Faͤllen dieſelbige dunkle Empfindung in der Seele,
und daſſelbige Beſtreben ihrer Kraft, welche zuerſt die
nachfolgende Bewegung veranlaßt hat, auch immer-
fort dieſelbige Zwiſchenurſache, die ſie beſtimmt, ohne
daß wir es gewahrwerden. Allein die nachfolgen-
den Betrachtungen heben alle Zweifel hieruͤber.

Erſtlich iſt ſo viel gewiß, daß alle ſolche Rei-
hen vorher inſtinktartig ſich aſſociirt haben, ehe ſie
auf irgend eine Weiſe mittelſt der vorſtellenden Kraft

der
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[329/0359] im Menſchen. Was zuerſt die natuͤrlich nothwendigen Reihen be- trift, wo auf gewiſſe Eindruͤcke und Reize gewiſſe Be- wegungen erfolgen, die lediglich nach den Geſetzen der Organiſation mit jenen verbunden ſind: ſo bedarf es des- wegen kaum, daß man die Faͤlle nennt, ſo bekannt ſind ſie. Die Speiſen reizen den Magen. Darauf erfolget eine wurmfoͤrmige Bewegung der Gedaͤrme, und darauf eine Ausleerung, der Einrichtung des Koͤr- pers gemaͤß. Aber die Seele empfaͤngt davon Em- pfindungen und Vorſtellungen, und verbindet damit ihr Wollen. Das Herz und einige Muskeln ziehen ſich nach dem Tode des Menſchen zuſammen, zum Beweis, daß die Reizbarkeit eine Kraft ſey, welche dem beſeelten Koͤrper fuͤr ſich zukomme, und daß ſie thaͤtig ſey, auch wenn ſie des allgemeinen Einfluſſes der Seele, als der belebenden Kraft, entbehren muß. Bey andern organi- ſchen Bewegungen kann die Seelenkraft weniger ent- behrlich ſeyn; aber auch daraus wird nicht folgen, daß jene nicht deswegen doch allein in dem organiſchen und belebten Koͤrper bloß durch die Koͤrperkraͤfte bewirket werden koͤnnen. Sollte dieß letztere einigem Zweifel unterworfen ſeyn, ſo muͤßte man vielleicht diejenigen Bewegungsreihen ausnehmen, die nicht allein durch die Organiſation nothwendig ſind, ſondern anfangs gewiſſe zufaͤllige Umſtaͤnde erfodert haben, ehe die Aſſociation ſich feſtgeſetzt hat. Vielleicht moͤchte man ſagen, iſt in dieſen Faͤllen dieſelbige dunkle Empfindung in der Seele, und daſſelbige Beſtreben ihrer Kraft, welche zuerſt die nachfolgende Bewegung veranlaßt hat, auch immer- fort dieſelbige Zwiſchenurſache, die ſie beſtimmt, ohne daß wir es gewahrwerden. Allein die nachfolgen- den Betrachtungen heben alle Zweifel hieruͤber. Erſtlich iſt ſo viel gewiß, daß alle ſolche Rei- hen vorher inſtinktartig ſich aſſociirt haben, ehe ſie auf irgend eine Weiſe mittelſt der vorſtellenden Kraft der X 5

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/359>, abgerufen am 22.11.2024.